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Arbeitshilfe

Zugänge zur Kinder- und Jugendhilfe für Migrant*innen-Selbstorganisationen

IV. Handlungsmöglichkeiten für Migrant*innenorganisationen

Darum geht es in diesem Kapitel

Was und wer hilft, um sich in die Jugendhilfepolitik vor Ort einzubringen?

Diese Frage lässt natürlich sehr verschiedene Antworten zu – je nachdem was das Anliegen ist, ob es sehr konkret (z.B. Förderung einer bestimmten Veranstaltung) oder eher grundsätzlich (z.B. Beteiligung der Organisation an der Gestaltung der Infrastruktur der Kinder- und Jugendhilfe) ausgerichtet ist.

Ein Einflussfaktor sind natürlich die Politiker*innen – insbesondere diejenigen, die im Jugendhilfeausschuss sitzen.

Auch die Wohlfahrtsverbände und Jugendverbände müssen Vertreter*innen im Jugendhilfeausschuss haben, auf die man mit seinen Anliegen zugehen kann. Für Migrant*innenorganisationen empfiehlt sich hier die Mitgliedschaft im Paritätischen.


Neue Weichenstellungen durch die aktuelle Reform des SGB VIII durch das KJSG für selbstorganisierte Zusammenschlüsse?

Seit Juni 2021 sind „Selbstorganisierte Zusammenschlüsse zur Selbstvertretung“ (§ 4a SGB VIII) an den Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII und im Jugendhilfeausschuss (§ 71 SGB VIII) zu beteiligen.

In der Gesetzesbegründung heißt es dazu: „Zur besseren Wahrnehmung der Subjektstellung von Adressatinnen und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe werden Selbstvertretung und Selbsthilfe deutlich gestärkt und entsprechende Zusammenschlüsse in Entscheidungsprozesse einbezogen.“ Und: „Selbstorganisierte Zusammenschlüsse als fester Bestandteil der freien Jugendhilfe können diese Beteiligung und die diesbezügliche Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe ganz maßgeblich befördern. Die Tätigkeit nicht-staatlicher Organisationen und Initiativen (in Form von selbstorganisierten Zusammenschlüssen) wird vor Ort als besonders wirksam empfunden, insbesondere weil sie unmittelbar auf die Interessen Betroffener reagiert und nicht als von Fremdinteressen beeinflusst wahrgenommen wird.“

Der Gesetzestext hierzu lautet:

§ 4a Selbstorganisierte Zusammenschlüsse zur Selbstvertretung

(1) Selbstorganisierte Zusammenschlüsse nach diesem Buch sind solche, in denen sich nicht in berufsständische Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe eingebundene Personen, insbesondere Leistungsberechtigte und Leistungsempfänger nach diesem Buch sowie ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendhilfe tätige Personen, nicht nur vorübergehend mit dem Ziel zusammenschließen, Adressatinnen und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe zu unterstützen, zu begleiten und zu fördern, sowie Selbsthilfekontaktstellen. Sie umfassen Selbstvertretungen sowohl innerhalb von Einrichtungen und Institutionen als auch im Rahmen gesellschaftlichen Engagements zur Wahrnehmung eigener Interessen sowie die verschiedenen Formen der Selbsthilfe.

(2) Die öffentliche Jugendhilfe arbeitet mit den selbstorganisierten Zusammenschlüssen zusammen, insbesondere zur Lösung von Problemen im Gemeinwesen oder innerhalb von Einrichtungen zur Beteiligung in diese betreffenden Angelegenheiten, und wirkt auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit diesen innerhalb der freien Jugendhilfe hin.

(3) Die öffentliche Jugendhilfe soll die selbstorganisierten Zusammenschlüsse nach Maßgabe dieses Buches anregen und fördern.“

Hier gibt es bisher noch wenig Erfahrungen in der Umsetzung. Aber Migrant*innenorganisationen, die sich für die Belange von jungen Menschen und Familien im Sinne der Kinder- und Jugendhilfe engagieren, gehören auf jeden Fall zu diesen Gruppen und sollten sich diesbezüglich Gehör verschaffen. Wenn sich vor Ort Migrant*innenorganisationen zusammenschließen, werden sie ein größeres politisches Gewicht haben und deutlicher ihre Beteiligung einfordern können.

