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Schwerpunkt

Wohnen

Wohnhäuser von oben
Mika Baumeister/Unsplash
Wohnen ist ein existenzielles Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Doch in städtischen und ländlichen Regionen mangelt es zunehmend an bezahlbarem und vor allem würdigem Wohnraum. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Paritätische Gesamtverband für eine soziale Wohnungspolitik ein. Es ist die Aufgabe dieser Politik, allen Menschen einen ihren individuellen Bedürfnissen angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Mietpreisbremse

Zur Dämpfung des Mietanstiegs in Regionen mit angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung beschloss der Bundestag im März 2015 mit den Stimmen der Regierungsfraktionen SPD und CDU/CSU das Mietrechtsnovellierungsgesetz (MietNovG, Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung), welches am 01. Juni 2015 in Kraft trat. Ziel des Gesetzes ist es u.a. den starken Anstieg der Mieten bei Wiedervermietung von Bestandswohnungen insbesondere in prosperierenden Groß- und Universitätsstädten zu regulieren, welcher zu Lasten von Menschen niedriger und mittlerer Einkommen geht, die kaum einen ihren Bedürfnissen angemessenen Wohnraum finden und an Stadtränder verdrängt werden. Zu diesem Zweck wird die Höhe der Miete bei der Wiedervermietung auf angespannten Wohnungsmärkten auf maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzt (sog. "Mietpreisbremse"). Dabei gilt diese Mietpreisdämpfung nicht bundesweit. Vielmehr werden die Landesregierungen zur Umsetzung der Mietpreisregulierung ermächtigt, in dem sie bis zum 31. Dezember 2020 durch Rechtsverordnung für maximal fünf Jahre Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten festlegen können. Das Gesetz legt hierzu vier Indikatoren fest, die jedoch nicht abschließend sind. Weiterhin sieht die Änderung im Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung (Bestellerprinzip) vor, dass derjenige der den Makler beauftragt hat, die Maklercourtage trägt. Die Möglichkeit des Vermieters die Kosten des von ihm beauftragten Maklers auf den Mieter zu übertragen, wird unterbunden.

Generell gilt die im Mietrechtsnovellierungsgesetz als zulässig geregelte Miete nur für Bestandswohnungen, die bereits vor dem 01. Oktober 2014 genutzt oder vermietet wurden. Neubauten bzw. Wohnungen, die nach 01. Oktober 2014 erstmals genutzt bzw. vermietet werden, fallen grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Mietrechtsrechtsnovellierungsgesetzes. Einem im vorherigen Mietverhältnis vereinbarten Mietzins kommt bei einer Wiedervermietung Bestandsschutz zu, auch wenn diese oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete plus 10 Prozent liegt. Demnach wird der Vermieter nicht verpflichtet, die Wohnung unterhalb der Mietpreisbremse anzubieten. Eine weitere Ausnahme von der geregelten Mietdämpfung bildet die erste Vermietung "umfassend" modernisierter Wohnungen. Als "umfassend" gilt die Modernisierung, wenn deren Kosten einem Drittel eines vergleichbaren Neubaus entsprechen. Nimmt der Vermieter eine nicht umfassende Modernisierung drei Jahre vor Beginn eines weiteren Mietverhältnisses vor und hat er diese nicht oder noch nicht in vollem Umfang in der Vormiete geltend gemacht, kann der Vermieter die ortsübliche Vergleichsmiete plus 10 Prozent zuzüglich einer Modernisierungsumlage verlangen. Diese rechtfertigt eine Steigerung der Jahresmiete um 11 Prozent der Investitionskosten. Weiterhin gilt die Mietpreisregulierung nicht für möblierte Untermietzimmer innerhalb der Wohnung des Vermieters, Wohnheime und für nur vorübergehend zur Verfügung gestellten Wohnraum.
Um die Rechtmäßigkeit der geforderten Miete und damit die Einhaltung der nach den gesetzlichen Vorgaben zulässigen Miethöhe zu prüfen, fordert der Gesetzgeber ein initiatives Tätigwerden des Mieters. Um Beanstandungen aus Mietzahlungen geltend zu machen, muss der Mieter den Vermieter zunächst qualifiziert rügen. Erst zu dem Zeitpunkt der Rüge hat der Mieter einen Anspruch auf Rückzahlung des unrechtmäßig gezahlten Mietzinses. Eine Rückwirkung der Mietpreisbremse ist ausgeschlossen. Zur Erteilung der Rüge ist der Mieter verpflichtet, selbstständig die ihm zugänglichen Tatsachen zu ermitteln, die die Beanstandung der vereinbarten Miethöhe begründen. Dies meint insbesondere die Prüfung der zulässigen Miete bzw. der ortsüblichen Vergleichsmiete plus 10 Prozent durch den örtlichen Mietspiegel. Insbesondere für die Mieter in Gemeinden ohne qualifizierten Mietspiegel bzw. zumindest einfachen Mietspiegel gestaltet sich dies als schwierig. Für weitere preisbildende Faktoren, die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete maßgeblich sind, steht dem Mieter gegenüber dem Vermieter ein Auskunftsanspruch bezüglich von Faktoren wie Baualtersklasse des Gebäudes, Höhe der Vormiete oder Kosten der Modernisierungsmaßnahmen zu.

