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Hilft eine Kindergrundsicherung? Gutachten veröffentlicht

Ob und ggf. was für eine Kindergrundsicherung in dieser Legislaturperiode eingeführt wird, ist derzeit unklar. Der politische Entscheidungsprozess stockt. Verhandlungen zwischen den Regierungsfraktionen im Bundestag werden öffentlich zur Zeit nicht kommuniziert. Dann steht auch noch eine notwendige Zustimmung des Bundesrats aus. In dieser Phase sind nunmehr einschlägige Gutachten erschienen, einmal zu den Effekten einer Kindergrundsicherung (Böckler-Stiftung) und einmal zu den Einstellungen von Kindern und Jugendlichen zu Kinderarmut (DJI).

Auch wenn der politische Entscheidungsprozess stockt: es gibt einen von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzesentwurf, der aktuell hochgradig strittig verhandelt wird. Der Paritätische und das Bündnis Kindergrundsicherung haben ebenso wie zahlreiche weitere Akteure ihre Stellungnahmen veröffentlicht und Verbesserungen eingefordert. Kritisiert wurde u. a., dass die Reformideen in zentralen Teilen lediglich eine Verwaltungsreform darstellen und auf Leistungsverbesserungen weitgehend verzichtet wird.

Bezogen auf die Regelungen des Gesetzesentwurfs gab es bereits eine erste Simulation der Effekte dieser Reform. Im Auftrag des BMAS hatten Ende des vergangenen Jahres Wissenschaftler*innen vom ifo Institut und vom ZEW Mannheim unter der Überschrift "Zur Reform der Transferentzugsraten und Verbesserung der Erwerbsanreize" auch finanzielle Auswirkungen der Kindergrundsicherung nach dieser Gesetzentwurf auf die Haushaltseinkommen der Familien analysiert (BMAS 2023, S. 49ff.). Trotz fehlender Verbesserungen der Leistungen im Vergleich zum Status quo kamen die Berechnungen zu dem Schluss, dass insbesondere Alleinerziehenden-Haushalte von einer derartigen Reform finanziell profitieren könnten. Dies liege insbesondere an veränderten Regelungen zur Anrechnung von Unterhaltsleistungen in dem Gesetzentwurf. 

Im Auftrag der Böckler Stiftung haben nunmehr die beiden Wirtschaftswissenschaftler Tom Krebs und Martin Scheffel die Effekte der vorgeschlagenen Reform analysiert. Ein zentrales Ergebnis: wenn die berechtigten Kinder und Jugendlichen die ihnen zustehenden Leistungen in Anspruch nehmen, verbessert sich die finanzielle Situation der Haushalte und die Kinderarmut sinkt auch relativ schnell um etwa zwei Prozentpunkte. Weitere Ergebnisse der Simulationsrechnung: die Aussichten auf bessere Bildungsabschlüsse und damit auch auf höhere Einkommen in späteren Leben steigen ebenfalls. Nach ihren Ergebnissen würde nicht nur Kinderarmut reduziert, sondern es ergäben sich mittel- bis langfristig auch positive ökonomische und fiskalische Effekte. Eine Zusammenfassung zentraler Befunde und ein link zu der Expertise finden sich anbei.

Eine Anforderung an die Erarbeitung einer Kindergrundsicherung war, dass die Kinder und Jugendlichen selber auch beteiligt werden; schließlich sind sie die Experten ihres eigenen Lebens. Um diesen Impuls aufzugreifen, wurde das Deutsche Jugendinstitut mit einer Studie zur Erhebung der subjektiven Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen beauftragt. Die Ergebnisse dieser Erhebung wurden nunmehr auch vorgelegt. Die Autor*innen betonen in ihren Schlussfolgerungen, dass es sinnvoll ist über direkte Gespräche Kinderarmut zu kontextualisieren. Kinder und Jugendliche vermeiden aus Gründen des Selbstschutzes vielfach die Selbstbeschreibung als arm, Armut werde vielmehr als "Normalität" erlebt und vor allem in Gestalt von teilweise gravierenden Armutsfolgen berichtet (Mangel und Verzicht mit der Gefahr von sozialer Exklusion). Wenig überraschend ist, dass finanzielle Unterstützungssysteme den Kindern nicht bekannt sind und hier die Eltern in der Verantwortung gesehen werden.