Sinnvoll kann auch ein orientierendes Gespräch mit den Jugendhilfeplaner*innen (siehe unten) sein, sowohl im Hinblick auf Anregungen zur Ausgestaltung der Infrastruktur wie auch im Hinblick auf Beteiligungsmöglichkeiten.


Welche Möglichkeiten bietet Jugendhilfeplanung?

Die Jugendhilfeplanung ist von ihrer Idee her ein zentrales Instrument zur Gestaltung einer bedarfsgerechten Infrastruktur in jedem Jugendamt. Jedes Jugendamt ist zur Jugendhilfeplanung verpflichtet. Die Aufgabe wird sehr anspruchsvoll in § 79 SGB VIII – Gesamtverantwortung und Grundausstattung“ beschrieben:

„1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben für die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung.

 (2) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen gewährleisten, dass zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch

1.die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen; hierzu zählen insbesondere auch Pfleger, Vormünder und Pflegepersonen;

2. die nach Nummer 1 vorgehaltenen Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen dem nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelten Bedarf entsprechend zusammenwirken und hierfür verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit aufgebaut und weiterentwickelt werden;

3.eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung nach Maßgabe von § 79a erfolgt“

Hierzu hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 80 SGB VIII den Bedarf an Einrichtungen und Diensten unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten zu ermitteln. Die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe sind dabei in allen Phasen der Planung frühzeitig zu beteiligen (Abs. 4). Die Jugendhilfeplanung und andere örtliche und überörtliche Planungen sollen aufeinander abgestimmt werden (Abs. 5).

Jugendhilfeplanung soll also als „kommunikativer Prozess“ gestaltet werden, als ein sozialplanerisches und partizipatorisches Verfahren, mit dem sowohl direkte wie auch repräsentative Formen der Beteiligung individuell wie kollektiv realisiert werden. Das dabei zu Grunde gelegte Verständnis erfordert möglichst breit angelegte Kommunikations- und Beteiligungsvorgänge.

Das hört sich jetzt sehr anspruchsvoll an. Das ist bzw. wäre es auch, wenn in den Jugendämtern die dazu erforderlichen Personal- und Sachressourcen zuverlässig zur Verfügung stünden. Das ist in manchen Jugendämtern der Fall – aber bei weitem nicht in allen. Manchmal ist diese Funktion ausgesprochen schwach ausgestaltet und kann dann natürlich die Aufgaben, die das Bundesgesetz ihr zuerkennt, in keiner Weise erfüllen. Trotzdem lohnt es sich, den/die Jugendhilfeplaner*in im Hinblick auf die Anliegen und Problemwahrnehmungen Ihrer Organisation hin anzusprechen.


Welche Beratungspflichten hat ein (Landes-)Jugendamt?

Beratung ist eine der grundlegenden Leistungen in der Kinder- und Jugendhilfe, die in ganz verschiedenen Aufgaben verankert ist. Sie muss immer in „verständlicher, nachvollziehbarer und wahrnehmbarer Form“ geleistet werden, wie es an mehreren Stellen im SGB VIII heißt. Die meisten Beratungsleistungen beziehen sich natürlich auf Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und Eltern. Aber es gibt auch Beratungsansprüche, die für Organisationen, die sich in der Kinder- und Jugendhilfe engagieren wollen, Bedeutung haben.

