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Nachhaltige Beschaffung in sozialen Einrichtungen: Präsentationen und Dokumentation der Veranstaltungsreihe

Von der Bettwäsche und Arbeitskleidung über Reinigungsmittel bis hin zum Druckerpapier – auch soziale Einrichtungen und Dienste können Produkte nachhaltig beschaffen und damit einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Menschen und der Umwelt leisten. In unserer Inforeihe haben wir gezeigt, wie das geht.

Nachhaltige Beschaffung ist ein Prozess, bei dem soziale, ökologische und ökonomische Aspekte von der Herstellung bis zur Entsorgung von Produkten und Dienstleistungen beachtet wird. Nachhaltige Produkte schonen natürliche Ressourcen, sie sind schadstoffärmer und verursachen weniger Emissionen umweltschädlicher Stoffe. Beim Verzicht auf gesundheitsschädliche Substanzen und dem Einsatz von lärmarmen Produkten wird ein wichtiger Beitrag zum Gesundheitsschutz geleistet. Der größte Beitrag zum ⁠Klimaschutz⁠ wird dann erreicht, wenn die Produkte möglichst lange genutzt werden können und somit auf die Langlebigkeit geachtet wird.

In unserer Inforeihe zur nachhaltigen Beschaffung haben wir die Bereiche Textilien, Reinigungsmittel, Büroausstattung und Digitalisierung genau unter die Lupe genommen.

Teil 1: Nachhaltige Textilbeschaffung

Jeden Tag kommen in sozialen Einrichtungen große Mengen an Textilien zum Einsatz – von der Bettwäsche über Handtücher bis hin zur Berufsbekleidung. Die Wertschöpfungskette dieser Textilien ist meist lang und komplex. Während der vielen Produktionsschritte werden Menschenrechte und Umweltschutz häufig nicht berücksichtigt. Mit einer nachhaltigen Beschaffung kann ein entscheidender Beitrag zur Wahrung von Menschen- und Arbeiter*innenrechten und zum Umweltschutz entlang der Lieferkette geleistet werden.

Zum Auftakt unserer Inforeihe Nachhaltige Beschaffung haben wir uns angesehen, wie die Umstellung auf eine nachhaltige Textilbeschaffung in sozialen Einrichtungen gelingen kann.

Silke Langer, Beraterin in der Geschäftsstelle Grüner Knopf, gab den Teilnehmer*innen einen Einblick in genau dieses staatliche Siegel für sozial und ökologisch nachhaltig produzierte Textilien. Der Grüne Knopf wird im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vergeben. Wenn ein Produkt den Grünen Knopf trägt, wurde von unabhängigen Stellen geprüft, ob das Unternehmen als Ganzes seinen Sorgfaltspflichten für die textile Lieferkette nachkommt und Verantwortung für sein Handeln übernimmt.

Auch das konkrete Produkt muss nachhaltig hergestellt werden. Um dies nachzuweisen, können Unternehmen vom Grünen Knopf anerkannte Siegel nutzen. Das sind Siegel, die Glaubwürdigkeitskriterien erfüllen und vom Siegelgeber definierte soziale und ökologische Anforderungen an den Produktionsprozess stellen, z. B. ein Verbot gefährlicher Chemikalien oder Pestizide, eine Begrenzung der Arbeitszeit und feste Arbeitsverträge, das Verbot von Diskriminierung und Belästigung sowie Sicherheitsvorgaben für Arbeitsplätze.

In der anschließenden Diskussion wurde kritisch angemerkt, dass die Zahlung existenzsichernder Löhne kein festes Kriterium für das Siegel ist. Langer wies darauf hin, dass die Anforderungen an das Siegel stets weiterentwickelt werden.   

Ein Träger, der sich mit seinen Einrichtungen auf den Weg hin zu einer nachhaltigen Textilbeschaffung gemacht hat, ist die Dienste für Menschen gGmbH. Heiko Bauer, Hauswirtschaftsleiter bei Dienste für Menschen, stellte Schritt für Schritt vor, wie die Umstellung durchgeführt wurde und was sich davon in die Praxis anderer sozialer Einrichtungen übertragen lässt.

