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Weitere Verschärfungen des EU-Asylrechts drohen: Nein zur "Instrumentalisierungsverordnung"!

Von der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt drohen auf EU-Ebene mit den derzeit laufenden Verhandlungen zur sogenannten Instrumentalisierungsverordnung noch weitere massive Verschärfungen des Asylrechts. Gemeinsam mit 55 Organisationen fordert der Paritätische Gesamtverband die Bundesregierung auf, bei den anstehenden Verhandlungen klare rote Linien zu ziehen und bei ihrem ursprünglichen „Nein“ zur Instrumentalisierungsverordnung zu bleiben.

Weitere Verschärfungen

Erst kürzlich haben die EU-Innenminister*innen unter breitem Protest der Zivilgesellschaft weitreichende Verschärfungen des Asylrechts beschlossen. Darunter fielen verpflichtende Grenzverfahren, die absehbar zu haftähnlichen Zuständen an den EU-Außengrenzen führen werden, die Ausweitung des Konzepts sogenannter „sicherer Drittstaaten“, die ein Umgehen der Genfer Flüchtlingskonvention erlaubt, und ein ineffektiver Solidaritätsmechanismus, der es einzelnen Mitgliedsstaaten ermöglicht, sich von der Verantwortung für Schutzsuchende freizukaufen.

Allerdings werden nun mit den Verhandlungen zur „Verordnung für Ausnahmen im Falle von Krisen, Instrumentalisierung und höherer Gewalt“ (Stand 23. Juni 2023) noch weitaus stärkere Verschärfungen diskutiert. Der Entwurf der Verordnung sieht vor, europäische Vorschriften für Asylverfahren sowie für die Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden weit unter jedes erträgliche Minimum abzusenken. Im Falle einer Instrumentalisierung würde eine Regelung im Schengener Grenzkodex durch die Schließung von Grenzübergängen es nahezu unmöglich machen, an den Außengrenzen einen Asylantrag zu stellen. Für Geflüchtete erhöht sich somit die Gefahr, statt Schutz zu finden, illegal und oft gewaltsam zurückgeschoben zu werden. Wer es doch schafft, einen Asylantrag zu stellen, kann bis zu fünf Monate inhaftiert werden. Dies betrifft auch traumatisierte Personen, Menschen mit Behinderung, Familien und allein fliehende Kinder.

Recht einhalten, nicht verbiegen

Seit Jahren verüben Mitgliedsstaaten der Europäischen Union an den Außengrenzen der EU – unter anderem mittels Notstandsmaßnahmen – schwerwiegendste Menschenrechtsverletzungen. Statt frierenden Menschen in den Urwäldern an der Grenze zu Belarus medizinisch zu helfen und ihr Asylverfahren einzuleiten, prügeln polnische Grenzschützer sie über die Grenze zurück. Statt Menschen aus Seenot zu retten, drängt die griechische Küstenwache schutzsuchende Menschen auf der Ägäis Richtung Türkei.

Der vermeintliche Ausnahmezustand wird dazu genutzt, Schutzsuchenden den Zugang zu humanitärer Hilfe zu verwehren und die Öffentlichkeit auszuschließen, so dass die alltägliche Gewalt an den Außengrenzen weitgehend unsichtbar bleibt. Die Instrumentalisierungsverordnung droht diesen bestehenden Ausnahmezustand nun rechtlich zu zementieren. Das ist nicht hinnehmbar. Anstatt menschen- und völkerrechtswidrige Praktiken zu legalisieren, sollte geltendes europäisches Recht angewandt und durchgesetzt werden.

Die Bundesregierung muss standhaft bleiben

In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung noch versprochen, „die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen (zu) beenden“. Auch hatte sie sich in ihrem Prioritätenpapier bezüglich der Verhandlungen auf EU-Ebene klar gegen die Aufnahme der nun diskutierten Verschärfungen ausgesprochen. Die derzeit verhandelte Verordnung wäre ein weiterer Schritt hin zu einem Europa, in dem grundlegende Werte wie Menschenwürde und Flüchtlingsschutz nicht zählen.

Die Bundesregierung kann jetzt noch im Rat entscheidenden Einfluss nehmen. Gemeinsam mit einer Vielzahl von Organisationen fordert der Paritätische Gesamtverband daher mit Nachdruck, dass die Bundesregierung diesmal standhaft und bei ihrem „Nein“ zur Instrumentalisierungsverordnung bleiben muss. In Zeiten zunehmender Feindseligkeit und Gewalt gegenüber Geflüchteten bestehen historische Erfolge nicht im Abbau, sondern der Verteidigung des internationalen Flüchtlingsschutzes.