Wichtige Infos zu Einreise, Aufenthalt und sozialen Rechten von Menschen aus der Ukraine
Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine sind Hundertausende Menschen auf der Flucht. Über 500.000 Menschen haben die Ukraine bereits verlassen, nur wenige sind bislang in Deutschland angekommen. Die Europäische Union bereitet sich auf viele weitere Flüchtlinge vor und plant, zum ersten Mal die sog. „Massenzustrom-Richtlinie“ (Richtlinie 2001/55/EG) zu aktivieren, die einen vorübergehenden Aufenthaltsstatus mit relativ weitreichenden Rechten für Bürgerkriegsflüchtlinge sowie eine mögliche Verteilung geflüchteter Menschen innerhalb Europas vorsieht. Die Europäische Kommission bereitet einen entsprechenden Beschluss für die nächste Sitzung des EU-Innenminister*innen-Rats vor, der am Donnerstag mit qualifizierter Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedstaaten (die mindestens 65% der EU Bürger*innen repräsentieren) angenommen werden muss.
Sollten die EU-Innenminister*innen am Donnerstag entscheiden, dass die sog. "Massenzustrom-Richtlinie" Anwendung findet, werden wir an dieser Stelle über die sozialen und aufenthaltsrechtlichen Folgen des damit einhergehenden Aufenthaltsstatus zum vorübergehenden Schutz informieren. Dieser hätte für die Schutzsuchenden zur Folge, dass sie kein formelles Asylverfahren durchlaufen müssen (aber können) und von Anfang an Zugang zu Arbeit und Bildung hätten.
Aber auch heute stellen sich schon viele Fragen, die wir im Folgenden beantworten möchten:
1. Einreise
Ukrainische Staatsnagehörige mit einem biometrischen Pass können gemäß Art. 4 Abs. 1 und Anhang II der EU-Verordnung 2018/1806 visumsfrei in die Europäische Union und somit auch nach Deutschland einreisen. Personen ohne biometrischen Pass müssten nach der Verordnung eigentlich ein Visum beantragen, wovon aber aus humanitären Gründen abgesehen werden kann.
2. Visumsfreier Kurzaufenthalt
Der sog. „visumsfreie Kurzaufenthalt“ ist an und für sich lediglich für 90 Tage zulässig. Das Bundesinnenministerium hat aber bereits am vergangenen Donnerstag die Ausländerbehörden darüber informiert, dass ukrainische Staatsangehörige im Anschluss an den visumfreien Aufenthalt von 90 Tagen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 1 S. 3 AufenthG bei der Ausländerbehörde vor Ort für weitere 90 Tag einholen können: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/faqs/DE/themen/ministerium/ukraine-krieg/faq-liste-ukraine-krieg.html
Wird der Antrag rechtzeitig, also vor Ablauf der 90 Tage gestellt, gilt der Aufenthalt bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis als erlaubt (§ 81 Abs. 3 AufenthG).
3. Soziale Rechte während des visumsfreien Kurzaufenthalts
Während des visumsfreien Aufenthaltes von insgesamt bis zu 180 Tagen ist keine Erwerbstätigkeit gestattet.
Anspruch auf Sozialleistungen: In den ersten drei Monaten in Deutschland besteht für hilfebedürftige Personen während des visumfreien Aufenthalts an und für sich keinen Anspruch auf normale Leistungen nach dem SGB II oder auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII). Auch auf Leistungen nach dem AsylbLG besteht kein Anspruch, da ein rechtmäßiger Aufenthalt vorliegt. Uns liegen aber Informationen vor, wonach z.B. Sachsen trozdem Leistungen nach dem AsylblG gewährt, bitte informieren Sie sich also in Ihrem jeweiligen Bundesland nach der aktuellen Praxis.
Hilfebedürftige Personen können so genannte „Überbrückungsleistungen“ nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII, beim Sozialamt beantragen. Diese werden normalerweise nur für einen Monat erbracht und liegen deutlich unter dem normalen Leistungsumfang, wenn nicht ein sog. Härtefall gemäß § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB XII vorliegt. Ein solcher Härtefall dürfte im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine aber regelmäßig erfüllt sein, so dass das Sozialamt in diesen Fällen immer für die gesamten drei Monate ungekürzte Leistungen erbringen muss. Dazu gehört auch der Anspruch auf Krankenhilfe (mit Behandlungsscheinen des Sozialamts). Wichtig ist, die Überbrückungsleistungen zu beantragen, bevor der Termin bei der Ärztin ist.
