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Fortschritt mit Mängeln: Dritte-Option-Gesetz vor Verabschiedung im Bundestag

Am 13. Dezember entscheidet der Bundestag über die "Dritte Option" beim Geschlechtseintrag (Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben). Trotz der weitreichenden Kritik von Verbänden, der Zivilgesellschaft, Expert*innen und der Opposition schafft die Große Koalition damit keinen ausreichenden Schutz für intergeschlechtliche Menschen.

Nach der abschließenden Beratung des Gesetzentwurfs im Innenausschuss ist klar, dass die Regierungsfraktionen sich nicht auf Änderungen einigen konnten, die selbst Redner*innen von SPD und CDU/CSU in der Ersten Beratung im Bundestag gefordert oder zumindest in Erwägung gezogen haben. Statt die ärztlichen Bescheinigung als Nachweis über das Vorliegen einer Variante der Geschlechtsentwicklung durch einen Beratungsschein zu ersetzen, wird es nun nur für eine kleine Gruppe Ausnahmen von der Attestpflicht geben. Nicht einmal dieses kleine Mehr an Niedrigschwelligkeit fand damit in der Großen Koalition eine Mehrheit. Erfreulich ist hingegen die auch vom Paritätischen Gesamtverband geforderte Änderung des Gesetzestextes von einer "Muss-Regelung" zu einer "Kann-Regelung". Dadurch werden intergeschlechtliche Kinder nicht zwangsweise (als intergeschlechtlich) offenbart. Ihre geschlechtliche Selbstbestimmung wird durch die "Kann-Regelung" besser gewahrt, denn sie können ohne eine bereits stattgefundene Zwangsoffenbarung seit der Geburt im späteren Lebensverlauf selbst entscheiden, welchen Geschlechtseintrag sie haben möchten.

Der Paritätische Gesamtverband hat gemeinsam mit ProFamilia, dem DKSB, dem LSVD sowie den beiden Verbänden intergeschlechtlicher Menschen (IMEV) und transgeschlechtlicher Menschen (BVT*) auf dringend gebotene Änderungen hingewiesen.

Darin fordern wir:

1. die Streichung der medizinischen Nachweispflicht und die Aufhebung der Norm eines eingeschränkten Personenkreises - anstelle von
unzureichenden Beschränkungen und diskriminierenden Voraussetzungen zum Geschlechtseintrag „divers“.
2. einen Offenbarungsschutz durch eine „Kann-Regelung“ - denn ansonsten fehlt der Schutz vor zwangsweiser Offenbarung für intergeschlechtliche Kinder
3. eine Aufhebung des Transsexuellengesetzes (TSG) als Bestandteil des Gesetzesentwurfs - ohne dies bleibt es bei der fehlenden geschlechtlichen Selbstbestimmung für transgeschlechtliche Menschen
4. dringend eine Aufnahme eines OP-Verbots in das Gesetz - der derzeitige Gesetzesentwurf enthält schließlich keine Regelung zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung von intergeschlechtlichen Kindern
5. eine Ausweitung von Beratungsangeboten - anstelle einer ausbleibenden Loslösung von medizinischer/psychologischer Fremdbestimmung

Obwohl die Einführung eines nicht-binärgeschlechtlichen bzw. dritten Geschlechtseintrags ein hart erkämpfter Meilenstein ist und für intergeschlechtliche Menschen einen Zugewinn an geschlechtlicher Anerkennung und Sichtbarkeit darstellt,
reicht der Gesetzesentwurf nicht aus, um den Schutz der geschlechtlichen Identität in Deutschland ausreichend sicherzustellen.

brief_dritte-option-2018_10-oktober.pdfbrief_dritte-option-2018_10-oktober.pdf