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Fachinformation zum GVWG: Zulassungs-Richtlinien des GKV Spitzenverbandes zu § 72 Absatz 3c SGB XI

Der GKV-Spitzenverband hat am 28. Januar 2022 die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Einvernehmen mit dem Bundesarbeitsministerium (BMAS) genehmigten Richtlinien nach § 72 Absatz 3c SGB XI veröffentlicht (Zulassungsrichtlinie, im Folgenden: ZURL).

Die Zulassungs-RL wurde am gleichen Tag wirksam und konkretisiert die Verfahrens- und Prüfgrundsätze zur Einhaltung der Vorgaben für Versorgungsverträge nach § 72 Absätze 3a und 3b SGB XI. Die ZURL ist zusammen mit der Pflegevergütungsrichtlinie nach § 82c Absatz 4 SGB XI (im Folgenden: PVRL) zu lesen, zu der eine gesonderte Fachinformation erstellt wird.

Pflegeeinrichtungen, die von § 72 Abs. 3a und 3b SGB XI betroffen sind, bleibt die gründliche Lektüre der Richtlinien, die deutlich umfangreicher als der schon vor Monaten kursierende Entwurf ausgefallen sind, nicht erspart. Viele Fragen, die sich zuletzt noch gestellt haben, finden sich nun beantwortet. Darüber hinaus ergeben sich derzeit vor allem noch die nachfolgenden Anmerkungen zu den einzelnen Regelungen.

 

1. Geltungsbereich

Über den RL-Entwurf hinaus wird in § 1 (3) ZURL nun klargestellt, dass „in den Geltungsbereich [der RL …] alle eine Zulassung nach § 72 SGB XI anstrebenden bzw. bereits zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtungen [fallen], einschließlich der Betreuungsdienste nach § 71 Absatz 1a SGB XI sowie alle teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen einschließlich der Kurzzeitpflege, die als selbständig wirtschaftende Organisationseinheit Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen.“

2. Zulassungsvoraussetzungen für nicht-tarifgebundene Einrichtungen

§ 3 ZURL regelt, wann nicht-tarifgebundene Pflegeeinrichtungen bei der Entlohnung ihrer Pflege- und Betreuungskräfte die Entlohnung nach einem einschlägigen Tarifvertragswerk oder entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht unterschreiten und daher nach § 72 Absatz 3b SGB XI zur Versorgung zuzulassen sind.

Dafür stehen nach § 3 Absatz 3 und 4 ZURL nun zwei verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl der Pflegeeinrichtungen. 

a) Entlohnung

In § 3 Absatz 2 ZURL wird zunächst klargestellt, was unter „Entlohnung“ zu verstehen ist. Dazu zählen insbesondere

-         die Grundvergütung,

-         einschließlich Entgeltbestandteile, die an die Art der Tätigkeit, Qualifikation und Berufserfahrung und die Region anknüpfen,

-         sowie Zulagen, Zuschläge und Gratifikationen, einschließlich Überstundensätze.

Auf § 2a Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AentG) wird in § 3 Absatz 2 ZURL ergänzend Bezug genommen. § 2a AEntG lautet wie folgt:

§ 2a Gegenstand der Entlohnung

Entlohnung im Sinne von § 2 Absatz 1 Nummer 1 sind alle Bestandteile der Vergütung, die der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin vom Arbeitgeber in Geld oder als Sachleistung für die geleistete Arbeit erhält. Zur Entlohnung zählen insbesondere die Grundvergütung, einschließlich Entgeltbestandteilen, die an die Art der Tätigkeit, Qualifikation und Berufserfahrung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und die Region anknüpfen, sowie Zulagen, Zuschläge und Gratifikationen, einschließlich Überstundensätzen. Die Entlohnung umfasst auch Regelungen zur Fälligkeit der Entlohnung einschließlich Ausnahmen und deren Voraussetzungen.

Damit dürfte auch klar sein, dass zur „Entlohnung“ vor allem Aufwandsentschädigungen, Familien- und Kinderzulagen sowie Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung nicht zählen.

b) Möglichkeit 1: Keine Unterschreitung des regionalen Durchschnitts

Nach § 3 Absatz 3 ZURL sind die Voraussetzungen erfüllt, wenn die Pflegeeinrichtung bei der Entlohnung ihrer Beschäftigten in der Pflege oder Betreuung in den drei Beschäftigtengruppen (Qualifikationsgruppen)

a.       Pflege- und Betreuungskräfte ohne mindestens einjährige Berufsausbildung

b.       Pflege- und Betreuungskräfte mit mindestens einjähriger Berufsausbildung

c.       Fachkräfte in den Bereichen Pflege und Betreuung mit mindestens dreijähriger Berufsausbildung

jeweils im Durchschnitt das aktuell veröffentlichte regional übliche Entgeltniveau für die betreffende Beschäftigtengruppe sowie die aktuell veröffentlichten Durchschnittswerte der tarifvertraglich und in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarten variablen pflegetypischen Zuschläge in der Region nicht unterschreitet.

