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Schwerpunkt

Forum der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen (FdM)

Stühle
Al Nik/Unsplash
Eine Reihe paritätische Migrantenorganisationen setzte sich 2007 zusammen um ein Plattform zu schaffen um die Interessen dieser Organisationen zu stärken und zu repräsentieren. Das sogenannte Forum der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen (FdM), ein Forum für über 200 Organisationen bundesweit wurde geboren.

Seit 2007, hat sich das Forum der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen unter anderem für die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Arbeit der Migrantenorganisationen engagiert. Zwei Ziele stehen in Vordergrund, zu einem geht es um die Professionalisierung der Arbeit der Organisationen und zum zweiten um ihre Förderung jenseits von projektgebundene Aktivitäten.

Zum ersten Ziel: Seit 2009 bietet der Paritätische Gesamtverband Qualifizierungsmaßnahmen für Migrantenorganisationen. Drei Ziele stehen im Vordergrund: die Verbesserung der Angebote von Migrantenorganisationen, die Unterstützung beim Aufbau interner Strukturen in den Organisationen und die Stärkung der politischen Partizipation.

Zum zweiten: Auf Initiative des Forums der Migrantinnen und Migrantinnen im Paritätischen wurde unter der Kofinanzierung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge das Projekt „Strukturelle Förderung von Migrantenorganisationen“ von 2010 bis 2011 eingerichtet. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern von acht bundesweit tätigen Migrantenorganisationen, erarbeitete – gemeinsam mit den zuständigen Ministerien und anderen Akteuren der Integrationsarbeit auf Bundes- und Landesebene – Vorschläge für eine strukturelle Förderung von Migrantendachorganisationen. Diese intensive Auseinandersetzung mit der Arbeit und Aufgaben von bundesweit tätigen Migrantenorganisationen hat es ermöglicht, dass wir seit vier Jahren eine erste Phase der Strukturförderung von Migrantenorganisationen gefördert wird.

Sprecher*innen des Forums der Migrant*innen im Paritätischen

1. Deniz Greschner
Multikulturelles Forum e.V.

2. Mahmut Hamza
PLANB Ruhr e.V.

3. Cornelia Rasulis
Verein der Eltern aus Kurdistan in Deutschland - Yekmal e.V.

4. Vera Sompon
Sompon Socialservices baden-Württemberg e.V.

5. Yan Ugodnikov
Forum Gemeinsam für Integration - GEMI e.V.

 

Forderungen des Forums der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen

Die Förderung von unabhängigen Strukturen für die Beratung und Begleitung von Betroffenen rassistischer Diskriminierung muss flächendeckend ausgebaut werden.

Betroffene von rassistischer Diskriminierung führen immer wieder an, dass sie unabhängige Stellen brauchen, an die sie sich vertrauensvoll wenden können. 

Diese Stellen können Betroffene unterstützend zur Seite stehen und eine wichtige Verweisfunktion übernehmen. Ohne eine Beratung ist es für viele rassistisch diskriminierte Menschen schwierig, ihre Rechte wahrzunehmen. Bislang fehlt es auf Bundesebene an zuverlässigen und ausreichenden Förderstrukturen zum Auf- und Ausbau notwendiger Beratungsstrukturen.  

Insbesondere im Hinblick auf Neuzugewanderte müssen Beratungsangebote auch in der Erstsprache der Betroffenen verfügbar sein. Beratung kann offen und vertrauensvoll wirken, wenn die Diversität der Ratsuchenden sich im Angebot widerspiegelt. Da insbesondere Migrant*innenorganisationen eine wichtige niederschwellige Anlaufstelle für Betroffene von rassistischer Diskriminierung darstellen, sollen sie beim Ausbau dieser Strukturen angemessen berücksichtigt werden. Hierzu sollte das Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ weiterentwickelt, auf Dauer angelegt und finanziell ausgeweitet werden, wobei ein Empowermentansatz für die Ratsuchenden mitgedacht werden sollte. 

