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Evaluation der Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG bestätigt erhebliche Barrieren und negative Auswirkungen für betroffene Geflüchtete

Mit der Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG wurde im Jahr 2016 eine bundesgesetzliche Verpflichtung eingeführt, die den Wohnort für Schutzberechtigte auch nach der Schutzanerkennung bzw. nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich für bis zu drei weitere Jahre auf das Bundesland beschränkt, in das sie nach Ankunft zugewiesen wurden. Darüber hinaus können die Länder Gebrauch von regionalen Wohnsitzauflagen auf der Ebene von Kreisen, kreisfreien Städten oder auch Gemeinden machen.

Die Wohnsitzregelung wurde mit dem Integrationsgesetz 2016 eingeführt und war ursprünglich auf drei Jahre befristet. Mit der Begründung, die Wohnsitzregelung sei ein wichtiges integrationspolitisches Instrument für die Betroffenen und würde zudem integrationshemmenden Segregationstendenzen entgegenwirken, wurde die Wohnsitzregelung mit dem Gesetz zur Entfristung des Integrationsgesetzes am 12. Juli 2019 dauerhaft ins Aufenthaltsrecht aufgenommen. Innerhalb von drei Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes sollte die Wirksamkeit der Wohnsitzregelung evaluiert werden.

Schließlich hatte das BMI dem Forschungszentrum des BAMF die Aufgabe übertragen, die Wirkung der Wohnsitzregelung untersuchen zu lassen. Durchgeführt wurde die Evaluation durch die empirica ag in Zusammenarbeit mit der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder zwischen Juni 2021 und Dezember 2022. Ende August 2023 ist nun der Bericht der Evaluation veröffentlicht worden:

https://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/DE/2023/230829-am-evaluation-wohnsitzregelung.html

Die Ergebnisse beziehen sich auf die Effekte der Wohnsitzregelung in den Bereichen Erwerbstätigkeit, Wohnen, soziale Integration und Gewaltschutz. Daraus wird ersichtlich:

  • Die Ergebnisse der Evaluation deuten stark darauf hin, dass die Wohnsitzregelung in Summe aller Partialwirkungen sehr wahrscheinlich nicht integrationsfördernd wirkt.
  • Die Wohnsitzregelung wirkt eher negativ auf die Wohnraumversorgung.
  • Die Wohnsitzregelung wirkt neutral auf den Erwerb von deutschen Sprachkenntnissen.
  • Die Wohnsitzregelung wirkt eher negativ auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit.
  • Die Wohnsitzregelung scheint nicht zu einer Vermeidung sozialer Ausgrenzung beizutragen.
  • Die Wohnsitzregelung hat die Kapazitäten der Integrationsinfrastruktur in einigen Orten entlastet.
  • Im Ergebnis zeigt sich, dass der Aufhebungstatbestand nach § 12a Abs. 5 S. 2 AufenthG Personen, die von Gewalt betroffen sind, nicht ausreichend schützt.
  • Die Wohnsitzregelung verhindert potenziell integrationsfördernde Umzüge.

Die Ergebnisse der Evaluation bestätigen damit die bisherige Einschätzung und Kritik des Paritätischen Gesamtverbandes1. Es wird deutlich, dass sich mit der Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG erhebliche Barrieren und negative Auswirkungen für betroffene Geflüchtete ergeben.

Der Paritätische sieht es daher weiterhin als sinnvoll an, die Wohnsitzregelung gem. § 12a AufenthG abzuschaffen, zumindest aber im Hinblick auf die bestehenden Ausnahme-, Aufhebungs- und Härtefallregelungen grundlegend zu verändern.

 

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1Vgl. Der Paritätische Gesamtverband (04/2022): Die Wohnsitzregelung gem. § 12a AufenthG - Aktuelle Problemanzeigen und Handlungsbedarf; Der Paritätische Gesamtverband (07/2019): Aktuelle Problemanzeigen im Zusammenhang mit der Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG und dem Schutz vor Gewalt; Der Paritätische Gesamtverband (06/2019): Aktualisierte Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Entfristung des Integrationsgesetzes.