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Weltfrauentag 2021: #CoronaIstWeiblich

Am 8. März ist Weltfrauentag. Dieser steht 2021 im Zeichen der Corona-Krise. Warum? Ganz einfach: Frauen tragen einen Großteil der privaten Sorgearbeit und arbeiten überproportional in den unverzichtbaren und systemrelevanten Care-Berufen. Ein Beitrag von Katrin Frank, Referentin für Familienhilfe/-politik, Frauen und Frühe Hilfen beim Paritätischen Gesamtverband.

Care-Arbeit ist weiblich

Die nichtärztliche Belegschaft in Krankenhäusern besteht zu drei Vierteln aus Frauen (1), in Kindergärten und Vorschulen sind es über 90 Prozent (2). Alle Berufsgruppen einschließlich der Care-Berufe betrachtet, sind es mit 75 Prozent auch vor allem Frauen, die in nun als systemrelevant und unverzichtbar geltenden Berufen arbeiten. Zu beachten ist hier auch, dass ein großer Teil der Pflegekräfte, insbesondere in der häuslichen Pflege, aus dem Ausland kommt; sie standen und stehen vor besonderen Herausforderungen. Und ebenso sind es mit mehr als 50 Prozent überwiegend Frauen, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen und dadurch beim Bezug von Lohnersatzleistungen häufig an oder unter die Bedürftigkeitsschwelle fallen (3). Die neuentdeckte gesellschaftliche Wertschätzung für ihre Tätigkeiten steht dabei in eklatantem Gegensatz zum niedrigen Lohnniveau in systemrelevanten Berufen und insbesondere solchen im Care-Bereich.

Familienmanager*innen sind weiblich

Und auch im häuslichen Bereich sind die Fakten klar: Im März 2020 mussten erstmals pandemiebedingt binnen kürzester Zeit Schulen, Kitas und Vereine ihre reguläre Betreuungs- und Begegnungsarbeit einstellen. Ohne jegliche Vorbereitungszeit wurden Familien durch den Wegfall der Infrastruktur vor einen erheblichen Organisationsaufwand gestellt. Vor allem Frauen sahen sich gezwungen, den Ausfall von Bildungs- und Betreuungsangeboten zu kompensieren und Arbeitszeit zu reduzieren. Für viele Familien war das angesichts des Gehaltsgefälles nur folgerichtig; für die Frauen hatte und hat das allerdings fatale Folgen, die vermutlich noch lange nachwirken werden. Denken wir nur mal an die geringeren Rentenpunkte und das Equal Pension Gap. Da verschärft Corona nochmal deutlich die aktuelle Lage.

Neue Ansätze im Bereich Care-Arbeit? Fehlanzeige.

Es fehlten insbesondere in der ersten Welle von Seiten der Politik neue Ansätze, was Fürsorgearbeit insgesamt anbelangt. Eltern wurden viel zu lang mit Homeschooling und Kinderbetreuung alleine gelassen. Seitens der Politik wurden keine Alternativen zur Schließung der Einrichtungen aufgezeigt. So hätten möglicherweise Öffnungszeiten verlängert werden können, wenn Eltern, die ihrer Erwerbsarbeit nicht nachgehen konnten, gebeten worden wären, nach der teilweisen Öffnung von Schulen und Kitas dort mitzuarbeiten. Auch ein nicht befristeter Lohnersatz für Eltern, die wegen der Betreuungsarbeit ihrer Erwerbsarbeit nicht oder nicht im vollen Umfang nachgehen konnten, hätte viele Familien deutlich besser entlastet.

