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Logo: Vielfalt ohne Alternative

Vielfalt bleibt ohne Alternative

Erstellt von Christian Weßling

Warum sich die Zivilgesellschaft gegen den Druck von Rechts wehren muss.

In Zeiten zunehmender sozialer Ungleichheit und Abstiegsängsten in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft, in der das zentrale Aufstiegsversprechen „Wer sich anstrengt, fleißig ist und etwas leistet, wird mit lebenslangem Wohlstand belohnt“ nicht mehr gilt, sind politische Kultur und das soziales Klima rauher geworden. Das Erstarken rechter Mobilisierung und Parteien in Deutschland, die diese Stimmung mit dem Ziel aufgreifen, die systematische Abwertung von anderen Menschen zu betreiben, die als nicht zugehörig zur Gesellschaft konstruiert und für vermeintliche oder echte gesellschaftlichen Probleme verantwortlich gemacht werden, betrifft in zunehmendem Maße die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen sowohl in ihrem Selbstverständnis als auch in ihrer praktischen Arbeit.

Gezielte Konfrontation und Provokation gehören seit jeher zur zentralen Strategie von rechtsextremen Akteuren. Doch es wäre verfehlt, die Platzierung der darin geäußerten Inhalte als rein taktische Manöver zu betrachten und auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Arbeit von Organisationen, Einrichtungen und Gruppierungen im Sozial- und Gesundheitsbereich wird durch Vertreter/-innen rechtsextremer Organisationen und Parteien insbesondere im Kontext der Hilfe für Geflüchtete und Integrationsprojekten in Frage gestellt. Das bleibt für die in diesem Bereich tätigen Haupt- und Ehrenamtlichen nicht ohne Folgen: Mancherorts sehen sie sich bedroht oder  haben das Gefühl, ihr Engagement verbergen zu müssen.

Mit seiner „Charta gegen Rassismus und Rechtsextremismus“ hat sich der Paritätische bereits 2015 in aller Klarheit öffentlich gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Ideologien der Ungleichwertigkeit positioniert. Grundlage ist das in den Paritätischen Verbandsgrundsätzen verankerte Werteprogramm der Vielfalt, Toleranz und Offenheit für alle Menschen, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sozialer oder ethnischer Herkunft, Alter, Religion oder Weltanschauung, sexueller Identität, materieller Situation, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Beeinträchtigung oder Krankheit. Nach Verlauf und Ausgang der Bundestagswahlen 2017 stellt sich aktuell die Frage nach geeigneten Formen des verbandlichen Engagements gegen Rassismus und Rechtsextremismus und insbesondere nach dem Umgang mit der AfD mit neuer Dringlichkeit.

Nach dem Einzug der AfD in bislang 14 von 16 Länderparlamenten, in den Bundestag sowie zahlreiche Kommunalparlamente lässt sich eine erste Zwischenbilanz ziehen. Die Aufnahme von Geflüchteten und das Grundrecht auf Asyl werden negiert, Gleichstellungspolitik und Inklusion als staatliche Ziele und gemeinschaftliche Werte abgelehnt. Zuletzt sorgte eine Kleine Anfrage der AfD an die Bundesregierung, in dem die Themen „Inzucht“, Schwerbehinderung und Migration in einen Zusammenhang gesetzt wurden, zu Recht nicht nur bei den Behindertenverbänden für große Empörung. Die bisherigen Erfahrungen mit der AfD, gerade auch in den Parlamenten, offenbaren eine Strategie, die zum Ziel hat, Menschen und zivilgesellschaftliche Organisationen zu verunsichern, zu schwächen und zu demotivieren, die sich für Offenheit, Vielfalt und Toleranz engagieren. Deshalb hat der Verband im April 2018 ein Positionspapier zum Umgang mit Rechtsextremismus und der Politik der AfD beschlossen, die dem Paritätischen und seinen Mitgliedern Orientierung bietet und eine deutliche Linie zieht zu Bestrebungen von rechts, die Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure zu beschneiden.

Beispiel Schleswig-Holstein: Umfassende Änderungsanträge zum Landeshaushalt mit dem Ziel, den Anteil von Schutzbedürftigen zu reduzieren (Abschiebung) und Integrations- und Schutzprojekte zu definanzieren. Betrifft auch die Förderung von anderen Unterstützungsangeboten wie Kulturprojekte von Sinti&Roma, Schwulen- und Lesbenarbeit, der queeren Community, des „Vielfalt“-Aktionsplans, Gleichstellungsbeauftragten für Land, Kommunen, Hochschule und Rechtsaufsicht.

