"Gestalten statt Ausgrenzen" - Paritätischer verabschiedet grundsätzliche Positionierung zur Flüchtlingspolitik
Angesichts kontroverser politischer Debatten über Flucht und Migration hat der Paritätische Gesamtverband unter dem Titel „Gestalten statt Ausgrenzen“ eine grundsätzliche Positionierung zur Flüchtlingspolitik verabschiedet. Das Papier umfasst sowohl Grundsätze der Arbeit des Paritätischen im Bereich Flucht als auch Positionen zu aktuellen politischen Prozessen und Debatten auf nationaler wie europäischer Ebene. Für den Paritätischen gilt dabei: Nicht Ausgrenzung, sondern allein eine gestaltende, soziale und solidarische Politik kann den Herausforderungen und Chancen von Flucht und Migration nachhaltig gerecht werden.
In dem Positionspapier bringt der Paritätische zunächst seine Sorge über die gegenwärtige Flucht- und Migrationspolitik wie auch die gesellschaftliche Debatte zum Ausdruck. Gesellschaftliche Herausforderungen werden demnach zunehmend nicht mehr als politischer Gestaltungsauftrag verstanden, sondern als Argument genutzt, die Ausgrenzung Geflüchteter mittels Abschreckung, Auslagerung und Abschiebung voranzutreiben.
Diesen Herausforderungen darf für den Paritätischen jedoch nicht mit der Entrechtung oder Stigmatisierung Geflüchteter begegnet werden. Mit seinen fast 11.000 Mitgliedsorganisationen, über 500.000 hauptamtlichen und noch mehr ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen arbeitet und engagiert er sich für eine gerechte und solidarische Gesellschaft für alle, unabhängig von Herkunft, Staatsangehörigkeit oder religiösen Überzeugungen. Er stellt sich damit klar gegen jedwede Form von rassistischer Ausgrenzung und rechtspopulistischer Hetze. Vielmehr braucht es eine gestaltende und vorausschauende Flucht- und Migrationspolitik als Teil einer sozialen und solidarischen Politik für alle, wozu es auch einer zukunftsfesten und gerechteren Finanz- und Steuerpolitik bedarf, die staatliche Handlungsfähigkeit stärkt und Investitionen in die soziale Infrastruktur ermöglicht.
In seiner Positionierung spricht sich der Paritätische klar für das individuelle Recht auf Asyl als gesellschaftlicher Errungenschaft und Ausdruck individueller Würde und Persönlichkeit aus. Die Abschreckung Geflüchteter und die Auslagerung von Asylverfahren lehnt er ab. Stattdessen muss Schutzverantwortung solidarisch geteilt, Menschenrechte effektiv geschützt und faire, rechtsstaatliche Asylverfahren sichergestellt werden. Der Paritätische spricht sich zudem für die Schaffung und den Ausbau legaler Fluchtwege aus. Einer engeren Kooperation mit Herkunftsländern steht er offen gegenüber, sofern diese nicht den Flüchtlingsschutz unterläuft und auch die Herkunftsgesellschaften von der Zusammenarbeit langfristig profitieren.
Der Paritätische spricht sich klar gegen die jüngsten Verschärfungen von Abschiebemaßnahmen aus, die letztlich zu Angst, Leid und (Re-)Traumatisierungen führen und somit die Integration von Anfang an erschweren. Er fordert zudem die Abschaffung des diskriminierenden und integrationsfeindlichen Asylbewerberleistungsgesetzes. Die derzeit diskutierten Bezahlkarten lehnt er ab und mahnt für den Fall ihrer Einführung eine diskriminierungs- und einschränkungsfreie Ausgestaltung an.
Hinsichtlich Unterbringung und Aufnahme spricht sich der Paritätische für eine Orientierung an den Regelungen für Geflüchtete aus der Ukraine und dementsprechend die Abschaffung von Wohnverpflichtungen wie auch von Wohnsitzauflagen und -regelungen aus. Im Falle einer Verteilung von Geflüchteten müssen deren Bedarfe mit den Bedarfen von Ländern und Kommunen möglichst gut in Einklang gebracht werden.
Ein Anliegen sind dem Paritätischen auch die Belange besonders vulnerabler Schutzsuchender, u.a. von Menschen mit Behinderungen, Minderjährigen, traumatisierten oder queeren Personen. Deutschland muss hier seinen europa- und völkerrechtlichen Verpflichtungen endlich vollumfänglich nachkommen. Zudem müssen unbegleitete minderjährige Geflüchtete gemäß den Vorgaben des SGB VIII untergebracht sowie bei Verteilung und Unterbringung die Einhaltung von Unterbringungs- und Gewaltschutzstandards gewährleistet werden.
Der Paritätische sieht die Chancen und Potenziale Geflüchteter, auch angesichts von Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel. Er spricht sich daher für den schnellen und unbürokratischen Zugang zu Ausbildung und Arbeit für Geflüchtete durch die Abschaffung von Arbeitsverboten und die Ausweitung von Spurwechselmöglichkeiten aus. Bei der Arbeitsmarktintegration sollten besonders die Bedarfe geflüchteter Frauen, Qualifizierungsmöglichkeiten und die Anerkennung praktischer Kompetenzen in den Blick genommen werden. Von Bedeutung ist für den Paritätischen in diesem Zusammenhang auch eine Politik der Teilhabe, unter anderem durch ein modernes Einbürgerungsrecht sowie die Beteiligung Geflüchteter an sie betreffenden politischen Prozessen.
Die umfassende Positionierung des Paritätischen Gesamtverbandes "Gestalten statt Ausgrenzen" finden Sie als Download auf dieser Seite.