Arbeitszeitreduktion: meist weiblich

Aus der Wohlfahrt wurden zudem Vorschläge gemacht, wie beispielsweise Kitabetreuung alternativ umgesetzt werden kann. Auch diesbezüglich blieb die Politik tatenlos. Bezeichnend sind auch die Ergebnisse einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem vergangenen Jahr (4). Die Auswertung der Befragung zeigt, dass Frauen im Zuge der Krise häufiger von einer Arbeitszeitreduktion betroffen waren. Sie arbeiteten zwar ungefähr genauso häufig in Kurzarbeit wie Männer, waren jedoch häufiger von der Arbeit freigestellt. Hinzu kommt, dass sie deutlich seltener eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes erhielten als Männer. Aufgrund der durchschnittlich deutlich geringeren Gehälter von Frauen führte dies zu einer noch finanziell angespannteren Lage als bei Männern. Der Gender Pay Gap schlug in der Corona-Krise mit voller Härte und weitreichenden Folgen zu. Es droht mit Blick auf Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit ein Roll-back hin zu alten Mustern und traditionellen Familienbildern und damit verbunden eine gleichstellungspolitische Schieflage.

Was hilft?

Sicher ist: Eine Gestaltung öffentlicher Haushalte nach den Prinzipien des Gender-Budgetings würde dazu beitragen, dass vorhandene Mittel geschlechtergerecht eingesetzt werden. Anreize für eine partnerschaftliche Verteilung der Sorgearbeit wären ein weiterer großer Schritt in Richtung tatsächlicher Gleichstellung. Dabei dürfen wir nicht vergessen: Unbezahlte private Care-Arbeit, das potenzielle Armutsrisiko von Alleinerziehenden sowie das Equal Pay und Gender Pension Gap sind allesamt verantwortlich dafür, dass Frauen oftmals in Situationen und familiären Konstellationen verbleiben, auch wenn sie ihnen eigentlich nicht (mehr) guttun. Das gilt insbesondere mit Blick auf partnerschaftliche Gewalt. Prävention von Partnerschaftsgewalt muss dies erkennen. Hier ist insbesondere auch die Politik gefordert, durch entsprechende Maßnahmen diesen Kreislauf zu entschärfen und zu durchbrechen.

Perspektivenpapier

Die AG Rechte von Frauen und LSBTI* im Forum Menschenrechte (5) hat mit Blick auf die Folgen der Corona-Krise für Frauen und LSBTI* ein Perspektivenpapier entworfen. Auch der Paritätische Gesamtverband engagiert sich aktiv in der AG. Das Papier schaut auf die Auswirkungen der coronabedingten Beschränkungen auf bestimmte Themen und Gruppen und gibt Empfehlungen für kurzfristige Maßnahmen zur Verbesserung der Situation sowie für nachhaltige Maßnahmen. Es ist abrufbar unter: https://www.forum-menschenrechte.de/corona-pandemie-und-menschenrechte/.

Fußnoten:
(1) Mit Frauen sind grundsätzlich alle Frauen und Mädchen gemeint und inkludiert somit auch trans Frauen und intergeschlechtliche Menschen, die in der weiblichen Geschlechtsrolle leben. Diese Definition beinhaltet zudem jegliche Akzeptanz von Lebensformen und sexueller Orientierung jenseits heteronormativer Entwürfe.
(2) Gesundheitsstadt Berlin: www.gesundheitsstadt-berlin.de/ueberdurchschnittlich-viele-frauen-als-klinik-chefs-13172/ (abgerufen am 01.03.2021); BMFSFJ.
(3) Deutscher Frauenrat: www.frauenrat.de/systemrelevant-und-unverzichtbar-traegerinnen-und-verliererinnen-eines-systems/ (abgerufen am 01.03.2021).
(4) Hans-Böckler-Stiftung, www.boeckler.de/de/gender-18289-homeoffice-starkt-tradierte-arbeitsteilung-23878.htm (abgerufen am 01.03.2021).
(5) Das Forum Menschenrechte ist ein Netzwerk von über 50 deutschen Nichtregierungsorganisationen, die sich für einen verbesserten, umfassenden Menschenrechtsschutz einsetzen – weltweit, in einzelnen Weltregionen, Ländern und in der Bundesrepublik Deutschland. Der Paritätische Gesamtverband engagiert sich innerhalb des Forums Menschenrechte u.a. im Rahmen der AG Rechte von Frauen und LSBTI*.

 

Autorin:
Katrin Frank

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de