Der Fünfte Wohlfahrtsverband präsentiert sich der Öffentlichkeit
Leistungsschau des Lebens und Arbeitens
Aus dem Bedürfnis heraus, die für viele noch präsenten Zerstörungserfahrungen des Ersten Weltkriegs zu kompensieren, entsteht mit der „Großen Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen“ (GeSoLei) eine umfangreiche Leistungsschau des Lebens und Arbeitens in Deutschland. Etwa 8 Millionen Menschen statten dem ca. 400.000 Quadratmeter großen Ausstellungsgelände am Düsseldorfer Rheinufer zwischen dem 8. Mai und dem 15. Oktober 1926 einen Besuch ab. Vielfältig ist auch die Zusammensetzung der Themen, die auf der GeSoLei vertreten sind: Vom wissenschaftlichen Körperapparat über Aufbau und Ziele der Versehrtenfürsorge, Produktion und Produkte der Waschmittel- und Kosmetik-Industrie oder das vorbildliche städtische Kanalisierungssystem bis zur Massenturnübung. Die breite Bevölkerung kommt auch wegen eines Vergnügungsparks nicht zu kurz.
Für den noch jungen Fünften Wohlfahrtsverband führt die Vorbereitung auf die Ausstellung zu einer Vertiefung der organisatorischen Arbeit. Man nutzt die Gelegenheit, als Teil der größeren Ausstellung der Liga der freien Wohlfahrtspflege, den sich etablierenden Verband, seine Mitglieder und Inhalte der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Der Organisator
Der Pädiater Arthur Schloßmann verantwortet als geschäftsführendes Ausschussmitglied die GeSoLei wesentlich mit und wird zu einer wichtigen Person für den Fünften Wohlfahrtsverband. Der Mediziner selbst setzt sich Zeit seines Lebens für die Gesundheit und gegen die hohe Sterblichkeit von Säuglingen ein, sowie für die Aufklärung und Absicherung von jungen Müttern. Leopold Langstein misst Schloßmann eine große Bedeutung für den Fünften Wohlfahrtsverband bei, da dieser die zeitgenössischen Standards in der Pflege und Fürsorge für Säuglinge in Deutschland maßgeblich weiterentwickelt hat.
Schloßmann selbst wird 1926 geschäftsführender Landesvertreter für die Preußische Rheinprovinz und ist ab 1927 auch Mitglied im Vorstand des Fünften Wohlfahrtsverbands auf Reichsebene. Für seine Verdienste bei der Organisation der GeSoLei ernennt der Fünfte Wohlfahrtsverband Schloßmann während einer Mitgliederversammlung, die 1926 auf der Messe stattfindet, zum Ehrenmitglied des Verbands.
Der Fünfte Wohlfahrtsverband auf der GeSoLei
In einer alten Maschinenhalle am südöstlichen Rand des Ausstellungsgeländes ist die freie Wohlfahrtspflege untergebracht. Die Halle ist in zwei Bereiche unterteilt: Einen größeren mit dem Titel Die Arbeitsgebiete der freien Wohlfahrtpflege und einen kleineren, der sich den Trägern der freien Wohlfahrtspflege widmet. In ersterem steht etwa in der Mitte ein kreisrundes Plateau von 15 Metern Durchmesser, auf dem sich die sogenannte Wohlfahrtsstadt dem Besucher präsentiert: Eine fiktive Idealstadt, deren Gebäude von flachen Zeilenbauten am Stadtrand zu Hochhäusern in der Stadtmitte emporwachsen.
Der Bereich der Träger der freien Wohlfahrtspflege besitzt als Mittelpunkt einen stilisierten Baum. Um diesen Baum herum gruppieren sich an den Hallenwänden Kojen, in denen sich die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege präsentieren, darunter auch der Fünfte Wohlfahrtsverband.