Beispiel Berlin: Die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat mit 20 kleinen Anfragen unter dem Titel “Kampf gegen Rechts aus Steuermitteln” Informationen zu Akteuren und Personen erfragt, die sich in Projekten gegen Rechts engagieren. Das Interesse an Finanzierungen einzelner Träger bezieht sich hierbei nicht nur auf das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Vielmehr werden Fragen über Träger der sozialen Infrastruktur in Berlin und deren Finanzierung aus öffentlichen Geldern im Generellen erfragt. Hierunter zählen Wohlfahrtsorganisationen, Träger der Jugendhilfe, Jugendarbeit, von Kitas und Schulen sowie Nachbarschafts- und Selbsthilfeeinrichtungen und deren Angebote.

Beispiel Thüringen: Antrag der AfD-Fraktion  zur Förderung von Gewaltschutzräumen und zur Prävention gegen häusliche Gewalt – mit der implizirten Forderung nach Abschaffung von Frauenhäusern und Frauenzentren.

Die Befürchtung besteht, dass hier die Arbeit diskreditiert und missliebigen Projekten die Finanzierung entzogen werden soll. Dies beträfe eine große Bandbreite der Arbeit sozialer Einrichtungen: Flüchtlingshilfe, Schwangerschaftskonfliktberatung, schwul-lesbisch-queere Bildungsprojekte, Frauenhäuser,  politische Jugend- und Kulturarbeit, Migrantenselbstorganisationen, inklusive Bildungs- und Erziehungsprojekte, interkulturelle Bildung und vieles mehr.

Die auf diese Weise angegriffenen Organisationen beginnen, sich zum Schutz der demokratischen und vielfältigen Gesellschaft, die sie repräsentieren, zusammenzuschließen. Auch der Paritätische und seine Mitgliedsorganisationen sind an mehreren solcher Initiativen beteiligt.

Im breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis aus Kultur, Gewerkschaft, Jugendhilfe, Wohlfahrt und Kirche wendet sich der Paritätische Sachsen-Anhalt mit einem gemeinsamen Positionspapier an die Öffentlichkeit, um ein klares Zeichen gegen die Denunziation zivilgesellschaftlichen Engagements und das Schüren von Ängsten seitens der AfD zu setzen. „Ob durch Redebeiträge im Plenum, durch Kleine und Große Anfragen zu einzelnen Trägern oder durch das Einsetzen einer Enquete-Kommission gegen „Linksextremismus“ - stets werden parlamentarische Kontrollinstrumente durch die AfD genutzt, um das solidarische und vielfältige Miteinander, das eine demokratische Gesellschaft ausmacht, in Frage zu stellen“, kritisieren die Unterzeichner und weisen derlei Angriffe auf die pluralistische Zivilgesellschaft entschieden zurück.

In Bottrop rief der Paritätische gemeinsam mit dem Bündnis gegen Rechts unter dem Titel „Für Frauenrechte - gegen Rassismus“ zu einer Kundgebung auf, die sich gegen die Vereinnahmung des Themas Gewaltschutz für Fragen durch rechtsextreme Akteure wendete.  „Wir müssen zeigen, dass die große Mehrheit der Bottroper Bevölkerung sehr wohl in der Lage ist, sich an die Seite der Opfer von Gewalt zu stellen, ohne dies mit Ressentiments gegen Fremde und dem Ruf nach einem Polizei-Staat zu verbinden. Der bedeutet nämlich eben nicht mehr Sicherheit, sondern erfahrungsgemäß eine Einschränkung demokratischer Bürgerrechte“ so Cornelia Kavermann, Vorsitzende der Paritätischen Kreisgruppe in Bottrop.

Solche Aktivitäten sind naheliegend, gilt es doch, den täglichen Einsatz in der Sozialen Arbeit für die Verwirklichung und den Schutz der Menschenrechte in Stellung zu bringen. Dazu wurde u.a. 2017 die bundesweite Kampagne „Vielfalt ohne Alternative“ ins Leben gerufen. 2018 steht der Kampf für die Menschenrechte auf der Agenda des Paritätischen. Vielfalt ist und bleibt für uns ohne Alternative.

Zur Positionierung des Paritätischen zu Rechtsextremismus und der Politik der AfD

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Verbandsmagazin 03/2018