Die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie steht an
Im Juni 2023 war die europäische Entgelttransparenzrichtlinie in Kraft getreten. Durch sie sollen die Lohndiskriminierung bekämpft und das geschlechtsspezifische Lohngefälle in der Europäischen Union abgebaut werden. Nun steht ihre gesetzliche Umsetzung in den Mitgliedstaaten und damit auch in Deutschland an.
Es geht um die Richtlinie (EU) 2023/970 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Stärkung und Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen vom 10. Mai 2023.
Sie war am 6. Juni 2023 in Kraft getreten und gilt für (alle) Arbeitgeber in öffentlichen und privaten Sektoren, das heißt auch für Paritätische Einrichtungen, unabhängig von deren Größe.
I. Gleiche und gleichwertige Arbeit
Im Ausgangspunkt geht es darum, sicherzustellen, dass Arbeitgeber über Vergütungsstrukturen verfügen, durch die gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gewährleistet wird.
Entgeltstrukturen sollen so beschaffen sein, dass anhand objektiver, geschlechtsneutraler und, falls vorhanden, mit den Betriebsräten vereinbarter Kriterien beurteilt werden kann, ob sich die Arbeitnehmer*innen in einer vergleichbaren Situation befinden. Geeignete Kriterien hierfür können vor allem Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen sein. Auch soziale Kompetenzen dürfen dabei nicht unterbewertet werden.
II. Wesentliche Inhalte der Richtlinie
Ihr Ziel, sowohl unmittelbare als auch mittelbare geschlechtsspezifische Diskriminierungen im Entgeltbereich auszuschließen, verfolgt die Richtlinie durch eine Reihe von Maßnahmen. Sie schafft insbesondere einen verbesserten Zugang zu entgeltrelevanten Informationen und sieht umfangreiche Berichtspflichten vor, denen Unternehmen in Zukunft unterliegen. Im Falle von Verstößen soll es effektive Durchsetzungsmöglichkeiten geben.
1. Verbesserter Zugang zu Informationen
a) Stellenbewerber*innen
Einrichtungen müssen sich darauf einstellen, zukünftig bereits für Stellenbewerber*innen Informationen bereitzustellen, die eine fundierte und transparente Verhandlung über das Entgelt gewährleisten. Das kann beispielsweise in einer veröffentlichten Stellenausschreibung oder vor dem Vorstellungsgespräch geschehen und betrifft insbesondere das Einstiegsgehalt oder die -Spanne für die betreffende Stelle.
Der Arbeitgeber darf Bewerber außerdem nicht nach ihrer Entgeltentwicklung in ihren laufenden oder früheren Beschäftigungsverhältnissen befragen.
b) Arbeitnehmer*innen
Arbeitnehmer*innen haben das Recht, vom Arbeitgeber Auskunft zu erhalten über ihre individuelle Entgelthöhe und über die durchschnittliche Entgelthöhe, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für die Gruppe von Arbeitnehmer*innen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie sie selbst verrichten.
Arbeitgeber sind außerdem verpflichtet, ihren Arbeitnehmer*innen umfassende Informationen über die Kriterien in Bezug auf die Festlegung ihres Entgelts, dessen -Höhe und Entwicklung in leicht zugänglicher Weise zur Verfügung zu stellen. Diese Kriterien müssen objektiv und geschlechtsneutral sein.
Einrichtungen müssen die Auskünfte längstens innerhalb von zwei Monaten ab -Verlangen zur Verfügung stellen und ihre Arbeitnehmer*innen jährlich über ihr Auskunftsrecht informieren.
Außerdem dürfen Arbeitnehmer*innen nicht daran gehindert werden, offenzulegen, was sie verdienen, um im Falle einer Lohndiskriminierung dagegen vorzugehen.
2. Berichterstattung über das Entgeltgefälle
Weiterhin haben Arbeitgeber im Rahmen einer regelmäßigen Berichterstattung an die zuständige Behörde umfangreiche Informationen zu einem geschlechtsspezifischem Entgeltgefälle zur Verfügung zu stellen.