  • „Selbstorganisierte Zusammenschlüsse zur Selbstvertretung“ sind nach § 4a SGB VIII solche Organisationen, in denen sich Personen „nicht nur vorübergehend mit dem Ziel zusammenschließen, Adressatinnen und Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe zu unterstützen, zu begleiten und zu fördern“. Mit solchen Organisationen muss die Jugendämter zusammenarbeiten und sie sollen sie anregen und fördern. Das heißt, dass sie Organisationen, die sich dementsprechend engagieren wollen, zunächst einmal beraten muss.
  • Nach § 23 Abs. 4 SGB VIII haben Erziehungsberechtigte und Kindertagespflegepersonen sowie Zusammenschlüsse von Kindertagespflegepersonen einen Anspruch auf Beratung.
  • Nach § 25 SGB VIII sollen Mütter, Väter und andere Erziehungsberechtigte, „die die Förderung von Kindern selbst organisieren wollen“ (Elterninitiativen) beraten und unterstützt werden.
  • Nach § 37 a SGB VIII sollen Zusammenschlüsse von Pflegepersonen beraten, unterstützt und gefördert werden.
  • Nach § 73 SGB VIII sollen ehrenamtlich in der Jugendhilfe tätige Personen bei ihrer Tätigkeit „angeleitet, beraten und unterstützt“ werden.

Die bisher benannten Beratungspflichten gegenüber Organisationen beziehen sich auf die örtliche Ebene. Es gibt aber auch Ansprüche auf Beratung gegenüber den Landesjugendämtern. Diese beziehen sich insbesondere auf Träger von Einrichtungen.

  • Nach § 8 b Abs. 2 SGB VIII hat ein Träger einer Betriebserlaubnispflichtigen Einrichtung gegenüber dem Landesjugendamt einen Beratungsanspruch im Hinblick auf die Entwicklung und Anwendung fachlicher Handlungsleitlinien zum Schutz des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt und hinsichtlich der Entwicklung von Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren in der Einrichtung.
  • Nach § 85 Abs. 2 Nr. 7 SGB VIII gehört es zu den Aufgaben des Landesjugendamtes, Träger von Einrichtungen „während der Planung und Betriebsführung“ zu beraten.

Wenn Beratung in der Kinder- und Jugendhilfe grundsätzlich in einer „für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form“ (§ 10 A Abs. 1 SGB VIII) erfolgen muss. In den ersten Kommentierungen dieser neuen Regelungen wird dabei auch ausdrücklich auf den Einbezug von Dolmetscher*innen und Sprachmittler*innen hingewiesen. Exemplarisch hierzu: „Über die Vorgaben von § 19 SGB X hinaus gehört dazu nach hier vertretener Auffassung auch der Einbezug von Dolmetscher:innen oder hilfsweise Sprachmittler:innen, nicht nur, wenn es um unbegleitete minderjährige Geflüchtete geht.“[1]

 


[1] Eschelbach/Schönecker § 10a SGB VIII Rn. 5 in Frankfurter Kommentar SGB VIII (2022)


Wie wird man an den „Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII“ beteiligt?

Das SGB VIII sieht in § 78 die Bildung von Arbeitsgemeinschaften vor. Welchen thematischen und organisatorischen Zuschnitt diese AGs haben, hat der Bundesgesetzgeber nicht festgelegt – das entscheidet sich auf der kommunalen Ebene – in der Regel durch einen Beschluss des Jugendhilfeausschusses. Der Bundesgesetzgeber bestimmt lediglich, dass in diesen AGs die öffentlichen Träger, die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe und die Träger geförderter Maßnahmen vertreten sein sollen.

Den Zweck dieser Zusammenarbeit bestimmt er so: „In den Arbeitsgemeinschaften soll darauf hingewirkt werden, dass die geplanten Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden, sich gegenseitig ergänzen und in den Lebens- und Wohnberiechen von jungen Menschen und Familien, ihren Bedürfnissen, Wünschen und Interessen entsprechend zusammenwirken.“ Die AGs sind also auch ein Element der Jugendhilfeplanung.

Je nach dem, in welchem Arbeitsfeld eine Organisation tätig ist, sollte sie sich also erkundigen, ob es für dieses Handlungsfeld eine AG gibt, wie sie besetzt ist, wann und wo sie tagt, wie bzw. ob sie ihre Ergebnisse öffentlich macht.

