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Armut bedroht digitale Teilhabe

Aktuelle Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle zeigen, dass das Risiko, digital abgehängt zu werden, für armutsbetroffene Menschen besonders groß. Armen Menschen fehlt es im Vergleich zu nicht von Armut Betroffenen doppelt so oft an dem Zugang zur Digitalität über einen im Haushalt vorhandenen Internetanschluss. Zudem haben sie viel seltener Gelegenheit zum Auf- und Ausbau digitaler Kompetenzen über den Beruf. Der Paritätische Gesamtverband warnt vor einer wachsenden digitalen Kluft und fordert umfassende Maßnahmen zur Sicherung digitaler Teilhabe für alle.

Die Paritätische Forschungsstelle beschäftigt sich im Rahmen der vorliegenden Kurzexpertise mit der empirischen Frage, ob und inwiefern Armut digitale Teilhabe behindert und wertet dazu aktuelle Daten des Sozio-oekonomischen Panels vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aus. Die Relevanz von digitaler Teilhabe liegt auf der Hand: Die Digitalisierung hat die Art zu arbeiten, zu leben und das gesellschaftliche Miteinander tiefgreifend verändert. Fast alle Menschen haben heutzutage nicht nur ein analoges Leben, sondern auch eine zur Normalität gehörende digitale Existenz. In praktisch allen Lebensbereichen werden digitale Zugänge und Fähigkeiten vorausgesetzt: in vielen Berufen, bei der Stellen- oder Wohnungssuche, im Kontakt zu Schule, Ärzt*innen, Banken und Versicherungen, aber auch gegenüber öffentlichen Behörden und bei der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen und immer mehr auch im Bereich des sozialen Miteinanders.
Grundsätzlich geht es bei digitaler Teilhabe um drei Aspekte: Zugang, Befähigung und Partizipation. Es braucht technische Voraussetzungen in Form von Hard- und Software sowie Internetzugang, aber auch Wissen und Fähigkeiten, um sich in der digitalen Welt zurechtzufinden und selbstbestimmt und souverän zu agieren. Digitale Teilhabe ist zur Voraussetzung für umfassende soziale, kulturelle und politische Teilhabe geworden. Wer von digitaler Teilhabe ausgeschlossen ist, wer keinen Zugang zum digitalen Raum und digitaler Kommunikation hat, sei es aufgrund fehlender technischer Ausstattung oder weil es an nötigen digitalen Kompetenzen fehlt, ist damit auch von einer neuen Form gesellschaftlicher Ausgrenzung bedroht.

Die Expertise kommt zu dem Ergebnis, dass sich insgesamt rund ein Drittel der Menschen (einige oder große) Sorgen (35 Prozent) davor machen, beim technischen Fortschritt nicht mithalten zu können. Die Sorgen erscheinen in Anbetracht der folgenden Ergebnisse insbesondere im Hinblick auf Armutsbetroffene nachvollziehbar zu sein, denn ein Ausschluss von digitaler Teilhabe droht sowohl im Zuge eines fehlenden Internetanschlusses im eigenen Haushalt als auch wegen der deutlichen Benachteiligung beim Aufbau digitalen Know-hows über die eigene Erwerbstätigkeit. Ein Fünftel der armutsbetroffenen Menschen verfügen im eigenen Zuhause über keinen Internetanschluss und sind damit in der digitalen Teilhabe maßgeblich eingeschränkt. Armutsbetroffene Menschen nennen für dieses Fehlen eines Internetanschlusses um ein Vielfaches häufiger – im Vergleich zu Menschen mit Einkommen oberhalb der Armutsschwelle – finanzielle Gründe. Darüber hinaus gibt es auch bei der Nutzung digitaler Arbeitsmittel im Beruf erhebliche Unterschiede zwischen Armutsbetroffenen und nicht von Armut betroffenen Menschen, denn sie nutzen digitale Arbeitsmittel deutlich seltener. Im Vergleich zu Menschen mit einem Haushaltsnettoeinkommen oberhalb der Armutsschwelle nutzen sie digitale Arbeitsmittel wie Laptop oder Notebook, Smartphone oder Tablet aber auch Programme und Apps für Nachrichten deutlich seltener als nicht armutsbetroffene Menschen. Wer im Berufsleben digitale Arbeitsmittel (häufiger) nutzt, dessen digitale Kompetenzen werden geschult. Menschen gewinnen damit über ihren Beruf eine Kompetenz, die auch im privaten und gesellschaftlichen Leben den Zugang und die Partizipation am digitalen Leben ermöglicht.

Die Ergebnisse lassen zusammengenommen befürchten, dass die Chancen der Digitalisierung gerade im Hinblick auf ihren inklusionsfördernden Charakter und Zugewinn an Partizipationsmöglichkeiten von zusätzlichen Ungleichheiten überstrahlt werden. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, ist ein gleicher und flächendeckender Zugang für alle Menschen zum Medium Internet zwingend notwendig. Denn allen Menschen in Deutschland muss ein Mindestmaß an digitalen Beteiligungs- und Entfaltungsmöglichkeiten garantiert und ermöglicht werden. Dazu sind Ressourcen unverzichtbar: Es braucht den Ausbau von Infrastruktur und digitale Teilhabe muss in der Grundsicherung adäquat berücksichtigt werden. Soziale Träger als wichtige Anlaufstellen für vulnerable Gruppen können hier einen unverzichtbaren Beitrag zur umfassenden digitalen Teilhabe leisten, indem sie Zugänge ermöglichen und Befähigung fördern - dafür brauchen auch sie sächliche und personelle Mittel.