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Gerichtsbeschluss: Jobcenter muss erwerbs- und obdachlosem EU-Bürger Leistungen erbringen

Das Sozialgericht Düsseldorf hat das Jobcenter Wuppertal in einem Eilverfahren dazu verpflichtet, einem obdachlosen und nicht erwerbstätigen Unionsbürger vorläufig SGB-II-Leistungen zu erbringen.

Das Sozialgericht Düsseldorf hat mit Datum vom 14. April 2020 das Jobcenter Wuppertal zur Übernahme von SGB II – Leistungen für einen obdachlosen EU-Bürger verurteilt (SG Düsseldorf, Beschluss vom 14. April 2020, S 25 AS 1118/20 ER).

Begründet wurde der Beschluss unter anderem auch mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie:

„Es ist für das Gericht gerade in der derzeitigen Extremsituation aufgrund der Pandemiesituation völlig unverständlich, wie die Antragsgegnerin (das Jobcenter) hier Leistungen verweigern kann. Ein ausländischer Obdachloser, der wegen geschlossener Grenzen in Europa derzeit auch nicht in sein Heimatland zurückreisen kann, um ggf. dort Sozialleistungen zu beantragen, ist nach Auffassung des Gerichts nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch hier von deutschen Behörden ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewähren, das sein Überleben in dieser Zeit sichert, zumal aufgrund der Einschränkungen des öffentlichen Lebens es derzeit für Obdachlose mehr als schwierig sein dürfte, auf der Straße Leistungen ggf. zu erbetteln.“

Zuvor hatte das Gericht darauf hingewiesen, dass bei dem Antragsteller möglicherweise auch ein Daueraufenthaltsrecht vorliegen könnte, aufgrund der Rentenversicherungszeiten ab 1994 und einer AOK-Mitgliedschaft seit 2011. Außerdem weist das Gericht ausdrücklich darauf hin, dass möglicherweise Ansprüche nach dem SGB XII bestehen könnten und das Jobcenter als zuerst angegangener Träger daher in Vorleistung gehen müsse (§ 43 SGB I, § 41a SGB II; auf diese grundsätzliche Vorleistungspflicht weist auch die Bundesagentur für Arbeit in ihrer aktuellen Weisung zum Sozialschutzpaket aufgrund der Corona-Krise hin (Weisungen zum Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 sowie ergänzende Regelungen; Loseblattsammlung ; BA Zentrale GR 1; Stand: 01.04.2020; S. 22).

Der Beschluss hat bundesweite Bedeutung, denn damit wurden erstmalig in dieser Klarheit vom SGB II- Leistungsanspruch ausgeschlossenen EU-Bürgern angesichts der Krise ein Existenzsicherungsanspruch zuerkannt.

Praktisch zeigt die Entscheidung, dass gerade in der zeit der Corona-Krise bei Leistungsverweigerungen durch Jobcenter bzw. Sozialämter nach SGB II oder XII aufgrund von ausländerrechtlichen Ausschlüssen die Sozialgerichte per Eilverfahren angerufen werden sollten. Es kann nicht sein, dass Menschen in Deutschland ohne Sicherung ihres Existenzminimums leben. Zumindest Überbrückungsleistungen gem. § 23 Abs. 3 S. 3ff SGB XII müssen erbracht werden. Wenn das Jobcenter die zuerst angegangene Sozialbehörde war, muss es diese in Vorleistung erbringen.

In der Folge des SGB II – Anspruchs besteht auch ein Anspruch auf vollständige medizinische Versorgung.

Über den Fall berichtet auch Spiegel-online:https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/coronakrise-jobcenter-muss-obdachlosem-eu-buerger-hartz-iv-zahlen-a-7a7e8808-4a13-4607-a0b1-5b7c4e5afee6