Bekämpfung von LGBTQI-Feindlichkeit

Migrant*innen und als Migrant*innen gelesene Menschen aus der LGBTQI-Communities (Lesbian, Gay, Bisexual, Trans*, Queer, Inter*) sind unterschiedlichen Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung ausgesetzt. Wir fordern die Finanzierung von Projekten für die Aufklärung zu den Themen sexuelle Orientierung und geschlechtlicher Identität in allen Bereichen der Gesellschaft. Darüber hinaus sehen wir es als notwendig, dass Hassverbrechen gegen Menschen aus der LGBTQI-Communities zentral dokumentiert werden, als auch, dass funktionierende und dauerhaft finanzierte Strukturen für die Beratung und das Empowerment dieser Menschen installiert werden, hierzu sollen Migrant*innenorganisationen als Träger bevorzugt werden.

Gleichberechtigte Chancen am Arbeitsmarkt für Migrant*innen schaffen

Erwerbsarbeit hat große Bedeutung für die gleichberechtigte Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen. Wir fordern Vorgaben und Strukturen, die zur Überwindung der vorhandenen Benachteiligungen von Einwander*innen und ihren Nachkommen sowie Geflüchteten und anderen migrantisch gelesenen Menschen auf allen Ebenen des Arbeitslebens – vom Zugang zum Arbeitsmarkt bis zur Arbeitsförderung, von der Bewerberauswahl bis hin zur Besetzung von Führungsposten – beitragen.

Um Zugangsbarrieren zum Arbeitsmarkt oder Hürden beim Zugang zur Betreuung und Arbeitsförderung abzubauen, fordern wir, dass die Beseitigung von migrationsbedingten Vermittlungshemmnissen in den Katalog grundlegender Ziele des SGB II und III aufgenommen wird. Berufs- und ausbildungsbegleitende Angebote zur Sprachförderung müssen bedarfsdeckend zur Verfügung stehen und als Regelleistungen im SGB II und III verankert werden. Asylsuchende sollten zukünftig unabhängig von ihrer Unterbringung und angenommenen Bleibeperspektive spätestens nach 3 Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Die Vorrangprüfung hat sich als bürokratisch erwiesen und soll deshalb zukünftig vollständig entfallen. Alle Asylsuchende und Geduldete sollten außerdem so schnell wie möglich und umfassend Zugang zur Arbeits- und Ausbildungsförderung erhalten. Die Beratungsinfrastruktur insbesondere für Geflüchtete sollte flächendeckend aufgebaut und an professionelle Bildungseinrichtungen von Migrant*innenorganisationen angebunden werden. Auch sollten Bundesprogramme zur Beschäftigungsförderung stets eine Vernetzung aller Arbeitsmarktakteure einschließlich der Migrant*innenorganisationen aber auch der Unternehmen im Fokus haben.

Damit sich die kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft in allen Branchen, Positionen und Hierarchieebenen des Arbeitslebens widerspiegelt und dadurch Chancengerechtigkeit und Repräsentanz erzielt werden, fordern wir die Etablierung von selbstreflexiven Mechanismen in Unternehmen, durch die ein Diversitätsmonitoring und eine kontinuierliche Diskriminierungsprävention erzielt werden könnte.

Anspruch auf Sprachmittlung schaffen

Sprachliche Verständigung ist eine Grundvoraussetzung für den Zugang zu bestimmten sozialen Leistungen und somit für gesellschaftliche Teilhabe. Für viele in Deutschland lebende Eingewanderte stellen jedoch Sprachbarrieren eine Hürde bei der Wahrnehmung ihrer sozialen Rechte dar. In der im Sommer 2020 in den Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege durchgeführten Umfrage berichteten 42 Prozent der Befragten von Fällen, bei denen die Entgegennahme von SGB II- Anträgen von Jobcenter mit Hinweis auf fehlende Deutschkenntnisse verweigert wurde. Fallbeispiele paritätischer Mitgliedsorganisationen verdeutlichen zudem die fatalen Folgen der fehlenden Sprachmittlung im Rahmen der Gesundheitsversorgung.