Oder aber nachfragen, warum für dieses Arbeitsfeld z.B. bisher keine AG eingerichtet wurde.

Extra herausgehoben wird in § 78, dass selbstorganisierte Zusammenschlüsse zur Selbstvertretung (nach § 4a SGB VIII) beteiligt werden sollen. Da es diese Bestimmung erst seit dem 10. Juni 2021 gibt, kann es für Migrant*innenorganisationen Sinn machen, sich über diesen Einstieg in die Arbeit von AGs und damit auch in die Jugendhilfeplanung einzubringen.


Was muss man beachten, wenn man eine „Einrichtung“ betreiben will?

Zuallererst muss man wissen, dass man grundsätzlich eine Betriebserlaubnis braucht, wenn man eine Einrichtung, in der Minderjährige ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden (Heime, Wohngruppen, Kindertageseinrichtungen…), betreiben will. Keine Erlaubnis brauchen aber z.B. Jugendfreizeiteinrichtungen und Jugendbildungseinrichtungen (§ 85 Abs. 1 SGB VIII)

Für die Erteilung einer Betriebserlaubnis ist der überörtliche Träger (§ 85 Abs. 2 SGB VIII) - also regelmäßig das Landesjugendamt - zuständig (§ 85 Abs. 2 Nr. 6 SGB VIII), der die Träger von Einrichtungen während der Planung und der Betriebsführung zu beraten hat (§ 85 Abs. 2 Nr. 7 SGB VIII).

Seit Juni 2021 sind im Hinblick auf die Einrichtungen und die Verfahren zur Betriebserlaubnis eine ganze Reihe von Neuerungen eingeführt worden.

Zum einen gibt es jetzt im Gesetz eine Definition, was unter einer Einrichtung im SGB VIII zu verstehen ist (§ 45a SGB VIII). Auch hier haben aber die Länder ausdrücklich Gestaltungsspielräume, die man beachten muss.

Die Grundlagen des Betriebserlaubnisverfahrens sind in § 45 SGB VIII geregelt. Wer eine Einrichtung betreiben will, braucht über diese Sachverhalte Spezialwissen und Beratung! Das lässt sich im Rahmen dieser Arbeitshilfe nicht annähernd erschöpfend darstellen. Hier lassen sich deshalb nur einige Grundbedingungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis darstellen:

  • der Träger muss zuverlässig sein – d.h. insbesondere er darf nicht „nachhaltig“ gegen seine Mitwirkungs- und Meldepflichten verstoßen haben, nicht wiederholt gegen behördliche Auflagen verstoßen haben und nicht Personen entgegen einem Beschäftigungsverbot beschäftigt haben (§ 45 Abs. 2)
  • er muss die fachlichen, räumlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen erfüllen
  • er muss die gesellschaftliche und sprachliche Integration fördern und sich um gesunde Verhältnisse und notwendige medizinische Versorgung kümmern
  • er muss ein Konzept zur Sicherung der Rechte und des Wohls der jungen Menschen und zum Schutz vor Gewalt erarbeitet haben und anwenden
  • er muss Verfahren zur Selbstvertretung und Beteiligung der jungen Menschen vorlegen und
  • Beschwerdemöglichkeiten innerhalb und außerhalb der Einrichtung gewährleisten.

Organisationen, die eine Einrichtung eröffnen wollen, sollten sich zuvor vom Spitzenverband – also z.B. dem PARITÄTISCHEN - und vom Landesjugendamt ausführlich beraten lassen. Ansonsten ist die Gefahr, dass man viel Zeit, mühe und Ressourcen umsonst aufgewendet hat, doch ziemlich groß.


Wann gibt es „Entgelte“ – und wann eine „Förderung“?

