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Ulrich Schneider zum Alternativen Wohngipfel

Der Paritätische ist Mitausrichter des "Alternativen Wohngifels" am 20. September in Berlin. Dazu dokumentieren wir hier das Statement des Hauptgeschäftsführers Ulrich Schneider am 19. September 2018 in der Bundespressekonferenz. Es gilt das gesprochene Wort.

Die Wohnungsnot ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Durchschnittliche Mietsteigerungen von 20 bis 30 Prozent binnen weniger Jahre sind keine Ausnahme mehr. Vor allem in Wachstumsregionen und ländlichen Regionen fehlt es an bezahlbarem und passendem Wohnraum. Insbesondere für Menschen in besonderen Lebenslagen, für Alleinerziehende, Rentner, Migrantinnen, Arbeitslose, Menschen mit Behinderung und alle, die mit wenig bis gar keinem Einkommen auskommen müssen, ist die Suche nach angemessenem Wohnraum in akzeptabler Lage nahezu aussichtslos. Ihnen bleibt meist nur noch der Stadtrand. Dabei sind sie gezwungen, oftmals mehr als die Hälfte ihres schmalen Geldbeutels für die Miete ausgeben. Die Alternative, die keine ist, wäre die Wohnungslosigkeit.

Die aktuell so prekäre Situation liegt maßgeblich an den wohnungsbaupolitischen Fehlentscheidungen und Versäumnissen der vergangenen 25 Jahre: ein Rückgang öffentlich geförderter und gebundener Sozialwohnungen, der Verkauf kommunaler Wohnungsbestände, die Vergabe öffentlicher Liegenschaften, die sich an Höchstgeboten orientiert, Spekulationen mit Grundstücken sowie Mietpreiserhöhungen bei Neuvermietung und Modernisierung.

Das, was die jetzige Bundesregierung bisher an Maßnahmen auf den Weg gebracht hat, reicht nicht, um das Problem zu lösen, da sind sich wir Verbände und Initiativen hier auf dem Podium einig. Die Vielfalt der Akteure, die gemeinsam zum Alternativen Wohngipfel einlädt, zeigt, wie breit und akut inzwischen das Problem ist. Ein ganzes Maßnahmenpaket ist nötig, um die schlimmsten Folgen der Wohnungsmarktkrise wieder einzudämmen.

Zwei von vielen Punkten, für die sich der Paritätische einsetzt sind eine neue Wohngemeinnützigkeit und angemessene Kosten der Unterkunft für Haushalte im Grundsicherungsbezug:

Die Kosten der Unterkunft spiegeln die Entwicklung auf dem Mietenmarkt vielerorts nicht wider. Die Ausgestaltung der KdU hinkt der Mietenentwicklung seit langem hinterher. Die Folge ist die Verdrängung der Leistungsbezieherinnen und –bezieher, die bereits jetzt einen großen Teil der Miete aus eigener Tasche zahlen, ohne es sich leisten zu können. Wir können nicht zulassen, dass ausgerechnet sie nun für Fehlentwicklungen in der Wohnungspolitik büßen müssen.

Wir brauchen neben dem Bau von Sozial- und sonstigen Wohnungen auch wieder eine neue Wohngemeinnützigkeit, die 1990 abgeschafft wurde. Bis dahin waren praktisch alle größeren Wohnungsunternehmen gemeinnützig und nicht ausschließlich profitgesteuert. Wir brauchen wieder den großen, gemeinnützigen Sektor, der den Mieterinnen und Mietern und nicht nur den Aktionären der Wohnungsbaugesellschaft verpflichtet ist.

Als Paritätischer Wohlfahrtsverband mit über 10.000 Mitgliedern sehen wir einem weiteren massiven Problem entgegen: Die Situation auf dem Wohnungsmarkt hat inzwischen auch dramatische Auswirkungen auf soziale Träger, wie Einrichtungen in der Eingliederungshilfe oder Frauenhäuser. Aus Mangel an bezahlbarem Wohnraum müssen soziale Träger Menschen mit Betreuungsbedarf abweisen; aus Profitinteressen werden ihnen Räumlichkeiten gekündigt, ohne dass Alternativen zur Verfügung stünden.

Soziale Träger können zunehmend ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen, weil sie keine geeigneten Wohnungen für Projekte des betreuten Wohnens finden und vor allem Gewerbemietverträge abschließen müssen, die vom gängigen Kündigungsschutz nicht betroffen sind. Angesichts des zunehmenden Wertes von Wohn- und Mietraum ist es für die Vermieter sehr verlockend, diese wichtigen Projekte bei der nächsten Gelegenheit auf die Straße zu setzen. Immer öfter muss die kleine Kita dem Café oder Restaurant weichen, das mehr Umsatz generieren kann. Das ist nicht nur ärgerlich, es wird auch das Bild unserer Städte massiv verändern.

Vor diesem Hintergrund setzt sich der Paritätische Gesamtverband für eine soziale Wohnungspolitik ein. Wohnen ist ein Menschenrecht, Wohnung ist keine Ware. Es ist die Aufgabe der Politik, allen Menschen einen ihren individuellen Bedürfnissen angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Renditegetriebener Spekulation muss ein Riegel vorgeschoben werden. Eine moderne Sozialpolitik muss sich auch an wohnungspolitischen Erfolgen messen lassen.