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Kindergrundsicherung: Was hilft gegen Kinderarmut?

Die im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung vereinbarte Einführung einer Kindergrundsicherung ist mittlerweile in einer entscheidenden Phase der gesetzgeberischen Umsetzung. Dazu legt der Arbeitskreis Armutsforschung eine Analyse vor, in dem systematisch die Frage behandelt wird, an welchen Stellschrauben es Änderungen geben muss, damit die Einführung einer Kindergrundsicherung im Ergebnis gegen Kinderarmut hilft.

Der Arbeitskreis Armutsforschung ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen und Praktikern, die in der Armutspolitik und -forschung tätig sind. Die vorgestellte Analyse mit den Schlussfolgerungen wird von zahlreichen ausgewiesenen Expertinnen und Experten der Armutsforschung unterstützt (siehe die Liste am Ende der Analyse).

Dr. Irene Becker, eine der maßgeblichen Autorinnen des Papiers, fasst die Befunde zusammen: „Das bestehende System der finanziellen Absicherung von Kindern und Jugendlichen ist unzureichend. Weit verbreitete Kinderarmut ist das Ergebnis. Grundlegende Reformen sind daher angebracht. Die Einführung einer Kindergrundsicherung ist im Grundsatz sinnvoll. Gegen Kinderarmut hilft eine Kindergrundsicherung aber nur, wenn sie zwei Bedingungen erfüllt: die Leistungen für die Kinder in einkommensschwachen Familien müssen erhöht werden und die Leistung muss vollumfänglich bei den berechtigten Kindern und Familien ankommen.“

Mit Blick auf die aktuelle Diskussion ergänzt sie: „Wer Kinderarmut bekämpfen will, muss Geld in die Hand nehmen. Ohne höhere Leistungen für die Kinder und Jugendlichen kann deren soziale Lage nicht verbessert werden. Hier muss die Regierung nachbessern. Ansonsten droht aus einer guten Idee eine bloße Verwaltungsreform zu werden, die im Ergebnis gegen Kinderarmut nichts nutzt.“

Zum Hintergrund des Papiers:

Die Kernaussagen des Papiers basieren auf einer Zusammenschau von Forschungsergebnissen. Demnach ist nachgewiesen, dass Kinderarmut in Deutschland weit verbreitet ist und sowohl für die betroffenen Familien selbst als auch für die Gesamtgesellschaft negative und kostspielige Folgen hat. Es liegt also kein Erkenntnis- sondern ein Handlungsdefizit vor. Während ein Ausgleich zwischen kinderlosen Haushalten und Familien in dem System zumindest angelegt ist, mangelt es an einem Mechanismus der Umverteilung zwischen einkommensstarken und -schwachen Haushalten/Familien. Eine Reform ist daher dringend geboten.

Zur Bekämpfung von Kinderarmut ist eine Zusammenfassung bestehender Leistungen für Familien und Kinder sinnvoll. Eine Reduzierung der Komplexität und Intransparenz des derzeitigen Systems reicht für sich aber nicht aus, um das Defizit des fehlenden vertikalen Ausgleichs zu kompensieren und im Ergebnis mehr Kinder aus der Armut zu holen. Denn dazu muss an zwei Stellschrauben angesetzt werden: erstens an der Höhe der Leistungen – die kindlichen Bedarfe müssen neu und sachgerecht ermittelt werden, was nach vorliegenden Erkenntnissen zu einer deutlichen Anhebung der Transfers führen würde; und zweitens muss die Reform verlässliche Strukturen und Verfahren schaffen, damit die Leistungen bei den Berechtigten tatsächlich ankommen.

Die Einführung einer Kindergrundsicherung muss also mehr sein als eine Verwaltungsreform und Digitalisierung, wenn sie gegen Kinderarmut wirksam sein will. Die Klärung von Detailfragen einer zielgerechten Reform ist zwar komplex, die administrative Umsetzung aufwändig, und die fiskalischen Herausforderungen sind gründlich zu klären. Diese Aufgaben sind aber lösbar und stehen klaren und überfälligen Entscheidungen nicht entgegen, die eine Kindergrundsicherung mit spürbaren Verbesserungen für Kinder und Jugendliche und einen Fahrplan zur schrittweisen administrativen Umsetzung des Konzepts umfassen.