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Stellungnahme des Paritätischen Gesamtverbands zum Referententwurf für ein Rückführungsverbesserungsgesetz

Der Paritätische Gesamtverband kritisiert den Referententwurf für ein Rückführungsverbesserungsgesetz. Die geplanten Verschärfungen beim Abschiebungsrecht, den Haftregelungen im Aufenthaltsrecht sowie neue Straftatbestände sind unverhältnismäßig und stehen einer gelungenen und humanen Aufnahme von Schutzsuchenden diametral entgegen. Darüber hinaus sieht es der Paritätische als äußerst problematisch an, dass die Regierung der Zivilgesellschaft für ihre Stellungnahmen bloß zwei Werktage eingeräumt hat.

Unangemessenes Beteiligungsverfahren

Für die Beteiligung der Verbände und Zivilgesellschaft am Referentenentwurf waren durch die Regierung bloß zwei Werktage vorgesehen. Dabei geht es in dem vorgeschlagenen Gesetz um weitreichende Eingriffe in das Recht auf Freiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Recht auf Privatsphäre. Gegen diese Verschärfungen gibt es grundrechtliche, sowie europa- und völkerrechtliche Vorbehalte. Entsprechend unangemessen ist ein derart beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren, in dem die rechtliche Expertise und Praxiserfahrung der im Rahmen der Verbändeanhörung angefragten Organisationen nicht ausreichend berücksichtigt werden kann. Aufgrund der bereits genannten extrem kurzen Frist können bloß schlaglichtartig einige der im Referentenentwurf vorgesehenen Änderungen analysiert werden.

Begrüßenswerte Erleichterungen

Zu den wenigen begrüßenswerten Änderungen im Referententwurf gehört die Verlängerung der Dauer der Aufenthaltstitel für subsidiär Schutzberechtigte auf zukünftig drei Jahre (§ 26 Abs. 1 S. 2 AufenthG-E) und für Aufenthaltsgestattungen auf zukünftig sechs bzw. zwölf Monate (§ 63 Abs. 2 S. 2 AsylG-E). Beide Regelungen erleichtern einerseits die Integration in den Arbeitsmarkt und entlasten dabei gleichzeitig die Ausländerbehörden. Sie sind darüber hinaus ein wichtiger Schritt zur Angleichung der Rechtsposition subsidiär Geschützter mit der von anerkannten Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, wie sie bereits die Qualifikationsrichtlinie vorsieht.

Unverhältnismäßige Verschärfungen

Abgesehen davon lehnt der Paritätische zahlreiche der im Referentenentwurf genannten Verschärfungen ab. Hierzu gehört die vorgesehene Erlaubnis, bei Abschiebungen auch die Wohnungen Dritter betreten zu dürfen (§ 58 Abs. 5 S. 2 AufenthG-E) und Abschiebungen zukünftig wieder vermehrt zur Nachtzeit durchführen zu können (§ 58 Abs. 7 AufenthG-E). Diese Verschärfungen stellen einen massiven Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung dar (Art. 13 GG). Zudem werden diese Regelungen für ein Klima der Angst in Unterkünften und potentiell auch zu Retraumatisierungen führen. Die Regelung gilt überdies auch für die Wohnungen von Familien mit Kindern. Die ständige Unruhe und Angst steht letztendlich einem erfolgreichen Ankommen der Schutzsuchenden in der Gesellschaft entgegen.

Ablehnend äußert sich der Paritätische auch zum Vorhaben, die Ankündigung der Abschiebung auszusetzen (§ 59 Abs. 5 und § 60a Abs. 5 AufenthG). Ausgenommen von dieser Regelung sind zukünfitg nur noch Familien mit Kindern bis 12 Jahren, wenn deren Abschiebung länger als 1 Jahr ausgesetzt war. Nicht nur ist die Altersgrenze willkürlich gezogen und verstößt somit gegen die UN-Kinderrechtskonvention, die Regelung wird darüber hinaus noch mehr Menschen in Angst und Unsicherheit leben lassen und somit ihrer gesellschaftlichen Teilhabe abträglich sein.

Auch die geplanten Verschärfungen hinsichtlich der Abschiebungshaft und des Ausreisegewahrsams lehnt der Paritätische ab (§ 62 AufenthG-E und § 62a AufenthG-E). Grundsätzlich gilt, dass Haft als gravierendster Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit immer nur ultima ratio sein darf. Im Referententwurf werden hinsichtlich der Verschärfungen der Abschiebungshaft mildere Mittel jedoch gar nicht diskutiert und allein praktische Gründe für die Verschärfungen angeführt. Diese sind somit unverhältnismäßig. Die Verlängerung des Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage betrifft eine Regelung, die bereits zuvor hinsichtlich Art. 15 der Rückführungsrichtlinie höchst problematisch war. Entsprechend ist auch diese Verschärfung abzulehnen.

Schließlich kritisiert der Paritätische auch die Verschärfung und Neueinführung von Straftatbeständen im Aufenthaltsrecht (§ 95 Abs. 1 AufenthG-E, § 85 Abs. 1 und 2 AsylG-E). Nach dem Entwurf sollen sich Personen bereits bei einem einmaligen Verstoß gegen Meldepflichten oder räumliche Beschränkungen strafbar machen, also bspw. wenn sie in der nahegelegenen Stadt Nahrungsmittel aus ihrem Heimatland kaufen oder einen Freund besuchen. Solche Vorstrafen können später dazu führen, dass die Personen die Bleiberechtsregelungen nicht nutzen und somit auf Dauer von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen werden. Zukünftig sollen sich zudem Asylsuchende strafbar machen, wenn sie keine, unrichtige oder unvollständige Angaben im Asylverfahren machen oder Dokumente nicht vorlegen. Auch hier fehlt die Betrachtung milderer Mittel, zudem wird das für eine erfolgreiche Anhörung so wichtige Vertrauensverhältnis durch solche Strafandrohungen stark beeinträchtigt.