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Parität und AWO warnen Mitglieder der Innenministerkonferenz vor weiteren Verschärfungen der Flüchtlingspolitik

Im Vorfeld der Innenministerkonferenz, die am heutigen Tag in Berlin beginnt, haben sich AWO und Paritätischer Gesamtverband in einem gemeinsamen Brief gegen weitere Verschärfungen in der Flüchtlingspolitik ausgesprochen. Durch den Fokus auf Abschiebung und Abschreckung drohe eher eine Gefährdung, denn eine Sicherung des sozialen Friedens, warnen die Unterzeichner*innen Ulrich Schneider und Claudia Mandrysch.

Aus Sicht der unterzeichnenden Verbände geht es jetzt darum, geeignete Maßnahmen zu finden, um Verfahren zu beschleunigen und ausreichende Kapazitäten für Aufnahme und Unterbringung zu schaffen. Länder und Kommunen würden somit entlastet und die Integration Schutzsuchender von Anfang an gefördert. Die unterzeichnenden Verbände fordern daher dazu auf, eine zukunftsorientierte, nachhaltige und krisenfeste Flüchtlingspolitik zu verfolgen, die den gesellschaftlichen Herausforderungen gestaltend begegnet.

Die unterzeichnenden Verbände und ihre Mitgliedsorganisationen verstehen sich als Partner*innen der Politik. Mit ihren zahlreichen Diensten übernehmen sie – neben den Kommunen – eine Vielzahl von Aufgaben bei der Aufnahme, Unterbringung und Integration Geflüchteter. Immer wieder hat die Freie Wohlfahrtspflege mit Haupt- und Ehrenamtlichen dabei ihre Problemlösungskompetenz gezeigt. Die Verbände und ihre Mitgliedsorganisationen sind weiterhin bereit und vorbereitet, Geflüchtete aufzunehmen und zu unterstützen, Erfahrungen zu teilen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.

Zu einzelnen flüchtlings- und migrationspolitischen Maßnahmen fordern sie insbesondere:

Aufnahme und Unterbringung

  • Freie Wahl des Wohnorts, sofern private Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden sind, und damit verbunden die (zumindest vorübergehende) Aufhebung der Verpflichtung zur Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung gem. § 47 AsylG für alle Schutzsuchenden, um die Unterbringung in privatem Wohnraum sowie eine rasche Integration zu fördern.
  • Die Aufhebung der integrationsschädlichen Verpflichtung zur Wohnsitznahme nach § 12a AufenthG generell, zumindest aber, wenn an einem anderen Ort eine Wohnung gefunden wurde, um in Unterkünften schneller Platz für neu einreisende Schutzsuchende zu schaffen. Eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen und wohnungsähnlicher Form erleichtert Integration und wirkt Vorurteilen sowie Ängsten in der Bevölkerung entgegen.
  • Die Förderung der privaten Unterbringung von Schutzsuchenden und in diesem Zuge auch die Förderung von Organisationen, die Schutzsuchende in privaten Wohnraum vermitteln.
  • Die Einhaltung von Unterbringungs- und Gewaltschutzstandards und eine systematische, flächendeckende und frühzeitige Identifizierung besonderer Schutzbedarfe, um das schnelle Ankommen zu erleichtern und durch bedarfsorientierte Versorgung Integration zu fördern.
  • Die Einhaltung und Umsetzung geltender Vorgaben des SGB VIII für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Eine dauerhafte Unterbringung von umF ab 14 bzw. 16 Jahren in Gemeinschaftsunterkünften bzw. Aufnahmeeinrichtungen ist abzulehnen, da diese eine kindgerechte Entwicklung und erfolgreiche Eingliederung in unser Gemeinwesen behindert.

Abschiebungen

Keine weiteren Maßnahmen zur Erleichterung von Abschiebungen, wie sie der Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rückführung vorsieht. Zum einen bedeuten diese Maßnahmen teils erhebliche grundrechtliche Eingriffe, u.a. bei der Ausweitung von Haft oder erweiterten Durchsuchungsbefugnissen. Zum anderen führen sie potentiell zu Retraumatisierungen und einem Leben in beständiger Angst, Misstrauen und Unsicherheit, auch bei Menschen, die Schutz erhalten und in Deutschland bleiben werden. Somit erschweren die Maßnahmen das Ankommen und letztlich auch die erfolgreiche Integration Schutzsuchender.

Bezahlkarten

Im jüngsten Beschluss der Bund-Länder-Konferenz wurde eine bundesweit einheitliche Einführung einer Bezahlkarte für den Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG beschlossen. Den Einsatz solcher Karten zur Abschreckung und Einschränkung von Leistungsbezieher*innen lehnen die unterzeichnenden Verbände ab. Sofern solche Bezahlkarten eingeführt werden, muss ihre Ausgestaltung diskriminierungsfrei und datenschutzkonform erfolgen. Zudem muss sichergestellt sein, dass die Karten die Personen beim Erwerb von Gütern und Dienstleistungen nicht einschränken. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Bezahlung von Rechtsdienstleistungen, bspw. von Anwält*innen. Möglichkeiten zur Programmierung der Karten sind insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit willkürlicher Sanktionen und Einschränkungen kritisch zu prüfen. Eine Entlastung für die Behörden durch eine Bezahlkarte ist letztlich nur dann zu erwarten, wenn sie den Leistungsbeziehenden eine freie Verfügung über die ihnen zustehenden Geldleistungen erlaubt.