Der Paritätische Gesamtverband begrüßt die Einführung einer Mietpreisbremse zur Begrenzung des Mietanstiegs bei Wiedervermietung von Bestandswohnungen sowie die Einführung des Bestellerprinzips. Dennoch weist das Mietrechtsnovellierungsgesetz erhebliche Regulierungslücken auf, die einer effektiven Eindämmung von rasanten Mietpreissteigerungen insbesondere in den Groß-, Universitätsstädten und Ballungsgebieten entgegenstehen. Untersuchungen zur Wirksamkeit der Mietpreisbremse ergeben, dass 58 Prozent der Wohnungsangebote in Berlin die nach der Mietpreisbremse zulässige Höchstmiete überschreiten. In den Städten Hamburg und Stuttgart entsprechen 36 Prozent bzw. 19 Prozent nicht der gesetzlichen Regelung. In den Ballungsgebieten, die infolge einer hohen Nachfrage nach Wohnraum bei einem gleichzeitigen geringen Angebot erhebliche Mietpreissteigerungen aufweisen, ist es Menschen in besonderen Lebenslagen und zunehmend Menschen mittlerer Einkommen nahezu unmöglich bezahlbaren Wohnraum anzumieten. Dieser Mangel an bezahlbarem Wohnraum führt zu einer zunehmenden Verdrängung von Menschen unterer und mittlerer Einkommensgruppen an Stadtränder und wenig attraktive Stadtbezirke sowie zu einer sozialen Segregation in den Städten. Die fehlende Chancengleichheit auf dem Wohnungsmarkt, die bis in die Mitte der Gesellschaft reicht, gefährdet den sozialen Frieden und Zusammenhalt. Vor diesem Hintergrund müssen Maßnahmen in dem Bereich des Wohnens auf eine soziale Wohnungspolitik ausgerichtet sein, die allen Menschen einen ihren individuellen Bedürfnissen angemessenen Wohnraum zur Verfügung stellt. Die Mietpreisbremse löst das Problem der Wohnraumknappheit insbesondere in Ballungsgebieten und des Mangels an bezahlbarem Neubau nicht. Dennoch kann sie bei konsequenter Ausgestaltung im Sinne einer sozial orientierten Wohnungspolitik ein geeignetes Instrument darstellen, um den Anstieg von Mieten einzudämmen.

Um die Einhaltung der Mietpreisbremse zu garantieren, muss der Vermieter zu mehr Transparenz verpflichtet werden. Da der Vermieter bei Beginn des Mietverhältnisses nicht verpflichtet ist Angaben zum Vorliegen von Ausnahmetatbeständen von der Mietpreisbremse vorzunehmen, hat der Mieter gegenwärtig häufig keine Kenntnis über einen möglichen Verstoß gegen die zulässige Höchstmiete. Um die Mieten transparenter zu gestalten, muss der Vermieter bei Vertragsabschluss verpflichtet werden Angaben zur Zusammensetzung der Miete vorzunehmen, etwa zur Vormiete und den Modernisierungskosten. Bei der Überschreitung der zulässigen Höchstmiete muss der Vermieter zur Rückzahlung der unzulässigen Mehrbelastung bereits ab Beginn des Mietverhältnisses verpflichtet werden.