Zunächst sollten sich Träger oder Einrichtung die Frage stellen, wie viel Nachhaltigkeit gewünscht ist. Bauer weist auf die Problematik hin, dass der Markt derzeit noch nicht so viel im Angebot hat und die Ansprüche an Nachhaltigkeit derzeit noch nicht so tief gehen können, wie man es vielleicht gerne hätte.

Als Nächstes sollte geklärt werden, welche Form der Wäscheversorgung gewünscht ist: Wird die Wäsche selbst eingekauft und gewaschen? Wird die Wäsche eingekauft, aber extern gewaschen? Oder wird die Wäsche geleast oder gemietet? Bei der Ausschreibung müssen dann alle relevanten Punkte aufgeführt werden, einschließlich der Verbräuche, da nicht alle Lieferanten die gefragten Mengen liefern können.

Bauer beschrieb auch die Schwierigkeit, diverse Zertifikate den Wäschestücken zuzuordnen, um Lieferanten miteinander zu vergleichen. Es sei wichtig, dazu mit den Lieferanten ins Gespräch zu gehen. Bei der Entscheidung könne es helfen, sich Probeprodukte schicken zu lassen, um zum Beispiel Tragekomfort und Schweißaufnahme zu testen.

Bei den anschließenden Verhandlungen mit dem ausgewählten Lieferanten könne es helfen, die Mehrkosten für nachhaltige Textilien über eine längere Vertragslaufzeit abzuschwächen. In der anschließenden Diskussion ging es auch um genau diese Mehrkosten. Teilnehmer*innen merkten an, dass Nachhaltigkeit nicht refinanziert wird. Die Pflegesätze für die hauswirtschaftliche Versorgung seien zu niedrig. Bauer betont, dass sich hier Verhandlungen mit dem Kostenträger lohnen könnten, im Zweifelsfall bis hin zur Schiedsstelle.   

Weiterführende Links:

https://www.kompass-nachhaltigkeit.de

https://femnet.de/fuer-frauenrechte/informationen-aufklaerung/faire-oeffentliche-beschaffung

https://femnet.de/download/send/70-nachhaltige-beschaffung-in-unternehmen/276-ein-ueberblick-zu-standards-siegeln-und-multistakeholderinitiativen-in-der-textilindustrie.html

https://www.curabelle.de

Teil 2: Nachhaltiges Büro und Digitalisierung

Das Thema Nachhaltigkeit spielt auch bei Büro- und Verwaltungstätigkeiten in sozialen Einrichtungen eine wichtige Rolle. Bereits durch die Anpassung einiger weniger Verhaltensweisen und die bewusste Wahl und Nutzung von Produkten lässt sich die CO₂-Bilanz entscheidend verbessern.

Elvar Amend, Key Account Manager bei der memo AG, zeigte den Teilnehmer*innen, warum auch im Büro auf nachhaltige Produkte umgestellt werden sollte. Zunächst gab Amend einen Einblick in die Vision des seit mehr als 30 Jahren bestehenden Versandunternehmens für ökologische und sozialverträgliche Produkte. Das Unternehmen setzt beim eigenen Unternehmensstandort auf Nachhaltigkeit – von der Heizung über die Beleuchtung bis hin zur Möbelausstattung, aber auch bei den angebotenen Produkten. Bevor ein Produkt einen Platz im Sortiment einnimmt, wird es hinsichtlich ökologischer, sozialer, ökonomischer und qualitativer Kriterien geprüft. Viele Produkte tragen anerkannte Umweltzeichen und Labels wie den Blauen Engel, FSC oder Nordic Swan.

