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Einsamkeit: Ein großes Problem mit einfachen Lösungen

Einsamkeit tut weh. Besonders Ältere sind davon betroffen. Oftmals helfen schon kleinere Gesten wie ein Gespräch an der Supermarktkasse. Aber es muss auch mehr Geld in die Hand genommen werden, denn Einsamkeit und Armut gehen oft Hand in Hand.

Die Urlaubszeit „zwischen den Jahren“ ist vorüber. Und so langsam füllen sich die Büros wieder beim Paritätischen Gesamtverband. Nach Weihnachten und Neujahr kehrt der Alltag in die Oranienburger Straße zurück und frisch gestärkt von Weihnachtsessen und rauschenden Silvesterfeiern starten wir motiviert ins neue Jahrzehnt.

Viele von uns und ihnen haben die Zeit mit der Familie verbracht – auch mit Verwandten, die vielleicht nicht so häufig Besuch bekommen. Vielleicht Verwandte, die einsam sind.

Ein Tabu-Thema

Einsamkeit. Ein Thema, welches uns beim Paritätischen seit geraumer Zeit beschäftigt. Gleichzeitig ein Tabu-Thema. Man spricht nicht gern darüber, viele schämen sich dafür und suchen die Schuld, dass sie keine Freunde oder Verwandten haben, die sie besuchen kommen oder die sie besuchen können. „Warum mag mich keiner?“ fragen sich viele.

Einsamkeit ist aber nicht nur ein individuelles, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem: Wir erleben eine Welle der Individualisierung, es gibt immer mehr Single-Haushalte. Familienplanung steht der Karriere, der Umzug für einen Job in eine andere Stadt ist heute schon fast obligatorisch. Familie und Nachbarschaft spielen nicht mehr die große Rolle und bleiben oft auf der Strecke. Die Folgen merken viele, wenn es zu spät ist.

Statistisch ist das Thema schwer zu fassen. Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum geht davon aus, dass 10 bis 15 Prozent der Menschen sich einsam fühlen. Ja, es geht tatsächlich ums „fühlen“: Einsamkeit ist nicht objektiv messbar. Einsam ist, wer merkt, dass ihm tiefergehender, menschlicher Kontakt fehlt. Tatsächlich trifft sie nicht nur Menschen mit wenigen sozialen Kontakten, die viel alleine sind. Manche Menschen fühlen sich trotzdem einfach „alone in the crowd“, also trotz zahlreicher oberflächlicher Kontakte vermissen sie tiefe Bindungen schmerzlich. Man kann auch einsam sein, ohne allein zu sein.

Aber Alleinsein ist trotzdem ein wichtiger Indikator für Einsamkeit. Und da trifft es laut Studie besonders Menschen über 75. Die Gründe sind banal: Der Freundeskreis stirbt nach und nach weg, man ist selber weniger mobil und mehr daheim und die Familie wohnt nicht mehr zwangsläufig in der Nachbarschaft. Ein weiterer wichtiger Grund: Die wachsende Altersarmut. Ständige Freizeitaktivitäten sind bei Menschen mit kleiner Rente nicht drin.

Gesundheitsrisiko Einsamkeit

Das hat gesundheitliche Folgen. Forscher*innen in Dänemark fanden heraus, dass Einsamkeit das Risiko von Herz-Kreislauf-Störungen, Demenz, Depressionen und das Suizidrisiko erhöht. Einsamkeit ist so gesundheitsgefährdend wie Rauchen oder Übergewicht.

Die Politik kann Einsamkeit nicht beseitigen, aber Gegenmaßnahmen unterstützen. Es gibt viele Mittel gegen Einsamkeit: Stadtteilzentren können kostenlose oder preisgünstige Nachmittagsrunden für Senior*innen anbieten – vielleicht mit Fahrdienst. Für diejenigen, die gar nicht mehr mobil sind und die einfach mal reden wollen, müssen telefonische Angebote bereitstehen. Diese Projekte gibt es vielerorts schon. In Zeiten klammer Kassen muss oft dafür gesorgt werden, dass sie auch weiter bestehen und vielleicht sogar weiter ausgebaut werden.

Und auch die derzeit in Abstimmung befindliche Grundrente ist indirekt ein Schritt gegen Einsamkeit, denn so können viele wieder mehr am Leben teilhaben und müssen nicht immer überlegen, ob die kleine Rente für das Stück Kuchen im Café reicht.

Plaudern mit Kassierer*innen

Selbst die Privatwirtschaft hat das Thema entdeckt. In den Niederlanden bietet eine Supermarktkette seit einiger Zeit „Plauderkassen“ an. Ältere Menschen, die oftmals nur noch beim Einkaufen unter Menschen kommen, können dort mit der oder dem Kassierer*in noch ein wenig quatschen und niemand darf hinter ihnen drängeln. Und in Frankreich sind Briefträger*innen angehalten zu schauen, ob gerade bei älteren Menschen alles in Ordnung ist.

Aber jede*r einzelne kann was tun. Überlegen sie doch mal, wer in ihrer Verwandtschaft vielleicht gerade allein daheim sitzt und rufen sie doch einfach mal wieder an. Die werden sich freuen – auch nach Weihnachten!

Autor:

Ulrich Schneider ist Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes.

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de