Die Koje des Fünften Wohlfahrtsverbands wird dominiert durch ein Schaubild in Form eines Baums, der die Entwicklung des Verbands von der Gründung der Vereinigung der freien privaten gemeinnützigen Kranken- und Pflegeanstalten Deutschlands am 3. Februar 1920 bis zum 1. März 1926 darstellt: Aus einem Stamm heraus erwachsen zahlreiche Verästelungen, die schließlich in einer breiten Krone auslaufen. An den Ästen hängen geschlossene, halboffene und offene Blüten, die für die Anzahl ebensolcher Anstalten im Fünften Wohlfahrtsverband stehen.
Mit seinen Blüten, die über die Äste alle aus einem einzigen Stamm herauswachsen, impliziert der Baum eine Vereinheitlichung oder zumindest „Harmonisierung“ der Anstalten zu einem funktionierenden Ganzen. Der Baum ist somit nicht zuletzt vor dem Hintergrund zu verstehen, dass der Verband 1926 noch recht jung. Die Abbildung des Baums hat somit für den Verband den Charakter eines Leitbilds. Erst kurz vor der GeSoLei wächst der Verband durch die Fusion mit der Humanitas. Verband für Erziehungs- und Wirtschaftsfürsorge und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Bayern an und übernimmt zahlreiche engagierte Mitgliedsorganisationen und -einrichtungen, die den Verband fortan mitgestalten werden.
Die Entwicklung des Fünften Wohlfahrtsverbandes nach der GeSoLei
Im Dezember 1926 wird der Fünfte Wohlfahrtsverband schließlich auch vom Reich nicht mehr nur stillschweigend, sondern hochoffiziell als Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege anerkannt. Ein wichtiger Schritt.
Im Laufe der Jahre entwickelt sich der Wohlfahrtsverband auch nummerisch: Zählt der Fünfte Wohlfahrtsverband 1924 noch 127 Mitglieder, steigt diese Zahl 1927 auf 929 und 1933 auf 1469 Mitgliedsorganisationen. Der allergrößte Teil der Mitgliedsorganisationen – über 52 Prozent – entfällt auch in den kommenden Jahren auf stationäre Dienste in der Gesundheitsfürsorge.
Ab 1927 widmet sich der Vorstand konzentriert dem weiteren Aufbau der Landes- und Provinizialverbände, die flächendeckend und meist orientiert an den damaligen Ländern des Reichs entstehen. Ein wichtiges Anliegen ist deren Selbstständigkeit. Die aktive Arbeit der regionalen Verbände, Fachgruppen und einzelnen Mitglieder ist gefragt. Teilweise finanzieren sich die Landesverbände über Mitgliedsbeiträge selbst, oftmals aber nicht kostendeckend. So sind diese wiederum auf den Reichsverband angewiesen.
Die Weltwirtschaftskrise 1929, die sich zwei Jahre später zu einer ernstzunehmenden deutschen Bankenkrise entwickelt, trifft auch die freie Wohlfahrtspflege schwer. Der Konkurs der Hilfskasse gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen Deutschlands GmbH (Hika) und der beteiligten Verbände kann in Folge nur durch einen Finanzrettungsschirm des Reiches abgewendet werden.
Auch um den Eindruck des „Verbands der Übriggebliebenen“ zu entkräften und dem Namen mehr Gewichtung zu verleihen, wird bei einer Verwaltungsratssitzung am 5. November 1932 beschlossen, sich in Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband umzubenennen. Der Zusatz „Paritätisch“ kommt nicht von irgendwo, führten diesen doch bereits die Landesverbände in Bayern, Baden und der Rheinprovinz. Luise Kiesselbach ist es jedoch, die den Begriff „Paritätisch“ dabei zuerst im heutigen Verständnis des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes nutzt. Bereits 1922 gründet sie den Ersten Paritätischen Wohlfahrtsverband München, 1924 ist die Mitbegründerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Bayern. Dabei zielt die Idee der Parität auf die Gleichheit aller in ihrem Ansehen und ihren Möglichkeiten ab.