Die Kriterien zur Produktauswahl sind: Rohstoffe (Umwelt, Soziales), Herstellung (Ressourcen, Energie, Soziales), Verpackungsmaterial und -menge, Qualität und Langlebigkeit, Praxistauglichkeit, Recyclingfähigkeit, Konsumentenschutz, Preis und Transport. Amend nannte auch ein paar Beispiele: Bei der Herstellung eines neuen Monitors werden durchschnittlich über 750 Liter Wasser benötigt, und es entstehen mehr als 150 Kilo CO2. Das Unternehmen hat daher vollständig generalüberholte Monitore in sehr gutem Zustand im Sortiment. Ein weiteres Beispiel ist Druckerpapier. Im Sortiment gibt es Druckerpapier, das in Papierfabriken in Europa aus 100 Prozent Altpapier hergestellt wurde. Der CO2-Fußabdruck ist um 53 Prozent geringer (1,4 kg pro 500 Blatt) und der Energieverbrauch in der Produktion im Vergleich zur Herstellung eines Frischfaserpapiers um 72 Prozent geringer. Auch beim Versand und bei der Verpackung wird auf Nachhaltigkeit gesetzt. Zum Einsatz kommt ein Mehrwegversandsystem, Füllstoffe bestehen aus Recyclingpapier, und es wurde in Elektrolastenräder investiert.

Die memo AG ist nur ein Beispiel für ein nachhaltiges Versandunternehmen. Interessierte können die Anregungen mitnehmen und beim Unternehmen ihres Vertrauens nachhaltige Produkte, wie Recyclingpapier oder nachfüllbare Stifte, anfragen oder durch ihre Nachfrage Einfluss nehmen auf die Verpackung und den Transport der Produkte.  

Im zweiten Teil der Veranstaltung zeigte Sebastian Stoll, Berater für Green IT bei Ecologee.de, wie durch Digitalisierung und mit fairen Tools und Anbietern nachhaltig gearbeitet werden kann, ohne dabei den digitalen CO2-Fuaßbdruck in die Höhe zu treiben. Stoll gab einen Einblick, wie IT effizient eingesetzt und für Einsparungen genutzt werden kann, wann es sich lohnt, neue Hardware anzuschaffen, wie Hardware ordentlich recycelt werden kann und welche IT fair produziert wird.

Allgemein sollte auf stromsparende Geräte geachtet, aber keine überflüssige Hardware angeschafft werden, denn die Produktion ist sehr ressourcenintensiv. Notebooks und Smart IT sollten mindestens fünf Jahre genutzt werden, Server und Netzwerke zehn Jahre und Thin Clients, die sich ab zehn ähnlichen Arbeitsplätzen lohnen, acht Jahre. Ein Recycling der Hardware ist bis zu 98 Prozent möglich. Es kann sich lohnen, alte Hardware zu sammeln und in größeren Mengen zu verkaufen. Bei der Auswahl von Anbietern sollte auf eine aktuelle Zertifizierung und auf Regionalität und Transparenz geachtet werden.

Rund um den Desktop kann ebenso einiges optimiert werden – von der Standby-Einstellung über Energiespareinstellungen (auch auf Routern) bis hin zur Bildschirmhelligkeit. Auf Funktastaturen und -mäuse sollte verzichtet werden, und Monitore sollten das EPEAT-Gold-Rating haben. Die Software sollte regelmäßig entrümpelt und aktualisiert, große Downloads reduziert und Newsletter sowie Mailings sparsam genutzt werden.

In Einrichtungen dreht sich auch viel um das Thema Drucken. Ausdrucke sollten grundsätzlich vermieden werden. Drucker sollten gemeinsam genutzt und ressourcensparende Standardeinstellungen des Druckers ausgewählt werden. Gedruckt werden sollte auf Recyclingpapier, und größere Druckaufträge sollten an Druckereien vergeben werden.

Seit der Pandemie werden zunehmend virtuelle Konferenzen genutzt. Auch hier gilt: Ist ein Treffen in Präsenz ohne lange Anfahrtswege möglich, sollte dies vorgezogen oder 1:1-Gespräche über das Festnetztelefon geführt werden. Ansonsten sollte bei Videokonferenzen, wenn möglich, die Kamera ausgeschaltet bleiben; die Teilnehmenden sollten sich kurzfassen und nicht über Mobilfunk-Netze teilnehmen.

Auch bei der Wahl des Rechenzentrums lässt sich ein Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Dieses sollte nach ISO-Normen oder DIN EN 50600 zertifiziert sein und zum Beispiel Ökostrom beziehen und Abwärme nutzen.

