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Bundesrat billigt Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Nach der Zustimmung des Bundestags am 23. Juni 2023 wurde das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung am 07. Juli 2023 auch vom Bundesrat gebilligt. Die gesetzlichen Neuregelungen werden nun voraussichtlich in drei Schritten im Nov. 2023, März 2024 und Juni 2024 in Kraft treten und enthalten viele begrüßenswerte Verbesserungen. Einige Änderungen bringen jedoch auch erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Dies gilt insbesondere für die, im parlamentarischen Verfahren ergänzte, Überführung der Ausbildungsduldung in eine Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung.


Erfreulich ist aus Sicht des Paritätischen die vorgenommene Streichung des Gesetzeszwecks der „Begrenzung“ der Einwanderung. Zu begrüßen sind darüber hinaus u.a. folgende Neuerungen:
 

  • Die Aufenthaltstitel für Fachkräfte mit Berufsausbildung (§18a) und akademischer Ausbildung (§18b) werden zu Anspruchsnormen und ermöglichen künftig die Ausübung jeder qualifizierten Beschäftigung.
  • Sowohl für Auszubildende als auch Studierende und Schüler*innen werden Zuverdienstmöglichkeiten ausgeweitet.
  • Qualifizierte Arbeitskräfte können künftig bereits vor Anerkennung ihres Abschlusses in Deutschland arbeiten oder auch grundsätzlich ohne eine solche Gleichwertigkeitsfeststellung, wenn sie über ausreichende berufliche Erfahrungen und eine Ausbildung im Ausland verfügen.
  • Die Westbalkan-Regelung wird entfristet und das bisherige Kontingent verdoppelt.
  • Die Voraussetzungen für die Blaue Karte werden deutlich abgesenkt.
     

Allerdings sieht der Verband im nun gebilligten Gesetz weiterhin Veränderungsbedarfe, die in großen Teilen bereits in einer früheren Stellungnahme aufgezeigt wurden. An dieser Stelle sollen daher insbesondere drei Aspekte dargelegt werden, die im Verlauf des parlamentarischen Verfahrens neu hinzugekommen sind:
 

    1. § 16 g AufenthG, Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung für ausreisepflichtige
   
Ausländer

Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, wird im verabschiedeten Gesetz die bislang in § 60c AufenthG geregelte Ausbildungsduldung durch eine Aufenthaltserlaubnis (§ 16g AufenthG-E) ersetzt.
Wenngleich dieser Schritt aus Sicht des Paritätischen im Grunde zu begrüßen ist, ergeben sich aus der aktuellen inhaltlichen Ausgestaltung des § 16g erhebliche Schwierigkeiten, die letztlich sogar zu einer Verschlechterung der Gesetzeslage für die Betroffenen führen können.
Besonders problematisch ist die – in Abweichung zu den bisherigen Regelungen der Ausbildungsduldung – geltende Voraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis. Viele Auszubildende, insbesondere in schulischen Ausbildungen, werden diese Voraussetzung nicht erfüllen können. Darüber hinaus besteht mit einer Aufenthaltserlaubnis nach §16g bislang kein Anspruch auf Ausbildungs-BAföG und auch der Bezug ergänzender Sozialleistungen, der mit einer Ausbildungsduldung unschädlich war, ist keine Option. Folglich werden viele Auszubildende möglicherweise keine Aufenthaltserlaubnis nach §16g AufenthG-E erhalten können. Da die Ausbildungsduldung gleichzeitig ersatzlos gestrichen wird, droht damit in vielen Fällen eine erhebliche Verschlechterung für den betroffenen Personenkreis.

Weitere Details und Einschätzungen zu den Neuregelungen des §16 g AufenthG-E finden Sie sowohl in einer Kurzinformation von Verena Wörmann, GGUA e.V., als auch in der Kurzstellungnahme der Rechtsberaterkonferenz vom 30. Juni 2023.
 

    2. „Spurwechsel“ aus der humanitären Einwanderung

Mit den Neuregelungen des Gesetzes wird erstmals die Möglichkeit eines „Spurwechsels“ aus dem Asylverfahren in Aufenthaltstitel für Fachkräfte (§§ 18a, 18b oder § 19c Abs. 2) eingeführt. Dies gilt allerdings nur für Personen, die vor dem Stichtag des 29. März 2023 als Schutzsuchende nach Deutschland eingereist sind und einen Asylantrag gestellt haben sowie für deren Ehegatt*innen und minderjährige Kinder (§10 Abs. 3 S. 4). Diese Personen können künftig ihren Asylantrag zurückziehen und in die Fachkraftaufenthaltstitel wechseln, wenn sie die darin genannten Voraussetzungen erfüllen.
Aus Sicht des Paritätischen ist die Schaffung der Möglichkeit des „Spurwechsels“ grundsätzlich zu begrüßen. Die enge Auslegung des Anwendungsbereiches erschließt sich jedoch nicht. Aus Sicht des Verbandes sollten in Deutschland lebende Personen, die die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, grundsätzlich die Möglichkeit haben, einen Aufenthaltstitel als Fachkraft zu erhalten. Aus Sicht des Verbandes bedarf es daher einer gänzlichen Streichung der Sperrklauseln des § 10 AufenthG.
 

    3. Familiennachzug für Fachkräfte

Beim Nachzug der Kernfamilie von Fachkräften wird künftig vom Sprach- und Wohnraumerfordernis abgesehen. Zudem wird der Nachzug von Eltern und Schwiegereltern zu Fachkräften, die am oder nach dem 1. März 2024 erstmals einen Fachkraftaufenthaltstitel erhalten, möglich (§36 Abs. 3 AufenthG-E). Vorrausetzung dafür ist die Sicherung des Lebensunterhalts.
Diese Erleichterungen sind grundsätzlich zu begrüßen, sollten aus Sicht des Paritätischen jedoch nicht allein auf Migrant*innen mit Fachkraftaufenthaltstiteln beschränkt bleiben. Nicht nachvollziehbar ist außerdem die Ungleichbehandlung von Personen die, bereits als Fachkräfte in Deutschland tätig sind und denjenigen, die künftig als Fachkräfte gewonnen werden sollen.