Es gibt drei Finanzierungsformen in der Kinder- und Jugendhilfe:

  1. Die Finanzierung durch Entgelte für stationäre und teilstationäre Einrichtungen (§§ 78a – 78g SGB VIII)
  2. Die Finanzierung durch Entgelte für ambulante Leistungen (§ 77 SGB VIII) und
  3. Die „Förderung der freien Jugendhilfe“

Die Finanzierung von Kindertageseinrichtungen ist auf Bundesebene überhaupt nicht geregelt. In § 74a SGB VIII heißt es dazu: „Die Finanzierung von Tageseinrichtungen regelt das Landesrecht.“

Die Regelungen für (teil-)stationäre Einrichtungen (Nr. 1) sind im SGB VIII am weitesten ausbuchstabiert und in den Ländern zumeist durch Rahmenverträge weiter konkretisiert.

Die Regelungen für ambulante Leistungen (Nr. 2) sind demgegenüber viel knapper gefasst, lehnen sich aber an die Regelungen von Nr. 1 an. Das Nähere soll das Landesrecht regeln. Da die aktuelle Fassung von § 77 SGB VIII aber erst seit Juni 2021 in Kraft ist, gibt es derzeit noch keine weiteren Konkretisierungen.

Für Migrant*innenorganisationen dürfte die dritte Finanzierungsform (Nr. 3) die wichtigste sein. Die Förderung eines Trägers ist an eine Reihe von Voraussetzungen gebunden, die in § 74 Abs. 1 SGB VIII benannt sind. Ein Träger soll gefördert werden, wenn er  

„1. die fachlichen Voraussetzungen für die geplante Maßnahme erfüllt und die Beachtung der Grundsätze und Maßstäbe der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung nach § 79a gewährleistet,

2. die Gewähr für eine zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung der Mittel bietet,

3. gemeinnützige Ziele verfolgt,

4. eine angemessene Eigenleistung erbringt und

5. die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet.“

Diese Voraussetzungen müssen in jedem Fall erfüllt sein. Will ein Träger eine auf Dauer angelegte Förderung erreichen, dann setzt dies in der Regel die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII voraus.

Über Art und Höhe der Förderung entscheidet der öffentliche Träger „im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen“ (§ 74 Abs. 3 SGB VIII). D.h. die Entscheidung darf nicht willkürlich oder diskriminierend sein und ist an einige inhaltliche Kriterien gebunden (Orientierung an den Interessen der Betroffenen und ihre Beteiligung; Berücksichtigung der Finanzkraft des Trägers bei der Bemessung der Eigenleistung…).

Die Entscheidungen über Förderungen sind eine der vom Gesetz herausgehobenen Kompetenzen des Jugendhilfeausschusses (§ 71 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII).


Welche weiteren öffentlichen Fördermöglichkeiten gibt es?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterhält eine „Förderdatenbank – Bund/Länder und EU“[1]. Wenn Sie das Suchwort „Kinder- und Jugendhilfe“ eingeben, erhalten Sie derzeit 113 Beiträge. An erster Stelle steht der KJP:

Auf der Bundesebene gibt es vor allen Dingen den „Kinder- und Jugendplan des Bundes“ – kurz KJP. Die letzte Fassung seiner Richtlinien stammt derzeit vom 29. September 2016[2].

Die Hürden für eine Förderung liegen hier allerdings sehr hoch. Lokale oder landesweite Initiativen haben in der Regel hier keine Chancen auf Förderung, denn die Aufgabe des KJP ist die Förderung der Kinder- und Jugendhilfe auf Bundesebene. Deshalb fördert er vor allem die bundeszentrale Infrastruktur, Maßnahmen, die im erheblichen Bundesinteresse liegen und Modell- und Sondervorhaben von bundesweiter Bedeutung.

Migrant*innenorganisationen auf Bundesebene haben im Prinzip Zugang zur Förderung aus dem KJP. Bei der letzten Richtlinienänderung wurde dies auch gezielt gewollt und es wurden einige formale Hürden abgebaut, an denen zuvor oft die Förderung scheiterte.