Weiterführende Links:

https://label-online.de/

https://www.siegelklarheit.de/

https://www.fairphone.com/de/

https://www.shiftphones.com/shiftphones-bei-galileo/

https://www.papiernetz.de/informationen/nachhaltigkeitsrechner/

https://sonett.eu/

https://wgkd.de/

https://epeat.net/about-epeat

https://plant-values.de/nachhaltigkeit-im-buero-26-tipps-von-einfach-bis-umfassend/9174/

https://plant-values.de/motivation-fuer-nachhaltigkeit-im-unternehmen/9084/

https://www.nager-it.de/maus/

https://www.afb-group.de/it-remarketing/

https://www.itsco.de/

Teil 3: Nachhaltige Reinigungsprodukte

Im dritten und letzten Teil der Reihe zur nachhaltigen Beschaffung setzten wir den Schwerpunkt auf Reinigungsmittel. Die Nutzung von Reinigungsmitteln ist unverzichtbar in sozialen Einrichtungen. Die Folgen für Umwelt und Gesundheit werden aber oft unterschätzt. Viele Stoffe in Reinigungsmitteln sind schwer abbaubar und können auf unterschiedlichen Wegen in unser Grundwasser, auf landwirtschaftlich genutzte Flächen oder in Flüsse, Seen und Meere gelangen.

Antje Schumann, Leitung der Abteilung Strategische Entwicklung + Transformation bei DR. SCHNELL, gab einen Einblick in klimaneutrale Hygiene-Produkte, die rechtlichen Grundlagen dieser und wie eine Umstellung in der Praxis aussehen kann.

DR. SCHNELL vertreibt Produkte für die professionelle Reinigung, Desinfektion und den Hautschutz  und ermittelt den Product Carbon Footprint gemäß Scope 3 für alle Produkte. Dabei werden alle Rohstoffe, Etiketten und Dosieranlagen bilanziert. Die großen Stellschrauben bei einem Reinigungsprodukt sind die Verpackung, Inhaltsstoffe und der Transport. Bei der Verpackung kann zum Beispiel darauf geachtet werden, dass diese recyclefähig ist und einen großen Rezyklat-Anteil hat. Das Transportvolumen kann verringert werden, indem zum Beispiel Ultrahochkonzentrate in eine Flasche gefüllt werden anstatt ein einfaches Konzentrat in fünf Flaschen. Auch die Inhaltsstoffe sollten möglichst regional bezogen werden. Anstelle synthetisch hergestelltem Industrieethanol kann regionales Bioethanol eingesetzt werden. Auch Rhamnolipide, also bakterielle Tenside, können öfter eingesetzt werden, denn sie produzieren deutlich weniger CO2 als fossile Standardtenside.

Schumann stellte mit DR. SCHNELL ein Unternehmen vor, das auf dem Weg ist, nachhaltige Reinigungsprodukte herzustellen. Auch mit diesem Input konnten die Teilnehmer*innen Anregungen mitnehmen, um bei der Auswahl eines Anbieters und der gewünschten Produkte achtsam zu sein.

Weiterführende Links:

https://www.dr-schnell.com/Nachhaltigkeit/Nachhaltigkeit-bei-DR.SCHNELL/Berechnungsgrundlagen

https://werner-mertz.de/

Zusammenfassung:

Zusammenfassend lässt sich sagen: Weder bei Textilien und Reinigungsprodukten noch beim Bürobedarf oder bei der IT werden stets alle notwendigen Nachhaltigkeitskriterien erfüllt. Auch ist es nicht einfach, die Vielzahl an Siegeln und deren Kriterien zu durchblicken und das passende Produkt für die eigene Einrichtung zu finden.

Mit der Veranstaltungsreihe sollte den Teilnehmer*innen sensibilisiert werden, achtsam bei der Beschaffung zu sein, Inhaltsstoffe, Transportwege und Verpackungen zu hinterfragen und Ideen für die schrittweise Umstellung einiger Produkte mitnehmen.