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Stellungnahme des Paritätischen zu einem Gesetzesentwurf zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz – PUEG)

Anlässlich der am 10. Mai 2023 erfolgten Anhörung des Gesetzesentwurfes eines Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages, hat der Paritätische eine Stellungnahme abgegeben.

Die Maßnahmen zur Unterstützung und Entlastung sind nicht ausreichend. Der Paritätische hebt als besonders besorgniserregend hervor, dass mit diesem Gesetzentwurf erneut keine dringend notwendige Strukturreform der sozialen Pflegeversicherung, vor allem in Bezug auf die Finanzierung von Pflege, erfolgt. Um die soziale Pflegeversicherung langfristig auf eine tragfähige Basis zu stellen, ist eine ernsthafte Debatte über die zukünftige Finanzierung der Pflegeversicherung zwingend notwendig. Der Paritätische spricht sich für den Ausbau der Pflegeversicherung zu einer Pflegevollversicherung aus.

Zu dem überwiegenden Teil der Einzelregelungen haben die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zusammengeschlossenen Verbände eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet, die hier als Anlage beiliegt. In der einzelverbandlichen Stellungnahme bezieht sich der Paritätische speziell auf die Themen „Refinanzierung der Eigenanteile bzw. Einführung einer Pflegevollversicherung“ und auf das Thema „Leiharbeit“.

Der Paritätische konstatiert, dass endlich eine komplette Lösung und ein langfristiger Plan (Gesamtplan) entwickelt und umgesetzt werden muss. Finanzierung und Eigenanteile sind die Schlüsselthemen. Andernfalls werden die Nöte und die "Furcht" pflegebedürftiger Menschen vor Unterversorgung, hohen Eigenanteilen oder Armut nicht richtig aufgegriffen. Weitere Zuschüsse, Dynamisierung von Leistungen usw. setzen Stückwerk fort und werden nicht ausreichend sein, um das Problem zu lösen. Daher spricht der Paritätische sich schon seit längerem für eine Pflegevollversicherung aus. Wenn keine hinreichende Lösung zur Finanzierung der pflegebedingten Ei-genanteile herbeigeführt wird, wird die Umsetzung der kostenintensiven Themen (Löhne, Arbeitsbedingungen, mehr Personal) für alle in große Schwierigkeiten gera-ten, Pflegearmut und Sozialhilfeabhängigkeit weiter ansteigen und insbesondere die Unterversorgung im ambulanten Bereich eklatante Ausmaße annehmen.

Für Pflegebedürftige, die bis zu zwölf Monate im Pflegeheim versorgt werden, fallen ab Mitte 2023 im Durchschnitt 2658 € aus eigener Tasche an. Diese Kosten setzen sich zusammen aus Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten einerseits und Pflege- und Ausbildungskosten andererseits. Das Einkommen reicht oft nicht, um die eigene Pflege zu finanzieren. So lag laut Alterssicherungsbericht der Bundesregierung 2020 das durchschnittliche Einkommen von alleinlebenden Rentner*innen bei etwa 1700 € und damit deutlich unter den durchschnittlich anfallenden Eigenanteilen für einen Heimplatz. Bei Ehepaaren waren es 2.900 €. Nach Abzug der pflegebedingten Kosten verbleiben Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten – in nennenswerter Höhe, weswegen der Paritätische die Auffassung vertritt, dass eine Bezuschussung, Begrenzung oder Reduktion des Eigenanteils, (bspw. durch die Herausnahme der Behandlungspflegekosten oder der Ausbildungskosten) oder durch eine Deckelung auf einen Sockelbetrag nicht mehr ausreichend ist. Im Durchschnitt müsste ein(e) Pflegeheimbewohner*in unabhängig von der Verweildauer immer noch 1413 € Eigenanteil aufbringen, wenn die reinen Pflegekosten vollständig übernommen würden, was unterhalb der durchschnittlichen Einkommen läge.

Die Zunahme der Leiharbeit in der Alten- und Langzeitpflege geht zu Lasten Pflege-bedürftiger, der Pflegekräfte und der Pflegeeinrichtungen. Sie konterkariert die bishe-rigen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation in der Pflege und belastet das oh-nehin bedrängte System weiter: Für die Stammbelegschaft bedeutet die Zunahme von Leiharbeit die Übernahme zusätzlicher Aufgaben, die benötigte Einarbeitung von Leiharbeitspersonal und die Übernahme von Wochenend- und Nachtdiensten. Dies bringt Betriebsfrieden und -abläufe dauerhaft in Gefahr. Der Gesetzentwurf sieht drei Stellschrauben zur Bekämpfung der Leiharbeit vor:

  1. Verbot der Refinanzierung der Leiharbeit durch die Pflegeeinrichtungen (§ 82c Absatz 2b SGB XI),
  2. Verankerung von Personalpools und vergleichbaren betrieblichen Ausfallkonzepten zur Vermeidung des Einsatzes von Fremdpersonal (§ 75 Absatz 3 und 113c SGB XI),
  3. Regelung der höheren Bezahlung von Personalpools und Beschäftigten auf der Grundlage betrieblicher Ausfallkonzepte zum Erhalt der vertraglich vereinbarten Personalausstattung bei kurzfristigen Personalausfällen oder vorübergehend nicht besetzten Stellen (sachlicher Grund).

Ein generelles Verbot der Refinanzierung würde derzeit zur Stilllegung von weiteren Pflegeplätzen führen. Statt dem Verbot der Refinanzierung höherer Kosten durch Leiharbeit, was das Problem nur auf die Einrichtungsträger verlagert, sollten mehrere Lösungsansätze verfolgt werden, die eine Kombination aus Begrenzung und Sicher-stellung der Refinanzierung fokussieren. Regelungen zur Bildung von Personalpools und Etablierung anderer Konzepte gehen in die richtige Richtung, diese müssen allerdings trägerübergreifend möglich sein und die Refinanzierung (auch von Zusatzleistungen für diese Mitarbeitenden) muss als sachlicher Grund abschließend gesichert werden.

Aus der Stellungnahme des Paritätischen gehen mehrere Lösungsvorschläge hervor, dies sich auch auf die Überprüfung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetz beziehen. Für das SGB XI werden konkrete Forderungen erhoben, allerdings können jedwede Maßnahmen nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen andere Bereiche wie den Krankenhaussektor, Reha, und Eingliederungshilfe einbeziehen.

Siehe auch Fachinfo des Paritätischen zum Kabinettsentwurf vom 05. April 2023.