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Neuregelung der Suizidassistenz im Bundestag gescheitert – Antrag zur Stärkung der Suizidprävention angenommen

Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag, den 06. Juli 2023, zwei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe über eine Neuregelung der Suizidassistenz in 2. Lesung beraten. Jedoch konnte keiner der beiden vorgelegten Gesetzentwürfe die erforderliche Mehrheit unter den Abgeordneten erreichen.

Der Paritätische Gesamtverband hatte beide Gesetzentwürfe im Vorfeld der abschließenden Beratung als ungeeignet kritisiert und zugleich die flächendeckende Stärkung der Angebote und Strukturen der Suizidprävention sowie der Hospiz- und Palliativversorgung gefordert. Diese Forderungen wurden auch in einem gemeinsamen Antrag der beiden Abgeordnetengruppen festgehalten und vom Bundestag mehrheitlich angenommen.

Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (ehem. § 217 Strafgesetzbuch) für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben. Begründet wurde das Urteil u. a. damit, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasse und dabei die Hilfe Dritter in Anspruch genommen werden dürfe. Gleichwohl ziehe dies keine Verpflichtung zur und keinen Anspruch auf Leistung der Suizidbeihilfe nach sich.

Weiter führte das Bundesverfassungsgericht aus, die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, sei als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren. Hieraus folge jedoch nicht, dass es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen untersagt sei, die Suizidhilfe zu regulieren. Er müsse dabei aber sicherstellen, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibe.

Ausgehend davon sah sich der Gesetzgeber aufgefordert, eine Neuregelung der Suizidassistenz vorzunehmen, worauf sich auch die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag verständigt hatte. Mit der heutigen Entscheidung im Bundestag bleibt die Suizidassistenz gesetzlich vorerst unreguliert. Die Aufhebung des Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung bleibt davon jedoch unberührt.

Stärkung der Suizidprävention

Auf deutlich mehr Zustimmung stieß der von beiden Abgeordnetengruppen gemeinsam eingebrachte Entschließungsantrag zur Stärkung der Suizidprävention.

Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, dem Bundestag bis zum 31. Januar 2024 ein Konzept vorzulegen, wie zeitnah – zum Beispiel mit Mitteln des Nationalen Präventionsplans – bestehende Strukturen und Angebote der Suizidprävention unterstützt werden können. Zudem soll die Bundesregierung dem Bundestag bis zum 30. Juni 2024 einen Gesetzentwurf und eine Strategie zur Suizidprävention vorlegen, mit dem die Maßnahmen und Akteure koordiniert und eine dauerhafte sowie zeitnahe Umsetzung sichergestellt werden. Insbesondere werden in dem Antrag die Bereiche Krisenintervention, Aufklärung und Information, Prävention, Fort- und Weiterbildung, Forschung sowie psychosoziale und palliativmedizinische Versorgung in den Blick genommen. Dem Bundestag soll zudem jährlich über die Umsetzung der Maßnahmen aus der nationalen Strategie zur Suizidprävention berichtet werden.

Fazit

Im Zuge einer Neuregelung der Suizidassistenz muss es aus Sicht des Paritätischen um die Gewährleistung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben in Würde und um die Ermöglichung und Förderung freiverantwortlicher Entscheidungen gehen. Lebensschutz und Selbstbestimmung können insofern nicht isoliert voneinander betrachtet werden, sondern bedingen sich stets wechselseitig. Beides erfordert das Vorhandensein guter Alternativen und die Freiheit von Not, Verunsicherung und erlebter Ausweglosigkeit.

Es ist daher zu begrüßen, dass keiner der beiden Gesetzentwürfe in der vorgelegten Fassung beschlossen wurde und sich das Parlament stattdessen zunächst auf die Stärkung der Suizidprävention inklusive der Sicherstellung einer bedarfsgerechten psychosozialen und palliativmedizinischen Versorgung verständigt hat. Ungeachtet dessen ist auch die Debatte um eine umfassende Neuregelung der Suizidassistenz gesellschaftlich und politisch weiterzuführen.

Der Fachinformation sind die folgenden Anlagen beigefügt:

  • Anlage 1: Entschließungsantrag zur Stärkung der Suizidprävention
  • Anlage 2: Forderungspapier der BAGFW zur Stärkung der Suizidprävention sowie der Hospiz- und Palliativversorgung
  • Anlage 3: Paritätische Eckpunkte zur geschäftsmäßigen Suizidassistenz
  • Anlage 4: Paritätische Bewertung der beiden vorliegenden interfraktionellen Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidassistenz

Hinweis: Die Veranstaltungsdokumentation zur Paritätischen Online-Inforeihe "Fragen im Kontext der Lebensbeendigung - Umgang mit Todeswünschen und Suizidalität in sozialen Einrichtungen und Diensten" finden Sie hier.