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Arbeitshilfe

Zugänge zur Kinder- und Jugendhilfe für Migrant*innen-Selbstorganisationen

III. Wer macht was? – Zur Organisation der Kinder- und Jugendhilfe

In der Kinder- und Jugendhilfe gibt es zwei Arten von Trägern. Im Alltag nennt man sie zumeist „öffentliche Träger“ und „frei Träger“. Korrekt heißen sie eigentlich „Träger der öffentlichen Jugendhilfe“ und „Träger der freien Jugendhilfe“[1].

Öffentliche Träger sind staatlich organisierte Träger, die die Gesamtverantwortung dafür tragen, dass alle im SGB VIII genannten Leistungen und anderen Aufgaben überall in Deutschland auch erbracht werden, wobei die Hauptaufgabe von den örtlichen öffentlichen Trägern (Kreise und Städte) erbracht werden.

Freie Träger sind nicht-staatliche Institutionen und Vereine (u.a. Kirchen, Wohlfahrtsverbände Vereine, Jugendverbände, Initiativen, selbstorganisierte Zusammenschlüsse/Selbsthilfegruppen)

 


[1] S. § 3 SGB VIII

Darum geht es in diesem Kapitel


Öffentliche Träger der Kinder- und Jugendhilfe – Was ist „das Jugendamt“?

„Öffentliche Jugendhilfe“ das sind

  • auf der örtlichen Ebene die Kreise und kreisfreien Städte und einige kreisangehörige Städte, die Jugendämter haben.
  • auf der Landesebene die Landesjugendämter als „überörtliche Träger“ und die zuständigen Landesministerien
  • auf der Bundesebene das zuständige Bundesministerium: das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) - abgekürzt häufig auch als Bundesjugendministerium bzw. Bundesfamilienministerium bezeichnet.

Die Leistungen und anderen Aufgaben werden vorwiegend auf der örtlichen Ebene erbracht. Hierfür sind alle Kreise und kreisfreien Städte verpflichtet, ein Jugendamt zu errichten. (Die Länder können aber auch großen kreisangehörigen Städten das Recht einräumen, ein eigenes Jugendamt – innerhalb des Kreises – zu errichten.)

Jugendämter haben in Deutschland eine besondere Struktur, die es so in anderen Behörden nicht gibt: sie sind „zweigliedrig“. Das heißt, sie bestehen einerseits aus der „Verwaltung des Jugendamts“ und andererseits aus dem „Jugendhilfeausschuss“. In § 70 Abs. 1 SGB VIII ist das so formuliert: „Die Aufgaben des Jugendamtes werden durch den Jugendhilfeausschuss und die Verwaltung des Jugendamts wahrgenommen.“


Verwaltung des Jugendamtes

Wenn im Alltag vom „Jugendamt“ die Rede ist, ist zumeist die Verwaltung des Jugendamts gemeint. An einigen Stellen dieser Arbeitshilfe werden wir auch diese verkürzte Sprechweise benutzen.

In Deutschland gibt es knapp 600 Jugendämter. Diese Jugendämter sind sehr unterschiedlich groß (von den Jugendämtern in den Großstädten München oder Köln mit über 1 Mio. Einwohner*innen bis hin zu kleinen kreisangehörigen Jugendämtern in Nordrhein-Westfalen mit 20-30.000 Einwohner*innen. Entsprechend unterschiedlich sind auch ihre Verwaltungen aufgebaut – von 20 bis 30 Mitarbeiter*innen pro Jugendamt bis hin zu weit über 1.000 Mitarbeiter*innen. Jedes Jugendamt als Organisationseinheit muss aber – unabhängig von der dort beschäftigten Personenzahl – ALLE Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in seinem Bereich gewährleisten und finanzieren und Durchführung ALLER anderen Aufgaben sicherstellen.

Exkurs: Zwischen Hilfe und Schutz – Der Allgemeine Sozialdienst (ASD)[1] als eine zentrale Instanz der Verwaltung des Jugendamtes

Der ASD nimmt zentrale Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe wahr. Für junge Menschen und Familien will der ASD Anlaufstelle für alle möglichen Themen der Alltagsbewältigung sein. Wichtige Aufgaben sind:

  • Die Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung
  • Die Beratung in Fragen der Partnerschaft, häuslichen Gewalt, Trennung und Scheidung,
  • Hilfe für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige in Konfliktsituationen
  • Bei Bedarf, Vermittlung von geeigneten und qualifizierten Jugendhilfemaßnahmen (Hilfen zur Erziehung nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz)
  • Der Schutz für Kinder und Jugendliche bei körperlicher, seelischer und sexueller Misshandlung
  • Die Beratung über Leistungen der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe für junge Menschen mit Behinderungen und die Frage, wie man sie von wem bekommt

Exkurs: Die Einbindung freier Träger in den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung

2005 wurde in das SGB VIII ein neuer Paragraph (§ 8a SGB VIII) aufgenommen, in dem ausbuchstabiert wird, wie der „Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung“ wahrzunehmen ist. Mit freien Trägern, die Jugendhilfeleistungen erbringen, muss das örtliche Jugendamt Vereinbarungen zum Kinderschutz abschließen (§ 8a Abs. 4 SGB VIII). In diesen Vereinbarungen muss sichergestellt werden, dass der Träger, wenn seine Fachkräfte Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung wahrnehmen, eine Gefährdungseinschätzung vornehmen, bei der sie eine Fachkraft, die in diesen Fragen besonders erfahren ist, hinzuziehen, und die Problempunkte auch mit dem Kind und seinen Eltern erörtern – sofern dadurch nicht der Schutz des Kindes gefährdet wird! Der Träger soll dann darauf hinwirken, dass die Eltern Hilfen in Anspruch nehmen. Wenn das alles nicht hilft und die Gefährdung weiterhin akut bleibt, dann soll der Träger das Jugendamt informieren, damit dieses tätig werden kann. In manchen Bundesländern (z.B. aktuell im neuen Kinderschutzgesetz in NRW[2]) wird es für Träger zur Voraussetzung einer Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe gemacht, ein „Schutzkonzept“ vorzulegen.

