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Regierungsbericht mit Lücken – der Ausbau beruflicher Weiterbildungen geht nur langsam voran

Lebenslanges, vor allem berufliches Lernen zu befördern, ist ein wichtiges Anliegen der Politik und die öffentlich geförderte Weiterbildung von Arbeitsagenturen und Jobcenter soll dafür einen stärkeren Beitrag leisten. Die Bundesregierung hat deshalb in ihrer ausgehenden Amtszeit eine „Qualifizierungsoffensive“ ausgerufen und drei Gesetze auf den Weg gebracht, mit denen Arbeitsagenturen und Jobcenter großzügigere und breiter aufgestellte Fördermöglichkeiten bekommen. Den Auftakt bildete das 2019 in Kraft getretene Qualifizierungschancengesetz (QCG). Tina Hofmann, Referentin für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik beim Paritätischen Gesamtverband, hat sich dessen Umsetzung angesehen.

Der Bundesregierung wurde eine Berichtspflicht zur Umsetzung der geförderten Weiterbildung auferlegt. So hat sie dem Bundestag in jeder Legislaturperiode über die Förderung der beruflichen Weiterbildung und die Ausgaben zu berichten und im Jahr 2020 damit zu beginnen. Seit Anfang Januar liegt der erste Bericht vor. Das 39 Seiten starke Dokument legt einen Schwerpunkt bei der Umsetzung des QCG im Jahr 2019 und enthält ein Sammelsurium an Statistiken aus dem Fundus der Bundesagentur für Arbeit. Für ausreichend Transparenz über die Umsetzung des Gesetzes ist damit nicht gesorgt.

Keine Auskünfte erhält man etwa zu der Frage, welche Ziele mit dem QCG verbunden waren und ob man ihnen in der bisherigen Umsetzung näher gekommen ist. Das Gesetz selbst sieht vor, Fort- und Weiterbildungsangebote für Beschäftigte auszubauen, damit sie sich im technologischen Strukturwandel behaupten können. Unter Berufen, die besonders stark davon Strukturwandel betroffen sind, hat die Bundesregierung technisch-industrielle und unternehmensnahe Dienstleistungsberufe ausgemacht. In einem weiteren Schwerpunkt sollten Fort- und Weiterbildungen in Bereichen mit ausgeprägtem Fachkräftemangel, wie in der Altenpflege, gefördert werden.

Kaum Resonanz in Branchen, die besonders stark Strukturwandel betroffen sind

Ausweislich des Regierungsberichts hat die Fort- und Weiterbildung für Beschäftigte im Jahr 2019 „an Fahrt aufgenommen“. Im Jahr 2019 haben rund 35.000 Beschäftigte eine geförderte Weiterbildung aufgenommen. Das bedeutet eine Steigerung um 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allerdings zeigen weitergehende Analysen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (siehe IAB-Kurzbericht 24/2020), dass die Anzahl der Fort- und Weiterbildungen für Beschäftigte bereits in den Jahren vor Inkrafttreten des Gesetzes kontinuierlich angestiegen war.

Das Plus in 2019 fällt nicht so hoch aus, wie es die erweiterten Fördermöglichkeiten des neuen Gesetzes hätten erwarten lassen, so die Forscher. Es ist kaum gelungen, Beschäftige in den vom technologischen Wandel besonders betroffenen Berufsbereichen, wie etwa dem IT-Sektor oder im Maschinenbau, für eine öffentlich geförderte Weiterbildung zu gewinnen.

In der Altenpflege hilft die Förderung gegen den Fachkräftemangel – Umsetzung ist jedoch kompliziert

Ein Schwerpunkt der Förderungen lag nach wie vor in der Altenpflege, wo die Förderungen noch einmal zusätzlich gesteigert werden konnten. Und sie stellen einen wertvollen Beitrag zur Reduzierung des Fachkräftemangels dar. Die Förderbedingungen sind nach Erfahrungen aus der Praxis dennoch nicht optimal. Bei den Umschulungen für den neuen Pflegeberuf – Stichwort generalistische Pflegeausbildung – haben sich an der Schnittstelle von der in Bundeshoheit liegenden Arbeitsförderung und der von den Bundesländern verantworteten Pflegeausbildungen Unstimmigkeiten und Reibungspunkte ergeben, die eine unkomplizierte Umsetzung der Umschulungen erschweren. Organisatorische und finanzielle Stolpersteine veranlassen nicht wenige Pflegeschulen dazu, ihre Ausbildungskapazitäten auf die Erstausbildung zu konzentrieren und sich bei Umschulungen eher zurückzuhalten.

Es ist u.a. misslich, dass die nach den Verfahrensweisen der Arbeitsförderung bezahlten Maßnahmenkosten deutlich zu niedrig sind, um die Kosten für Umschulungen zu decken und sich die Pflegeschulen fehlendes Geld für jede/n einzelnen Umschüler/in über die von den Bundesländern organisierten Ausbildungsfonds beschaffen müssen. Die Bewilligungspraxis der Arbeitsagenturen und Jobcentern gestaltet sich aber oft als zu restriktiv, etwa wenn die Finanzierung des dritten Umschulungsjahres verweigert und an die Länder verwiesen wird.

Bericht lässt viele Fragen offen

Als Schlüssel zur Fort- und Weiterbildung wird Beratung für Weiterbildungsinteressierte und für Unternehmen angesehen, weshalb das QCG den Ausbau von Weiterbildungs- und Qualifizierungsberatungen bei der Bundesagentur für Arbeit vorsah. Zur Umsetzung enthält der Bericht nichts.

Im Unklaren bleibt auch das Ungleichgewicht in der Förderung von Arbeitsagenturen und Jobcentern. Während ausweislich der BA-Statistiken im Jahr 2019 mehr als 60 Prozent der Arbeitslosen von den Jobcentern, aber nur knapp ein 40 Prozent von den Arbeitsagenturen betreut wurden, haben die Arbeitsagenturen zwei Drittel aller Fort- und Weiterbildungen angeboten. Laut Regierungsbericht haben die Jobcenter Fort- und Weiterbildungen für Beschäftigte nicht etwa hochgefahren, sondern eingeschränkt. Erklärungen dafür sucht man vergebens.

Vertiefende Analyse für eine bessere Umsetzung geförderter Weiterbildung notwendig

Auch wenn die öffentlich geförderte Weiterbildung in den letzten Jahren insgesamt gestärkt werden konnte, so lohnt sich dennoch ein vertiefter Blick auf die Umsetzung, die deutlich über den vorliegenden Bericht hinausgeht. Dabei sollte im Fokus stehen, wie ein stärkeres Engagement der Jobcenter in der Fort- und Weiterbildung initiiert und der gewünschte Schulterschluss der Arbeitsverwaltung mit sozialen Einrichtungen und Unternehmen zustande kommen könnte. In der Altenpflege müssten Verfahrenswege für die Organisation und Finanzierung der Fort- und Weiterbildungen flexibler und großzügiger ausgestaltet werden, damit sie in der Praxis nicht weiter zum lähmenden Mühlstein werden.

Autorin:
Tina Hofmann

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de