Das bedeutet, dass die Pflegeeinrichtungen ihre Pflege- und Betreuungskräfte einer dieser drei Qualifikationsgruppen zuzuordnen haben. Für jede dieser drei Gruppen (nicht für jede*n einzelne*n Mitarbeiter*in) ist ein Entlohnungsdurchschnitt zu bilden, in den jeweils folgende Werte einzustellen sind:

-         das Grundgehalt (Tabellenentgelt),

-         die Jahressonderzahlungen,

-         die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers

-         sowie die regelmäßigen und fixen pflegetypischen Zulagen.

Die so ermittelten (drei) Entlohnungsdurchschnitte dürfen das regional übliche Entgeltniveau je Beschäftigtengruppe nicht unterschreiten, welches in den Landübersichten nach § 82c Abs. 5 SGB XI gemäß § 4 Absatz 3 PVRL i. V. m. § 7 Abs. 4 Nr. 2 PVRL in Euro als Stundensatz veröffentlicht wird.

Zur Vergleichbarkeit ist gegebenenfalls eine Umrechnung auf die gleiche Bezugsgröße erforderlich. Muss eine Einrichtung die Entlohnung in den Beschäftigtengruppen auf Grundlage des Vergleichs zum 1. September 2022 anpassen, so ist ihr die konkrete Umsetzung überlassen, da ZURL und Gesetz hierzu keine Vorgaben enthalten.

Daneben muss die Einrichtung prüfen, ob ihre variablen pflegetypischen Zuschläge für alle Beschäftigten in der Pflege und Betreuung den regionalen Durchschnittswert nicht unterschreiten. Der regionale Durchschnittswert wird in den Landesübersichten nach § 82c Abs. 5 SGB XI als durchschnittlicher Zuschlag auf den Stundenlohn (Grundgehalt) in Prozent angegeben, vgl. §§ 5 Abs. 2, 7 Abs. 4 Nr. 3 PVRL. Variable pflegetypische Zuschläge meint Zuschläge für Nachtarbeit, Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit, Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit, Flexibilitätszuschlag, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft, vgl. § 5 Absatz 2 PVRL.

c) Zulassungsmöglichkeit 2: Anwendung des maßgebenden Tarifwerks bzw. kirchliche Arbeitsrechtsregelungen

Alternativ sind nach § 3 Absatz 4 ZURL die Voraussetzungen für eine Zulassung auch dann erfüllt, wenn die Pflegeeinrichtung ihre Beschäftigten in der Pflege oder Betreuung mindestens in Höhe des von ihr als maßgebend mitgeteilten Tarifvertragswerks (oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen) in der jeweiligen aktuellen Fassung entlohnt. Dabei muss durch die Entlohnung sichergestellt sein, dass das in dem von der Pflegeeinrichtung als maßgebend mitgeteilte Tarifvertragswerk vorgesehene Lohngefüge beachtet wird.

Zum „Lohngefüge“ gehören:

  • die Entlohnung nach Abs. 2, das heißt insbesondere die Grundvergütung, einschließlich Entgeltbestandteile, die an die Art der Tätigkeit, Qualifikation und Berufserfahrung und die Region anknüpfen, sowie Zulagen, Zuschläge und Gratifikationen, einschließlich Überstundensätze,
  • die (Mindest-)Einhaltung der jeweiligen tariflichen Erfahrungsstufen sowie
  • Eingruppierungsgrundsätze des Tarifvertrags.

Die Übersichten nach § 82c Abs. 5 SGB XI, welche Tarifverträge (oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen) eine refinanzierbare Entlohnung vorsehen, sollen nach Auskunft des GKV-Spitzenverbands bis spätestens zum 15. Februar 2022 veröffentlicht werden. 

3. Meldepflichten der Pflegeeinrichtungen nach § 72 Abs. 3d SGB XI; Meldefrist

§§ 4 und 5 ZURL regeln, was die Pflegeeinrichtungen bei ihren Meldungen nach § 72 Abs. 3d SGB XI, die als Antrag auf Anpassung bestehender Versorgungsverträge zum 1. September 2022 gelten, zu beachten haben. Die Meldungen erfolgen nach § 6 ZURL über das Eingabeportal der Datenclearingstelle (DCS).

Da die ZURL, wie oben beschrieben, in § 3 Abs. 3 und 4 ZURL unterschiedliche Möglichkeiten für die Zulassung nicht-tarifgebundener Einrichtungen zulässt, unterscheidet sich auch der Inhalt der Meldungen je nach gewählter Variante, vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 3 und 4 ZURL.

