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Arbeitshilfe

Zugänge zur Kinder- und Jugendhilfe für Migrant*innen-Selbstorganisationen

II. Was leistet Kinder und Jugendhilfe? – Leistungen und andere Aufgaben

Die Kinder- und Jugendhilfe deckt ein sehr breites Spektrum von Aufgaben und Tätigkeitsfeldern (von der Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen über Unterstützungs- und Hilfsangebote für Menschen in spezifischen Problemlagen oder aber mit Behinderungen, die Unterstützung von Familien, bis hin zum Schutz von Kindern vor Gewalt und Vernachlässigung).

Dabei unterscheidet man grundlegend zwischen „Leistungen“ einerseits und „anderen Aufgaben“ andererseits.


Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe

Die Leistungen sind Sozialleistungen im engeren Sinn. Auf manche dieser Leistungen bestehen einklagbare Rechtsansprüche. Auf jeden Fall können die Menschen selbst entscheiden, ob sie diese Leistungen annehmen/beantragen wollen oder nicht. Sie können nicht zur Inanspruchnahme gezwungen werden. Solche Leistungen können von freien und öffentlichen Trägern erbracht werden. In der Praxis werden ca. 70% der Leistungen von freien Trägern erbracht. (zur Unterscheidung von öffentlichen und freien Trägern siehe unten Pkt. III)

Die Leistungen werden im 2. Kapitel des SGB VIII in vier Abschnitten beschrieben:

  1. Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, erzieherischer Kinder- und Jugendschutz
  2. Förderung der Erziehung in der Familie
  3. Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege
  4. Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge Volljährige.

In all diesen Leistungsfeldern kann sich also ein „freier Träger“ engagieren ohne dass er dazu eine Genehmigung braucht.

Im Hinblick auf die Inanspruchnahme von „Leistungen“ durch Ausländer*innen enthält § 6 Abs. 2 SGB VIII allerdings einen Vorbehalt. Dort heißt es: „Ausländer können Leistungen nach diesem Buch nur beanspruchen, wenn sie rechtmäßig oder aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.“ 

Es ist aber wichtig zu wissen, dass das nicht bedeutet, dass Ausländer*innen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, diese Leistungen auf keinen Fall erhalten können. Sie haben lediglich keinen einklagbaren Rechtsanspruch auf die Gewährung dieser Leistungen, aber sie können diese Leistungen auf dem Ermessensweg dennoch erhalten – das Jugendamt kann darüber entscheiden.

Weiterhin ist es wichtig zu wissen, dass auch dann, wenn das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit hat, die Eltern aber die benannten Voraussetzungen nicht erfüllen, die Eltern trotzdem einen Rechtsanspruch auf die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe haben.


Andere Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe

Die sog. anderen Aufgaben sind im Unterschied zu den Leistungen keine Sozialleistungen im engeren Sinne. Hier werden keine Leistungsansprüche von Bürger*innen definiert, sondern Verpflichtungen für den öffentlichen Träger – also dem Jugendamt - (hierzu vgl. unten Pkt. III) formuliert, die er unabhängig vom Wunsch und Willen der einzelnen Eltern oder Kinder zu erbringen hat (z.B. Abwehr von Kindeswohlgefährdungen). Die anderen Aufgaben sind ganz unterschiedlicher Art. Sie sind grundsätzlich vom öffentlichen Träger zu erledigen. Nur die anderen Aufgaben, die in § 76 Abs. 1 SGB VIII benannt sind (insbesondere Inobhutnahmen und Mitwirkungen in gerichtlichen Verfahren), können auch von „anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe“ durchgeführt werden – allerdings bleibt auch dann der öffentliche Träger für die Erfüllung der Aufgaben verantwortlich.

In Bezug auf die „anderen Aufgaben“ sind Ausländer deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt.

Die „anderen Aufgaben“ der Kinder- und Jugendhilfe haben kein gemeinsames Merkmal. Sie sind eine Zusammenfassung unterschiedlicher Aufgaben, die das Jugendamt in verschiedenster Hinsicht zu erfüllen hat. Dennoch gibt es zwei zentrale Aufgabenfelder, die hierunter gefasst sind:

  • Maßnahmen zum vorläufigen Schutz von Kindern und Jugendlichen (Inobhutnahme - § 42 SGB VIII – und spezielle Regelungen für die vorläufige Inobhutnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (§§ 42a – 42f SGB VIII) sowie
  • Der Schutz von Kindern und Jugendlichen in Familienpflege und Einrichtungen (§§ 43 – 49 SGB VIII).

Es gibt einen eigenen Paragraphen (§ 76 SGB VIII), der bestimmt, an welchen dieser anderen Aufgaben das Jugendamt anerkannte freie Träger beteiligen kann. Das sind:

  • Die Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII)
  • Die vorläufige Inobhutnahme minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge (§ 42 a SG VIII)
  • Die Erlaubnis zur Kindertagespflege (§ 43 SGB VIII)
  • Die Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50 SGB VIII)
  • Die Beratung und Belehrung in Verfahren zur Annahme als Kind – Adoptionsverfahren (§ 51 SGB VIII)
  • Die Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (§ 52 SGB VIII)
  • Die Beratung und Unterstützung bei Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (§ 52a SGB VIII) sowie
  • Einige Aufgaben bei der Beratung und Unterstützung von Pflegern und Vormündern (§ 53 Abs. 2 bis 4 SGB VIII).

Ob der öffentliche Träger eine solche Beteiligung will und wenn ja, wen er beteiligt, liegt in seinem eigenen Ermessen: er kann beteiligen, er muss es aber nicht. Auf jeden Fall bleibt der öffentliche Träger „für die Erfüllung der Aufgaben verantwortlich“ – wie es in § 76 Abs. 2 SGB VIII heißt.