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Europäisches Parlament billigt Reform des Europäischen Asylsystems

Nach jahrelangen zähen Verhandlungen hat das EU-Parlament am 10. April der umstrittenen Reform des Europäischen Asylsystems zugestimmt. Entgegen vieler Verlautbarungen – auch der deutschen Bundesregierung – ist dies definitiv kein Grund zur Freude. Denn die Regelungen für Asylsuchende in Europa werden massiv verschärft, Menschenrechtsverletzungen v.a. an den EU-Außengrenzen werden nicht ab-, sondern zunehmen.

Die vom Parlament angenommenen Gesetzestexte müssen im Mai noch von den Mitgliedstaaten im Rat angenommen werden, wovon auszugehen ist. Danach erfolgt ein sogenanntes „Mapping“ durch die EU-Kommission, um die wesentlichen Umsetzungsbedarfe in den einzelnen Mitgliedstaaten festzustellen. Bis Ende des Jahres 2024 sollen dann alle Mitgliedstaaten – und somit auch Deutschland – einen Umsetzungsplan vorlegen. Für die eigentliche Umsetzung bleibt den Mitgliedstaaten dann ein Zeitraum von 2 Jahren.

Besonders kritisch: die meisten der verabschiedeten Regelungen sind in Form von Verordnungen getroffen worden, die unmittelbar in den Mitgliedstaaten Anwendung finden. Diese haben nach den Regeln des Europarechts Vorrang vor den aktuell gültigen Regelungen des deutschen Asylrechts. Damit es keine widersprüchlichen Regelungen gibt, aber auch um im Rahmen der Reform bestehende Spielräume zu nutzen, wird es in Deutschland voraussichtlich noch in dieser Legislaturperiode Gesetzgebungsverfahren geben (müssen). Zumindest im Rahmen dieser Umsetzung in nationales Recht muss alles darangesetzt werden, um bestehende Spielräume für ein möglichst menschenrechtskonformes Asylverfahren zu nutzen.

Die verabschiedeten Gesetzestexte beinhalten in weiten Teilen die Punkte, die der Paritätische Gesamtverband von Anfang an kritisiert hat:

  • Asylgrenzverfahren z.B. für Asylsuchende, die aus einem Land mit einer europaweiten Anerkennungsquote von weniger als 20% kommen – wie z.B. der Türkei
  • Die Asylgrenzverfahren werden für bis zu 3 Monaten in haft- oder haftähnlichen Bedingungen durchgeführt – selbst für Familien mit Kindern oder traumatisierte Flüchtlinge. Der Zugang zu Rechtsberatung und -vertretung und somit zu effektivem Rechtsschutz wird hierdurch massiv eingeschränkt.
  • Im Fall der Ablehnung schließt sich ein Abschiebungsgrenzverfahren an, das ebenfalls bis zu 3 Monaten dauern kann. In der gesamten Zeit gelten die Flüchtlinge als nicht in Europa eingereist. Es droht eine Abschiebung in Staaten, in denen ihnen Verfolgung droht, ohne dass ein Schutzbedarf festgestellt wurde.   
  • Die Anforderungen an einen so genannten „sicheren Drittstaat“, in den Asylsuchende abgeschoben werden können, werden abgesenkt. So muss dort nicht mehr wie bisher ein Status entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden, sondern nur noch „effektiver Schutz“.
  • Es bleibt aber dabei, dass zwischen dem Asylsuchenden und dem sog. sicheren Drittstaat eine Bindung bestehen muss. Eine Auslagerung von Flüchtlingsschutz nach dem sog. „Ruanda-Modell“ der britischen Regierung ist also auch nach dem neuen EU-Recht nicht möglich.

Die umfangreichen Gesetzestexte in deutscher Sprache finden Sie unter dem Link auf der Homepage des EU-Parlaments.

Eine sehr gute Darstellung dessen, was diese umfangreichen Regelungen konkret für die Schutzsuchenden bedeuten, können Sie im Artikel von Wiebke Judith im Migazin nachlesen.