Für die Meldefrist hat sich entgegen des Gesetzeswortlaut folgende Änderungen ergeben:

Nach Pressemeldungen von BMAS, BMG und GKV-SV werden die Landesübersichten nach § 82c Abs. 5 SGB XI und § 7 PVRL bis spätestens 15. Februar 2022 veröffentlicht. Erst danach wird das Eingabeportal bei der Datenclearingstelle (DCS) geöffnet. Das BMG hat mitgeteilt, dass „die Meldungen mit Blick auf die anschließend erforderlichen Anpassungen der Versorgungsverträge und ggf. der Vergütungsvereinbarungen auch nach dem 28. Februar 2022 bis zum 31. März 2022 möglich sein werden.“

Schon im Genehmigungsschreiben vom 27. Januar 2022 (siehe unter Download) hatte das BMG zudem anerkannt, dass die Umsetzung nach Einschätzung des Bundesgesundheitsministeriums, insbesondere für die nicht tarifgebundenen Pflegeeinrichtungen, aber auch für die Landesverbände der Pflegekassen eine neue und große Herausforderung darstellt. Daher war der GKV-Spitzenverband gebeten worden, für nach dem 28. Februar 2022 eingehende Meldungen ein pragmatisches Verfahren zu etablieren. Insbesondere soll eine verspätete Meldung nicht dazu führen, dass auf der Grundlage von § 74 SGB XI kurzfristig Versorgungsverträge gekündigt werden. Dies soll seitens des GKV-Spitzenverbands gegenüber den Verbänden der Pflegeeinrichtungen auch so verdeutlicht werden.

Vor diesem Hintergrund ist bestehenden Pflegeeinrichtungen zu empfehlen, die erweiterte Meldefrist bis zum 31. März 2022 einzuhalten. Sollte sich jedoch aufgrund von nicht beherrschbaren Umständen abzeichnen, dass eine Einrichtung die Frist nicht einhalten kann, wird empfohlen, die Umstände zu dokumentieren und die Landesverbände der Pflegekassen unverzüglich unter Angabe der Gründe zu informieren. Ein Grund kann etwa sein, dass die notwendige Zustimmung zu einer innerbetrieblichen Anpassung der Entlohnungsstruktur in Umsetzung der neuen Regelungen (z. B. wegen Krankheitsfällen) nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. Wir gehen davon aus, dass in diesen Fällen der unverschuldeten Fristüberschreitung Möglichkeiten für eine Nachmeldung geschaffen werden.

Abgesehen davon wird es erforderlich sein, Einrichtungen, die nach §§ 7 und 8 Abs. 4 ZURL erst nach dem 31. März 2022 erstmalig einen Antrag auf Abschluss eines Versorgungsvertrages stellen, eine zusätzliche Möglichkeit der Meldung nach §§ 4 und 5 ZURL einzuräumen.

Zu dem Verfahren und den Fristen für stationäre Hospize werden wir zu einem späteren Zeitpunkt gesondert informieren.

4. Anpassung der Versorgungsverträge

Nachdem von den Pflegekassen festgestellt wurde, dass eine Pflegeeinrichtung die neuen Zulassungsvoraussetzungen ab dem 1. September 2022 erfüllt, sind bestehende Versorgungsverträge nach § 8 ZURL zu diesem Zeitpunkt anzupassen. Die Pflegekassen haben angekündigt, ein möglichst verwaltungsarmes Verfahren zur Anpassung der Versorgungsverträge zu wählen, da es sich hierbei aller Voraussicht nach um einen rein formalen Akt handelt. Sollte es hierbei gleichwohl zu Verzögerung kommen, weil die Kassen angesichts begrenzter Personalkapazitäten das Verfahren nicht flächendeckend einleiten konnten, wird derzeit davon ausgegangen, dass Einvernehmen mit allen beteiligten Stellen (einschließlich der Heimaufsichten) erzielt werden kann, dass dies mit keinen negativen Konsequenzen für die Einrichtungen verbunden ist, insbesondere keine Betriebseinstellung oder dergleichen droht. Überdies besagt § 9 Abs. 2 ZURL, dass bei bereits bestehenden Versorgungsverträgen diese ab 1. September 2022 wegen fehlender Zulassungsvoraussetzungen nach § 72 Absatz 3a oder 3b SGB XI nur dann gekündigt werden können, wenn dies nicht nur vorübergehend ist. 

5. Abschließender Hinweis; FAQs

Um die Umsetzung der Regelungen für die Pflegeeinrichtungen zu erleichtern, war der GKV-Spitzenverband vom Bundesgesundheitsministerium gebeten worden, zu den zum 28. Februar 2022 erforderlichen Meldungen zeitnah Verfahrenshinweise („FAQ") zu erarbeiten und den Verbänden der Pflegeeinrichtungen zur Verfügung zu stellen, welche wünschenswerter Weise eine oder mehrere Beispielsrechnungen für die erforderlichen Meldungen enthalten sollen.

Auch dadurch werden sich absehbar noch Fragen klären. Bitte teilen Sie uns alle offene Punkte mit, damit wir diese dem GKV-Spitzenverband gezielt benennen und diese in den FAQ berücksichtigt werden können.