Träger, die an einer solchen Förderung interessiert sind, sollten die Richtlinien des KJP und die zugehörigen Anlagen (1 – Leitbild – KJP 2 – Verfahrensprofile 3 – Formblattverzeichnis 4 – Höhe der Förderbeträge) genau durcharbeiten und – wenn sie an einen Spitzenverband wie z.B. den PARITÄTISCHEN angeschlossen sind – sich beraten lassen und Kontakte für Vorabgespräche vermitteln lassen.

Auf der Landesebene gibt es sehr unterschiedlich ausgestaltete Förderpläne. Sie sind in der o.g. Förderdatenbank zum großen Teil aufgelistet, – allerdings – da die Benennungen und thematischen Schwerpunkte der Förderprogramme sehr unterschiedlich sind – sind sie nicht sehr übersichtlich sortiert. Das resultiert z.T. auch daraus, dass die Kinder- und Jugendhilfe in den Ländern sehr unterschiedlichen Ministeriumszuschnitten zugeordnet ist – und teilweise nicht einmal zusammenhängend einem Ministerium, sondern auf zwei verschiedene Ministerien verteilt ist.

Auch deshalb gilt hier – wie auf der Bundesebene: Wenn Träger an einen Spitzenverband wie z.B. den PARITÄTISCHEN angeschlossen sind: sich beraten und Kontakte für Vorabgespräche vermitteln lassen.

Ein weiteres Feld, um Finanzierungen zu erlangen, sind Bußgelder aus Strafverfahren. Dazu muss der Verein als gemeinnützig im Verzeichnis der Justizbehörden gelistet sein. Es bestehen allerdings keine Rechtsansprüche auf solche Zuweisungen. Man muss sich vor Ort mit den Verfahren vertraut machen und sich den entscheidenden Personen mit seinen Anliegen bekannt machen.

 


[1]www.foerderdatenbank.de/FDB/DE/Home/home.html

[2]www.bmfsfj.de/resource/blob/111964/2f7ae557daa0d2d8fe78f8a3f9569f21/richtlinien-kjp-2017-data.pdf


Welche Fördermöglichkeiten durch Stiftungen gibt es?

Einen ersten Überblick über Förderungen der Kinder- und Jugendhilfe durch Stiftungen hatte der 14. Kinder- und Jugendbericht (2013) gegeben[1]: „Eine besondere Rolle nehmen private Förderer auf der Basis von Lotteriegesellschaften wie z. B. die von dem ZDF getragene „Aktion Mensch“ oder die ARD-Lotterie „Goldene Eins“ ein. Daneben gibt es eine Vielzahl anderer Formen privater Förderung, meist vor allem auf lokaler Ebene. Überregional bekannt ist das Engagement von Organisationen wie den Lions- und Rotary-Klubs.“[2]

Aber wenn man auf Förderungen durch Stiftungen hofft, muss man vor allem eines wissen: auf Bundesebene gibt es nur relativ wenige Stiftungen mit einem weiten Förderspektrum für die Kinder- und Jugendhilfe und einer Offenheit für die Projektideen der Organisationen, die gefördert werden wollen.

Die meisten bundesweiten Stiftungen setzen eigene Förderschwerpunkte, innerhalb derer sich dann Organisationen bewerben können.

Die größte und wichtigste Stiftung, die das gesamte Spektrum der Kinder- und Jugendhilfe einbezieht und auch für lokale Initiativen offen ist, die Förderung durch die „Aktion Mensch[3].