Die Sozialgesetzbücher beinhalten keine Regelungen zur sprachlichen Verständigung mit nicht deutschkundigen Leistungsberechtigten. Es bestehen zwar viele lokale Lösungen und Initiativen, oft ehrenamtlich oder finanziert durch Projekte, Kommunen oder Bundesländer. Um die sprachliche Verständigung durch eine adäquate Sprachmittlung flächendeckend zu sichern, ist es notwendig, einen rechtlichen Anspruch auf Sprachmittlung festzuschreiben. Er ist vergleichbar zur Regelung für Personen mit einer Hör- oder Sprechbehinderung im SGB I und SGB X zu regeln. 

Einbürgerungsrecht und Praxis verbessern

Die Möglichkeit, sich an den Wahlen auf Bundes- und Landesebene beteiligen zu dür­fen, ist eine zentrale Voraussetzung, um die Teilhabe aller Menschen in Deutschland zu sichern. Dennoch sind aufgrund der restriktiven Einbürgerungspolitik zahlreiche Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, von den Wahlen ausgeschlossen. Im Jahr 2019 wurden nur 129.000 Personen eingebürgert, das entsprach lediglich 2,5 Prozent des Einbürgerungspotenzials.

Die Gründe für die geringen Einbürgerungszahlen sind vielfältig und liegen sowohl in dem restriktiven Einbürgerungsrecht, unzureichender Beratung und Information, langen Bearbeitungszeiten oder hohen Gebühren. Das Forum fordert daher Änderungen im Einbürgerungsrecht – vor allem die Hinnahme der Mehrstaatigkeit als Regel, Absenkung der Anforderungen an Deutschkenntnisse, Ausweitung der Regelungen zur Einbürgerung bei Geburt in Deutschland, stärkere Anerkennung von Integrationsleistungen, Ausrichtung der Gebühren an den finanziellen Möglichkeiten der Einbürgerungswilligen, Verkürzung der Bearbeitungszeiten durch bessere Ausstattung der Einbürgerungsbehörden, Erweiterung der Informationsmöglichkeiten (Einbürgerungskampagnen) unter Einbeziehung von Migrant*innenorganisationen.

Kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger*innen einführen

Wir fordern die Einführung des Kommunalwahlrechtes für niedergelassene Drittstaatsangehörige. Dieser Personenkreis wird in Deutschland nach wie vor vom kommunalen Wahlrecht ausgeschlossen, und damit schlechter gestellt in der Ausübung von politischen Rechten als EU-Bürger*innen. Das Recht auf direkte politische Beteiligung auf kommunaler Ebene bedeutet demokratische Teilhabe und Mitwirkung bei der Gestaltung des unmittelbaren Lebensraums; niemand kann eine „Integrationsbereitschaft“ von den Menschen fordern ohne gleichzeitig direkte Partizipation zu ermöglichen. 

Abschaffung der Sondererfassung von „Ausländervereine“

Wir fordern die ersatzlose Abschaffung der von uns als diskriminierend empfundenen und überflüssigen gesonderten Erfassung von sogenannten „Ausländervereinen“, die in §14 und §19 Abs. 4 des Vereinsgesetzes (VereinsG) und den dazugehörigen Bestimmungen in §19 und §20 in der Verordnung zur Durchführung des Vereinsgesetzes (VereinsGDV) geregelt ist. In den genannten Paragraphen werden sogenannte „Ausländervereine“ bei ihrer Gründung zur polizeilichen Anmeldung verpflichtet. Darüber hinaus können die Ordnungsbehörden weitere Auskünfte über deren Vorstandmitglieder ggfs. Mitglieder anfordern.

Dass Vereine und Gruppierungen, die sich gegen die demokratische Rechtsordnung wenden, polizeilich und ordnungsbehördlich behandelt und ggfs. verboten werden, steht für uns außer Frage. Allerdings stellen die oben skizzierten Regelungen eine Bevölkerungsgruppe unter Generalverdacht, sich potenziell politisch gegen die demokratische Rechtsordnung zu stellen, was sachlich nicht zu begründen ist und offensichtlich eine Diskriminierung der Mitglieder der Migrant*innenorganisationen darstellt, die sich tagtäglich ehrenamtlich für das Wohl der Gesellschaft engagieren.