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Wie weiblich ist die Digitalisierung?

Die digitale Transformation ist ein gesellschaftliches Querschnittsthema und bei ihrer Mit- und Ausgestaltung sind vielfältige Perspektiven gefragt. Denn, so viele Chancen und Zugänge technologische Entwicklungen auch schaffen, mit einem einseitigen Entwicklungsanspruch, der nicht alle Menschen, dabei insbesondere Frauen, gleichwertig mit einbezieht, wird unser digitaler Fortschritt zur Benachteiligung von Gesellschaftsgruppen führen.

Wir leben in der digitalen vernetzten Welt, umgeben von Phänomenen, Gegenständen und in Situationen, die sich durch die globale digitale Vernetzung ergeben. In dem Dreieck befindet sich zum Beispiel die digital gestützte Bildung, die wir in Anspruch nehmen. Dort steht auch der Computer mit zahlreichen digitalen Anwendungen, die wir zum Arbeiten benötigen. Und da ist der digitale Raum, in dem wir tagtäglich mit Freunden und Fremden kommunizieren.

Wenn wir nun ein Phänomen in unserer digitalen Welt betrachten, können wir dabei verschiedene Perspektiven einnehmen. Was aus technischer Perspektive von Interesse ist, betrifft z.B. den Aufbau und die Gestaltungsmöglichkeiten eines Artefakts: Die anwendungsbezogene Perspektive beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Kriterien ein Produkt ausgewählt, wie der Umgang damit erlernt und wie es in den Lebensalltag integriert wird. Die gesellschaftlich-kulturelle Perspektive beschreibt, wie digitale Entwicklungen auf das Individuum und die Gesellschaft wirken. Welche Auswirkungen haben digitale Entwicklungen auf unsere Arbeitswelt? Wer profitiert von der Digitalisierung?

Jedes Phänomen in der digitalen vernetzten Welt hat technologische, anwendungsbezogene und gesellschaftlich-kulturelle Aspekte, die sich gegenseitig beeinflussen. Nur die gemeinsame Betrachtung der Perspektiven, führt zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit der Digitalisierung.

Wer digitale Entwicklungen bislang prägt

Angenommen alle besagten Perspektiven werden bei digitalen Entwicklungsprozessen stets gleichwertig einbezogen, und das wäre sicherlich schon ein großer Gewinn, so fehlt noch immer eine geschlechtsneutrale Sicht auf die Artefakte der digitalen vernetzten Welt.

Denn so wie Frauen bei der Entwicklung von Bildungsmaßnahmen, Arbeitsumgebungen und Kommunikationsmitteln vornehmlich ihren Wirklichkeitsansprüchen folgen, machen es Männer auch. Was der Realität entspricht ist, dass überdurchschnittlich viele Männer, teilweise ganze männliche Teams, mit der Entwicklung von digitalen Produkten befasst sind und nur ihre Perspektiven und ihre Bedürfnisse in das Produkt einfließen. Das Ergebnis ist eine technische Entwicklung, die nach männlichen Maßstäben funktioniert.

Wie wir es aus der Politik kennen, können Entscheidungsbereiche, in denen eine nicht repräsentative Gruppe Einfluss auf Entwicklungen und Innovationen für die gesamte Gesellschaft nimmt, zu fehlenden Zugängen und einem unzureichenden Gemeinwohlanspruch führen. Im Falle von Digitalisierungsprozessen führte die fehlende Diversität auf Entscheidungsebene beispielweise zu einer zu starken Technikzentrierung, die nun die Digitalisierung im Bereich Pflege und Gesundheit behindert und verlangsamt. Eine Geschlechtsneutrale Entwicklungsperspektive hätte dies womöglich verhindert.

Wie vermeiden wir die Ungleichheit?

Gute Nachrichten! Die Erfahrungen und fachliche Expertise über Ungleichheiten sind bereits vorhanden. Um Geschlechtsgleichstellung herzustellen, müssen diese nur aus der analogen Welt in die Entwicklung digitaler Produkte, Verfahren und Anwendungen fließen.

Ein Ansatz wäre, dass mehr Menschen technische und anwendungsbezogene Kompetenzen erlernen, damit mehr Menschen und damit auch Frauen, zu Mitgestalter*innen der Digitalisierung werden können. Die Verankerung von gendergerechten Digitalkompetenzen in Lehr- und Lernprozessen des Aus- und Weiterbildungssystems ist also eine der wichtigsten Voraussetzungen und ein Instrument für die Mitgestaltung unserer digitalen Zukunft. Bestehende Bildungsangebote müssen an die jeweiligen Lebenswelten von Frauen und Männern angepasst werden. So zum Beispiel auf Personen in Familien- und Sorgetätigkeiten, Beschäftigte in weniger technikaffinen Berufsfeldern und Personen in Teilzeit.

Zu der Verbesserung von Bildungsmaßnahmen gehört auch, dass pädagogisch Fachkräfte in der ganzen Bildungskette gendergerechte Weiterbildungen erhalten. Wenn genauso viele Frauen wie Männer als Lehrpersonal tätig sind, könnten diverse Lebensrealitäten noch besser an junge Menschen vermittelt werden. Das wird Auswirkung auf Beschäftigungsperspektiven und auch das Interesse an Digitalisierung haben.

Auch Unternehmen können eine gendergerechte digitale Zukunft unterstützen und Digitalkompetenz fördern. Sie können sicherstellen, dass alle Mitarbeiter*innen gleichermaßen mit digitalen Geräten ausgestattet sind, ungeachtet der Anstellungsart, des Geschlechts oder der Gehaltsstufe.

Autorin:
Lilly Oesterreich

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de