Hier gibt es das Förderprogramm „Kinder- und Jugendliche stärken“. Darunter kann vieles als Anschubfinanzierung (max. 150.000 € für max. 3 Jahre) oder als Projektförderung (max. 300.000 für max. 5 Jahre) für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung gefördert werden. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Aktivitäten, die NICHT gefördert werden können:

  • Vorhaben ohne eindeutige Abgrenzung zur regulären/ bisherigen Arbeit
  • Aktivitäten zur Beschaffung von finanziellen Mitteln (zum Beispiel Spenden-Aktionen und Benefiz-Veranstaltungen) 
  • Ferienreisen und Klassenfahrten 
  • Mittagstische für Schüler 
  • Schulische Maßnahmen, die nicht eindeutig außerhalb des Unterrichts stattfinden 
  • Heilpädagogische Kindertageseinrichtungen und Förderschulen 
  • Betreuung in Kindertageseinrichtungen 
  • Einzelveranstaltungen mit Wiederholungscharakter 
  • Fortbildung für hauptamtliches Personal 
  • Einzelkurse in der Familienbildung (z.B. PEKiP, SAFE) 
  • Veranstaltungen mit tagespolitischer Ausrichtung 
  • Leistungen, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen gewährt werden (zum Beispiel SGB VIII, SGB II, ARGE, Jobcenter, GKV) 
  • Mehr als zwei Anschubfinanzierungen aus unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern für den Aufbau neuer Dienste an einem Standort 
  • Kosten für die Beratung zu oder Vermittlung von Fördermitteln oder ähnliche Kosten. Zuschüsse der Aktion Mensch dürfen nie - weder ganz noch anteilig - zur Bezahlung entsprechender Beratungs- oder Vermittlungsleistungen verwendet werden. 
  • Honorarkosten für Vorstände oder Geschäftsführer*innen

Für kleinere Organisationen ist aber oft die „Mikroförderung“ der Aktion Mensch der leichtere Zugang:

Derzeit gibt es die Mikroförderung für Barrierefreiheit im Förderprogramm "Barrierefreiheit für alle", das Förderprogramm "Aktionen zur Bewusstseinsbildung" sowie des Aktions-Förderangebotes "Internet für alle". Dadurch werden kleinere Projekte bis 5.000 Euro beziehungsweise bis 10.000 Euro gefördert. Darüber hinaus läuft aktuell die Förderaktion „#1BarriereWeniger“. Für Zuschüsse bis zu 5.000 Euro sind Eigenmittel nicht erforderlich. Die Schwerpunkte der Mikroförderung ändern sich von Zeit zu Zeit. Darüber kann man sich informieren unter: www.aktion-mensch.de/foerderung/ueber/foerderhoehen.

Mittlere Projekte fördert die Aktion Mensch mit bis zu 50.000 €. Die dazu benötigten Eigenmittel liegen zwischen 60 % bis 5 %.

Auch hier ist die Beratung durch den Spitzenverband im Vorfeld der Antragstellung dringend zu empfehlen.

 

Ebenfalls ein weites Förderspektrum hat die „Stiftung Deutsche Jugendmarke e.V.[4].  Allerdings sind die Mittel aus den Zuschlägen der Jugendmarken in den letzten Jahrzehnten drastisch zurückgegangen. Im Jahr 2020 z.B. wurden dadurch nur noch vier Projekte mit einem Gesamtvolumen von 718.000 € gefördert. Es müssen also schon sehr spezielle Bedingungen bundesweiter Relevanz erfüllt sein, um hier an Fördermittel zu kommen.

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V.[5] gibt einen umfassenden Überblick in das deutsche Stiftungswesen. In der „Stiftungssuche“[6], einem Online-Suchdienst des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, sind derzeit insgesamt knapp 30.000 Stiftungen im ganzen Bundesgebiet verzeichnet, im Basis-Programm, auf das kostenlos zugegriffen werden kann, sind es knapp 12.500) davon etwa 7.000 im Bereich der Jugendhilfe. Man kann dort nach Stichwort, Ort und Bundesland recherchieren.

Vor Ort haben z.B. häufig Banken und Sparkassen eigene Förderprogramme.

 


[1] Bundestagsdrucksache 17/12200, S. 271 ff.

[2] Ebd., S. 271 f.

[3]www.aktion-mensch.de/foerderung/foerderprogramme

[4]www.jugendmarke.de

[5]www.stiftungen.org/startseite.html

[6]stiftungssuche.de