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Kampagnenmotiv "Recht auf Wohnen"

Recht auf Wohnen: Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt

Erstellt von Evîn Kofli

Trotz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes werden Menschen mit Migrationshintergrund bei der Wohnungssuche häufig benachteiligt. Für die Aktiven der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer gehört diese Erfahrung zum Alltag.

Die Zahl der Menschen, die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt erleben, ist in 2016 um die Hälfte gestiegen. Das geht aus dem Dritten Gemeinsamen Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hervor. Von den insgesamt 467 Anfragen zum Wohnraum betraf die überwiegende Anzahl mit 443 Anfragen eine Diskriminierung im Zusammenhang mit einem Mietverhältnis. Etwa 50% der  Anfragen bezog sich auf Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft. Die Benachteiligung äußert sich durch diskriminierende Wohnanzeigen, ungleich höhere Mieten oder Mobbing in der Nachbarschaft.

Diskriminierung aufgrund von ethnischer Herkunft und des Aufenthaltsstatus als asylsuchend oder geduldet stehen im besonderen Fokus von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Dabei spielen Parameter wie Name, Sprachkenntnisse in Deutsch und der so genannte Migrationshintergrund eine Rolle. Oft ist es schwierig, nachzuweisen, dass eine Wohnung aufgrund von Diskriminierungsstrukturen nicht vergeben wurde.

Mit diesen Herausforderungen und anderen Fragen setzen sich vermehrt auch die Berater*innen in der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) tagtäglich bei der Wohnungssuche für Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte auseinander, weshalb das Fachgespräch am 16.11.2017 in Leipzig zum Anlass genommen wurde, das Thema aufzugreifen, in Austausch zu kommen und gegebenenfalls Handlungsbedarf zu eruieren.

Das Gespräch fand mit 20 Teilnehmenden aus der Migrationsberatung statt. Zu Gastvorträgen waren Heike Fritzsche von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) und Daniel Bartel vom Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) eingeladen worden.

Fritzsche gab in ihrem Vortrag einen Überblick zu Aufgaben und Struktur der ADS sowie zum rechtlichen Rahmen, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Dabei skizzierte sie den Schutzbereich, der unter anderem auf Beschäftigung und Beruf sowie Alltagsgeschäfte - wie Einkäufe, Gaststätten- oder Diskothekenbesuche sowie Bus- und Bahnfahrten - anwendbar ist. In einem weiteren Teil des Vortrags zeigte sie auf, inwiefern das AGG beim Zugang und bei bestehenden Wohnverhältnissen greift. „Es gibt verschiedene Methoden, die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt sichtbar machen können“, so Frau Fritzsche. Sie stellte das Testing-Verfahren vor. Demnach bewerben sich zwei Personen, die sich bis auf ein Merkmal, zB Name oder Geschlecht, in keiner Weise unterscheiden auf die gleiche Wohnung. Mehrere Testing-Studien ergaben, dass Personen mit herkunftsdeutschem Namen bei der Wohnungsvergabe öfter bevorzugt wurden.

Seinerseits versuchte Bartel zu eruieren, welche Möglichkeiten die MBE-Berater*innen haben, um das Thema Diskriminierung in der Beratungspraxis aufzugreifen. Er ging zudem auf verschiedene Aspekte ein: da ist zum einen die Frage nach der Reflexion der eigenen Haltung zum Thema, zum anderen die Dokumentation von Fällen sowie Strategien von Lobbyarbeit zB in Form von Stellungnahmen und Beschwerdebriefen. „Antidiskriminierungsarbeit heißt einerseits vermitteln und andererseits konfrontativ vorgehen“ so Bartel.

In der anschließenden Diskussion wurde festgestellt, dass es einen enormen Rede- und Austauschbedarf gibt. Zum einen kann die MBE nicht zusätzlich Diskriminierungsberatung leisten. Allerdings gibt es Instrumente, die auch in der MBE-Praxis niederschwellig genutzt werden können, um Diskriminierung sichtbar zu machen. Dies ist durch die Dokumentation und Weiterleitung von Fällen zB an den advd oder die ADS möglich. Wie sich im darauffolgenden Austausch herausstellen solle, wenden einige Berater*innen dieses Verfahren bereits an.

Während des lebhaften Erfahrungsaustauschs konstatierten die Teilnehmer*innen, dass sich Kooperationen mit wichtigen Akteuren wie private Wohnanbieter oder Eigentümer im Rahmen ihrer Netzwerkarbeit als schwierig erweisen. Hier suchen sie die Unterstützung des Gesamtverbandes.

Grundsätzlich sprachen sich die Berater*innen für eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Thema in der MBE aus.

Evîn Kofli ist Referentin für Migrationssozialarbeit beim Paritätischen Gesamtverband.

Seit dem 1. Januar 2005 unterstützt dieMigrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) Menschen mit Migrationshintergrund über 27 Jahre bei der sprachlichen, beruflichen und sozialen Integration. Sie hat dabei vor allem die Aufgabe, als Grundberatungsangebot neu zugewanderten Erwachsenen Integrationsförderung (individuelle Beratung und Begleitung auf Basis des Case Managements, Empowerment zum selbstständigen Handeln in alltäglichen Lebenssituationen, Vermittlung an andere Dienste und Einrichtungen) anzubieten.