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§ 219a StGB: Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde / Kennzeichen: 2 BvR 390/21

Der Paritätische Gesamtverband hatte Gelegenheit zu einer Stellungnahme bzgl. der Verfassungsbeschwerde / Kennzeichen: 2 BvR 390/21. Laut Vorlage hat der Fall der Beschwerdeführerin bundesweit Aufsehen erregt und maßgeblich zur öffentlichen Diskussion über die Legitimation und Notwendigkeit der Strafvorschrift des § 219a StGB beigetragen. In der Verfassungsbeschwerde wurde geprüft, inwiefern § 219a StGB die Freiheit der Berufsausübung und die Meinungsfreiheit verletzt. Der Paritätische Gesamtverband hat von der Aufforderung zur Stellungnahme wie folgt Gebrauch gemacht:

 

Die Regelung des § 219a StGB ist für den Paritätischen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Der § 219a StGB greift aus Sicht des Verbandes in das Selbstbestimmungsrecht und die Informationsfreiheit der Schwangeren und in die freie Berufsausübung der Ärzteschaft ein. Dies gilt sowohl für die im erstinstanzlichen Urteil noch geltende Fassung des § 219a StGB als auch für seine Neufassung bzw. Ergänzung im Jahr 2019 um den Absatz 4.

Die Norm trägt bis heute dazu bei, dass sie von Abtreibungsgegner*innen dazu benutzt wird, Ärzt*innen anzuzeigen und einzuschüchtern. Sie stellt die Ärzteschaft unter Generalverdacht, dass sie möglicherweise öffentlich verharmlosend oder unsachlich über Schwangerschaftsabbrüche informiert. Die dadurch entstehende Rechtsunsicherheit und pauschale Kriminalisierung ist aus Sicht des Paritätischen ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit der Ärzteschaft und das Informationsrecht der ratsuchenden Schwangeren. Ärzt*innen müssen auch im öffentlichen Raum sachlich und medizinisch korrekt über die Vornahme und die Art und Weise der Durchführung von Abbrüchen informieren dürfen, wenn ihnen das Gesetz deren Durchführung wie etwa unter den Bedingungen des § 218a StGB erlaubt.

Inakzeptabel ist auch das durch § 219a Abs. 4 Nr. 2 StGB geschaffene Informationsmonopol jenseits der Ärzteschaft. Problematisch sind in diesem Zusammenhang insbesondere die mit der Neuregelung verbundenen Ergänzungen des Schwangerschaftskonfliktgesetzes zu sehen. Sie generieren eine staatliche Informationskette, die es Ratsuchenden schwermacht, Informationen niedrigschwellig und einer Konfliktsituation angemessen zu erhalten.

In § 13 SchKG wurde 2019 ein Absatz 3 eingefügt. Regelungsgegenstand ist die Zuständigkeit der Bundesärztekammer für das Führen einer Liste über Ärzt*innen, Krankenhäuser und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, und die jeweils angewandten Methoden. Diese Liste wird monatlich aktualisiert und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben sowie den Ländern zur Verfügung gestellt. Weiter wurde auch ein § 13a in das SchKG eingefügt. Danach veröffentlicht die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung die Liste der Bundesärztekammer und weitere Informationen zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen (Absatz 1).

Diese Liste ist auch deshalb problematisch, weil sie nach Kenntnisstand des Paritätischen lückenhaft ist. Viele Ärzt*innen, Krankenhäuser und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sind aktuell nicht darauf zu finden. Denn noch immer kommt es zu Mahnwachen von sogenannten Lebensschützer*innen vor Kliniken und Arztpraxen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Da es insbesondere auch gegenüber Ärzt*innen zu persönlichen Drohungen und Anfeindungen kommt, lassen sich nachvollziehbarerweise nicht alle Ärzt*innen auf eine entsprechende Liste setzen. Der Paritätische Gesamtverband hat sich deshalb bereits im Jahr 2018 gegen die Führung eines zentralen Registers ausgesprochen, solange § 219a StGB weiterhin besteht.

Abschließend möchte der Paritätische nochmals betonen, dass mit einem möglichen Fortbestehen des § 219a StGB erhebliche Probleme und Gefahren verbunden wären, die in die Grundrechte der ratsuchenden Schwangeren und der Ärzteschaft unverhältnismäßig stark eingreifen. Der Verband unterstützt daher die vorliegende Verfassungsbeschwerde ausdrücklich.