Für eine wirksame Mietpreisbegrenzung sind alle Ausnahmetatbestände, die ein Überschreiten der Höchstgrenze von der ortsüblichen Vergleichsmiete plus 10 Prozent als zulässig erklären, abzuschaffen. Insbesondere der Bestandsschutz der Vormiete verwehrt einkommensschwächeren Haushalten gleichberechtigte Zugangschancen zum Wohnungsmarkt. Die fehlende Berücksichtigung von (umfassend) modernisierten Wohnungen führt für die betroffenen Mieterhaushalte zu einer erheblichen Mietpreissteigerung und begünstigt auf diese Weise die Verdrängung zahlungsschwacher Haushalte aus ihren angestammten Mietwohnungen. Insbesondere für Menschen in besonderen Lebenslagen, die oftmals ein nur geringes Einkommen aufweisen, birgt die fehlende Berücksichtigung von modernisierten Wohnungen bei der Begrenzung der Mietsteigerungen auf 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete eine zusätzliche Gefahr der Kündigung. Die Modernisierungen und die damit einhergehende Aufwertung des Wohnraumes werden in der ortsüblichen Vergleichsmiete bereits ausreichend berücksichtigt. Durch die Berücksichtigung modernisierter Wohnungen bei der Limitierung des Mietpreises werden zudem negativen Anreizen des Vermieters, eklatante Mietpreiserhöhungen infolge umfassender Modernisierungen durchzusetzen, entgegengewirkt. Um einen umfassenden Schutz vor Prozessen der sozialen Entmischung der Städte zu gewährleisten, müssen Neubauten und Wohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals gemietet wurden, unter die Begrenzung der Miethöhe auf 10 Prozent über dem ortsüblichen Mietenniveau fallen. Um die Limitierung des Mietpreises in allen Gebieten zur Geltung zu bringen, in denen eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum gegenwärtig und künftig gefährdet ist, muss der Mietpreisbremse eine bundesweit flächendeckende Geltung zukommen. Die gegenwärtige Befristung der Mietpreisbremse auf eine Gültigkeit von fünf Jahren bis maximal 2020 ist zu reformieren. Dazu müssen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine zeitliche Entfristung der Mietpreisbremse geschaffen werden.

Gegenwärtig schwächt die Notwendigkeit zum Erteilen einer qualifizierten Rüge durch den Mieter gegenüber dem Vermieter die Durchsetzung und Geltung der Mietpreisbremse erheblich. Für den Mieter können hieraus negative Konsequenzen für das subjektive Mietverhältnis resultieren. Um Ansprüche aus unzulässigen Mietüberschreitungen wirksam geltend zu machen, müssen kollektive Mieterrechte (Verbandsklage) geschaffen werden.

Um Steigerungsraten von Mietspiegeln insbesondere in Großstädten einzudämmen und um die Mietspiegel auf eine breitere Basis zu stellen, muss der Referenzrahmen zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete von bisher vier auf zehn Jahre erweitert werden (§ 558 BGB). Anstatt der Neuverträge und Mieterhöhungen der letzten vier Jahre müssen die der letzten zehn Jahre und damit auch ältere Neuvertragsmieten einfließen, die oftmals niedrigere Mietniveaus aufweisen. Zur rechtssicheren Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete bedarf es zudem verbindlicher und einheitlicher Vorgaben.

Um die Beachtung der Mietpreisbegrenzung sicherzustellen und die Verletzung der Mietpreisbremse wirkungsvoller zu ahnden, ist der § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes (WiStrG) zu reformieren. Dazu ist die Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete um mehr als 10 Prozent als Ordnungswidrigkeit zu deklarieren und mit einem Bußgeld zu verhängen. Gegenwärtig stellt die Anwendung des § 5 eine hohe Beweislast an die Mieter. Der Mieter muss darlegen, dass der Vermieter die Mangellage an vergleichbaren Räumen ausnutzte und dass er aufgrund einer mangelnden Alternative auf den Abschluss des Mietvertrags angewiesen war, wobei hier auf das gesamte Stadtgebiet abzustellen ist (BGH, Urteil vom 28.Januar 2004 - VIII ZR190/03 und Urteil vom 13. April 2005 - VIII ZR 44/04). In der Praxis macht diese eine Anwendung des § 5 WiStrG faktisch unmöglich. Um diesen § 5 WiStrG zu einem effektiven Sanktionsinstrument auszugestalten, müssen die Tatbestandsmerkmale "infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen" gestrichen werden.