Arbeitgeber mit 250 oder mehr Arbeitnehmer*innen haben bis zum 7. Juni 2027 und danach jährlich zu berichten. Für Arbeitgeber mit 150 bis 249 Arbeitnehmer*innen gilt die Berichtspflicht alle drei Jahre. Arbeitgeber mit 100 bis 149 Arbeitnehmer*innen haben erstmals bis zum 7. Juni 2031 und danach alle drei Jahre die Informationen vorzulegen. Für Arbeitgeber mit weniger als 100 Arbeitnehmer*innen lässt die Richtlinie ausdrücklich zu, dass sie nach mitgliedstaatlichen Regelungen ebenfalls Informationen über das Entgelt vorzulegen haben.
Der Arbeitgeber kann die Informationen auf seiner Website veröffentlichen oder sie auf andere Weise öffentlich zugänglich machen.
Darüber hinaus hat in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat eine gemeinsame Entgeltbewertung zu erfolgen, wenn sich aus der Berichterstattung ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle von mindestens 5 % ergibt, ohne dass dies durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt ist.
3. Effektive Durchsetzungsmöglichkeiten
a) Schadensersatz und Entschädigung
Die Richtlinie fordert von den Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass im Falle einer Verletzung von Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts die Betroffenen vollständigen Schadensersatz oder vollständige Entschädigung verlangen können.
Dabei muss es sich um einen wirksamen Schadensersatz oder eine tatsächliche und wirksame Entschädigung für den erlitten Schaden handeln. Der Schadensersatz oder die Entschädigung umfasst die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte und damit verbundener Boni oder Sachleistungen sowie den Schadensersatz für entgangene Chancen, immateriellen Schaden, jeglichen Schaden, der durch andere relevante Faktoren verursacht wurde, zu denen auch intersektionelle Diskriminierung zählen kann, und Verzugszinsen. Eine Beschränkung durch eine vorab festgelegte Obergrenze darf es nicht geben.
b) Beweislastverteilung
Während es bisher so war, dass die Arbeitnehmer*innen darlegen und beweisen mussten, dass eine nicht gerechtfertigte Lohnbenachteiligung vorliegt, sieht die Richtlinie vor, dass es in Zukunft ausreicht, wenn Arbeitnehmer*innen Tatsachen glaubhaft machen, die eine Diskriminierung vermuten lassen. Dann muss der Arbeitgeber nachweisen, dass keine unmittelbare oder mittelbare Entgeltdiskriminierung vorliegt.
Auch hier erwähnt die Richtlinie ausdrücklich, dass sie das Recht der Mitgliedstaaten, eine (noch) günstigere Beweislastregelung für Arbeitnehmer*innen vorzusehen, unberührt lässt.
c) Sanktionen
Im Übrigen soll es im Falle von Verstößen nach nationalem Recht auch (behördliche) Sanktionen mit abschreckender Wirkung geben, zu denen auch Bußgelder gehören.
III. Gesetzgebungsverfahren
In einem nächsten Schritt ist die Richtlinie in den Mitgliedstaaten, auch in Deutschland, bis zum 7. Juni 2026 gesetzlich umzusetzen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat bereits einen Gesetzesentwurf im II. Quartal 2024 angekündigt. Voraussichtlich wird das schon zum 6. Juli 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz – EntgTranspG) entsprechend den Vorgaben der Richtlinie modifiziert werden.
Dabei gilt der Vorrang des Unionsrechts, das heißt die Richtlinie geht dem Recht der Mitgliedstaaten vor. Nur an wenigen Stellen lässt sie zu, von ihr auf mitgliedstaatlicher Ebene durch weniger strenge Regelungen abzuweichen. Verschärfende nationale Regelungen sind hingegen möglich. Da die Richtlinie zudem einen hohen Detailgrad aufweist, wird sie zum großen Teil unverändert gesetzlich umzusetzen sein.
Sobald ein Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie vorliegt, werden wir weitergehend über dieses Thema informieren.