Nach Ablauf der ersten drei Monate besteht ein Anspruch auf reguläre Sozialleistungen nach dem SGB XII. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie hier: https://ggua.de/fileadmin/downloads/tabellen_und_uebersichten/Ukraine_neu.pdf
4. Unterbringung
Aktuell werden ankommende Menschen aus der Ukraine vielerorts noch über Verwandte, Bekannte, ihre Community und weitere Unterstützer*innen in privaten Wohnungen untergebracht. Daneben unterstützen Hilfsverbände bei der Unterbringung. Viele Länder prüfen derzeit mögliche kurzfristige Aufstockungen von Kapazitäten ihrer Landeseinrichtungen/ Landesaufnahmestellen. In vielen Kommunen wird sich derzeit auf die Aufnahme vorbereitet. Teilweise wird die Inbetriebnahme von vorübergehenden Unterbringungsmöglichkeiten (sog. Notunterkünfte, Modulare Unterkünfte, Stand-by-Objekte) vorbereitet.
Die Unterbringung von geflüchteten Menschen ist Ländersache. Aktuelle Informationen über die Möglichkeiten einer kurz- und mittelfristigen Unterbringung können Sie den offiziellen Mitteilungen Ihrer Landesregierung sowie den jeweiligen Landesbehörden entnehmen, die für die Aufnahme und Unterbringung zuständig sind. Vielerorts werden alle Menschen, die aus der Ukraine kommen und keinen Zugang zu privaten Unterkünften haben, untergebracht, so dass es nicht erforderlich ist, aus diesem Grund einen Asylantrag zu stellen.
5. Sollte ein Asylantrag gestellt werden?
Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, können einen Asylantrag stellen. Im Rahmen des Asylverfahrens kommen v.a. die Zuerkennung des subsidiären Schutzes oder die Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG in Frage. Während der Dauer des Asylverfahrens besteht jedoch die Pflicht, in einer Aufnahmeeinrichtung zu leben (bis zu 6 Monate für Familien mit Kindern, ansonsten für bis zu 18 Monate, § 47 AsylG) und eine Erwerbstätigkeit ist nicht gestattet. Die Dauer des Asylverfahrens lässt sich aktuell schwer vorhersagen, da das BAMF im Moment nicht über Ukraine-Fälle entscheidet.
Wie eingangs erwähnt, beabsichtigt die Bundesregierung darüber hinaus, einen vorübergehenden Status für Bürgerkriegsflüchtlinge aus der Ukraine einzuführen, der unabhängig von einem Asylverfahren verliehen werden kann. Im Falle einer europäischen Einigung könnte eine Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz gemäß § 24 AufenthG verliehen werden. Diese würde zunächst für ein Jahr erteilt werden und könnte bis zu max. 3 Jahren verlängert werden. In diesem Fall kann eine Beschäftigungserlaubnis erteilt werden und Kinder hätten denselben Anspruch auf Bildung wie deutsche Staatsangehörige. Ob es zu einer Einigung auf europäischer Ebene kommt und falls nicht, welcher nationale humanitäre Aufenthaltsstatus für Geflüchtete aus der Ukraine seitens der Bundesregierung eingeführt werden soll, wird sich voraussichtlich am Donnerstag entscheiden. Bis dahin raten wir, falls möglich, mit weiteren aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen und der Stellung eines Asylantrags zu warten.
Daneben können Menschen aus der Ukraine - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - auch ohne Nachholung eines Visumverfahrens hier bei der zuständigen Ausländerbörde einen anderen Aufenthaltstitel beantragen, z.B. zum Familiennachzug, zur Ausbildung, Studium oder Erwerbstätigkeit. Nähreres dazu hier: https://ggua.de/fileadmin/downloads/tabellen_und_uebersichten/Ukraine_neu.pdf
Die vorstehenden Informationen sind keinesfalls abschließend zu verstehen, sondern sollen nur eine erste Orientierung bieten. Weitere Informationen finden Sie zeitnah hier sowie unter: https://www.asyl.net/schutzsuchende-ukraine