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Paritätische Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen für ein Gesetz zur Stärkung und steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen

Stellungnahme
Erstellt von Katrin Frank

In Deutschland lebt mittlerweile jedes fünfte Kind in Armut. Eine Situation, die aus Sicht des Paritätischen Gesamtverbands nicht mehr länger hinnehmbar ist. Die Bekämpfung der dramatisch hohen Kinderarmut hat für den Paritätischen Gesamtverband oberste Priorität. Der Paritätische Gesamtverband tritt deshalb für eine bessere monetäre Förderung und Absicherung von Familien sowie eine Umverteilung von familienfördernden Leistungen zugunsten von Familien ohne oder mit geringem Einkommen aus. Besondere Förderung und Unterstützung bedürfen hierbei insbesondere auch Alleinerziehende, die mit ihren Kindern überproportional oft in Armut leben.

Allgemeine Bewertung

Der vorliegende Referentenentwurf kommt einer deutlichen Besserstellung der soeben genannten Zielgruppen nicht nach. Die steuerliche Anhebung des Kinderfreibetrages und die marginale Anhebung des Kindergeldes sorgen keinesfalls für eine grundlegende Neuausrichtung bei der Förderung und Entlastung von einkommensschwachen Familien. Vielmehr manifestiert der Entwurf bestehende Ungerechtigkeiten.

Familien mit hohem Einkommen werden durch die Erhöhung des Kinderfreibetrags deutlich stärker gefördert als Familien im mittleren und unteren Einkommensbereich. Es wurde von Seiten der Bundesregierung erneut versäumt, das Kindergeld analog zur maximalen monatlichen Entlastungswirkung des Kinderfreibetrags von ungefähr 300 Euro anzupassen.

Der Paritätische Gesamtverband fordert deshalb eine grundlegende Reform des Familienlastenausgleichs. Er tritt für eine Kindergrundsicherung ein, bei der einkommensschwache Eltern künftig stärker gefördert werden. Jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein. Dies ist aktuell nicht der Fall.

Kindergelderhöhung

Die Erhöhung des Kindergeldes ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Entsprechend dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll das Kindergeld zum 1. Juli 2019 um 10 Euro angehoben werden. Es beträgt dann monatlich für das erste und zweite Kind jeweils 204 Euro, für das dritte Kind 210 Euro und für das vierte und jedes weitere Kind jeweils 235 Euro. Im Jahr 2021 soll eine erneute Erhöhung um jeweils 15 Euro erfolgen.

Nach Ansicht des Paritätischen Gesamtverbandes geht diese Erhöhung jedoch am tatsächlichen Bedarf vieler Familien vorbei, Familien im SGB II – oder SGB XII-Leistungsbezug sind – wie bisher auch – von der Erhöhung des Kindergeldes faktisch ausgeschlossen, weil die Kindergeldleistungen vollständig auf die Grundsicherungsleistungen angerechnet werden. Zudem entfaltet die Erhöhung von 10 Euro auch bei Geringverdienern keine hinreichende armutspolitische Wirkung.

Anhebung des Grundfreibetrages

Der Paritätische begrüßt die Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages für alle einkommenssteuerpflichtigen Personen, da diese auch Familien mit Kindern zu Gute kommt. Der Grundfreibetrag berechnet sich üblicherweise nach den im Existenzminimumsbericht ausgewiesenen Verfahren. Der anstehende Existenzminimumsbericht liegt aber noch nicht vor. Die Festsetzung des Grundfreibetrags ist nunmehr politisch gesetzt und sachlich nicht begründet.

Grundsätzlich weist der Paritätische darauf hin, dass die Regelbedarfe weder sachgerecht ermittelt noch bedarfsdeckend sind. Notwendig wäre daher eine Neuermittlung der Regelbedarfe, um auf dieser Grundlage auch den steuerlichen Grundfreibetrag deutlich zu erhöhen. Dies gilt ebenso für die Regelbedarfe von Kindern und den daraus abzuleitenden Kinderfreibetrag.

Anhebung des Kinderfreibetrages

Nach wie vor besteht eine Differenz zwischen der Höhe des Kindergeldes und der maximalen Entlastung, wie sie durch die Ausschöpfung des Kinderfreibetrages erreicht werden kann. Danach werden Familien mit hohem Einkommen stärker entlastet, als Familien mit mittlerem Einkommen.

Familien mit geringem Einkommen profitieren vom Kinderfreibetrag gar nicht. Die maximale Entlastung durch den Kinderfreibetrag beträgt rund 300 Euro im Monat. Familien mit hohem Einkommen werden somit über den Kinderfreibetrag nach wie vor um bis zu 100 Euro stärker entlastet als Familien mit unteren und mittleren Einkommen über das Kindergeld. Der Paritätische spricht sich daher dafür aus, die bestehende Differenz zwischen Kindergeld und maximalem Entlastungsbetrag sukzessive zu beseitigen.

Mit diesem Gesetzesentwurf wird die Schere zwischen arm und reich noch größer: Denn durch die Kindergelderhöhung erhalten mittlere und untere Einkommen in den Jahren 2019/2020 insgesamt 180 Euro an zusätzlicher Förderung. Besserverdiener mit hohen Einkommen werden demgegenüber über den Kinderfreibetrag mit zusätzlich 273 Euro vergleichsweise stärker steuerlich entlastet. Damit ist eine deutliche Besserstellung der Familien mit hohen Einkommen über den Kinderfreibetrag gegeben. Eine Umverteilung von familienfördernden Leistungen zugunsten von Familien ohne oder mit geringem Einkommen findet somit nicht statt.

Weitere Forderungen

Der Paritätische Gesamtverband macht sich gemeinsam mit weiteren 13 Verbänden für eine Kindergrundsicherung in Höhe von 619 Euro stark. Diese soll sich am kindlichen Existenzminimum orientieren. Dazu gehört neben dem sächlichen Existenzminimum auch ein transparent und nachvollziehbar berechneter Bedarf für Bildung, Erziehung und Ausbildung. Da die Kindergrundsicherung bei steigendem Einkommen sinkt, wäre sie sozial nachhaltiger und gerechter.

Die Situation von Alleinerziehenden muss bei der steuerlichen Entlastung und den monetären Förderinstrumenten stärker in den Fokus gerückt werden. Alleinerziehende profitieren in der Regel kaum von Kinderfreibeträgen, da sie oft nur in Teilzeit arbeiten können und dadurch geringere Einkommen beziehen.

Aus Sicht des Paritätischen Gesamtverbandes ist auch eine Reform des Kinderzuschlags im Nachgang der UVG-Reform dringend erforderlich. Denn der Unterhaltsvorschuss wird aktuell sowohl auf den Kinderzuschlag, als auch auf das Wohngeld angerechnet. Im Ergebnis können somit diese Leistungen reduziert werden oder komplett entfallen. Sofern Kinderzuschlag und Wohngeld entfallen, geht auch der Anspruch auf Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets verloren. Eine Situation, die aus Sicht des Paritätischen Gesamtverbandes sozialpolitisch nicht länger hinnehmbar ist.


Stellungnahme_Familienentlastung.pdfStellungnahme_Familienentlastung.pdf