Grundlegende Informationen dazu, was Schutzkonzepte sind und wie sie entwickelt werden können, finden sich auf https://beauftragte-missbrauch.de/themen/schutz-und-praevention/schutzkonzepte, der Seite der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. § 8 b Abs. 1 SGB VIII räumt allen Personen, „die beruflich in Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen stehen“ gegenüber dem Jugendamt einen Beratungsanspruch im Hinblick auf die „Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung im Einzelfall“ ein. Träger von Einrichtungen haben gegenüber dem Landesjugendamt einen Anspruch auf Beratung bei der Entwicklung von Schutzkonzepten und Beteiligungs- und Beschwerdeverfahren in ihren Einrichtungen (§ 8 b Abs. 2 SGB VIII).

 


[1] Grundlegende Informationen über die Arbeit des ASD erhält man auf der Seite www.unterstuetzung-die-ankommt.de/de/das-machen-wir/fuer-eltern/asd/.

[2] S. hierzu die Arbeitshilfe des Paritätischen NRW: ….


Jugendhilfeausschuss

Der Jugendhilfeausschuss ist ein vom Stadtrat oder Kreistag gewählter Ausschuss. Ihm gehören stimmberechtigt zu 3/5 Vertreter*innen der Parteien im Stadtrat bzw. Kreistag und zu 2/5 Vertreter*innen der freien Träger an. Im Hinblick auf die Vertretung der freien Träger sind die „Vorschläge der Jugendverbände und der Wohlfahrtsverbände“ angemessen zu berücksichtigen[1].

Im Rahmen der vom Stadtrat bzw. Kreistag gefassten Beschlüsse und der von ihm zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel hat der Jugendhilfeausschuss ein Beschlussrecht in allen Angelegenheiten der Jugendhilfe. Diese Beschlüsse binden dann auch das Handeln der Verwaltung des Jugendamtes.[2]

Wie groß der Jugendhilfeausschuss konkret ist, wer dort den Vorsitz hat, welche weiteren beratenden Mitglieder dem Jugendhilfeausschuss angehören – all das sind Fragen, die das Bundesrecht (SGB VIII) nicht näher regelt, sondern das Landesrecht. In § 71 Abs. 6 SGB VIII heißt es dazu: „Das Nähere regelt Landesrecht.“

Noch detailliertere Regularien finden sich in den Satzungen der Jugendämter der jeweiligen Städte bzw. Landkreise – diese sind oft über das Internet recherchierbar – ansonsten: direkt im Jugendamt erfragen. In der kommunalen Praxis macht es Sinn, sich nicht nur mit den allgemeinen gesetzlichen Grundlagen auszukennen, sondern auch mit den ganz konkreten Regelungen vor Ort.[3]

Die Arbeit im Jugendhilfeausschuss ist eine anspruchsvolle Herausforderung, wenn sie sich ernsthaft den Anforderungen des Gesetzgebers stellt, für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern für ein unterstützendes lebendiges Gemeinwesen zu sorgen. Sie unterscheidet sich von der Arbeit der anderen Ratsausschüsse einer Kommune dadurch, dass sie unmittelbar den Rahmen für die Tätigkeit der Verwaltung des Jugendamtes darstellt und durch die verbindliche Einbeziehung von Vertreter/- innen der anerkannten Träger der freien Jugendhilfe Sachverstand von außen einbindet. In seinem Beschluss vom 18.6.2004 (8 B 41.04) hatte das Bundesverwaltungsgericht den Jugendhilfeausschuss im Unterschied zu anderen kommunalen Ausschüssen so charakterisiert: „Der Jugendhilfeausschuss zählt nicht zu diesen Ausschüssen. Es handelt sich bei ihm um ein bundesrechtlich konstituiertes Kommunalorgan, das den so genannten beschließenden Ausschüssen des Kommunalrechts ähnelt, aber die Besonderheit aufweist, dass er nur teilweise die politischen Mehrheitsverhältnisse der Vertretungskörperschaft widerspiegelt und im Übrigen von Vertretern der freien Jugendhilfe und sachverständigen Bürgern besetzt wird. Der Jugendhilfeausschuss ist danach nicht in die übliche kommunalverfassungsrechtliche Struktur eingeordnet, insbesondere gehört er als Teil des Jugendamts zur Verwaltung der Gebietskörperschaft und nicht zum Rat, sondern steht diesem gegenüber.“

Der Jugendhilfeausschuss hat drei grundlegende Rechte:

  • Das Beschlussrecht in Angelegenheiten der Jugendhilfe im Rahmen der von der Vertretungskörperschaft (also dem Stadtrat bzw. Kreistag) zur Verfügung gestellten Mittel, der von ihr erlassenen Satzung und der von ihr gefassten Beschlüsse.
  • Das Anhörungsrecht: Der JHA soll vor jeder Beschlussfassung der Vertretungskörperschaft in Fragen der Jugendhilfe und vor der Berufung eines Leiters bzw. einer Leiterin des Jugendamtes gehört werden.
  • Das Antragsrecht: Der JHA hat das Recht, an die Vertretungskörperschaft Anträge zu stellen.

 


[1] S. § 71 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII

[2] S. § 71 Abs. 2 SGB VIII

[3] Zur Arbeit von Jugendhilfeausschüssen hat der Paritätische eine Arbeitshilfe erstellt, die 2015 in 3. Auflage überarbeitet wurde und die weitgehend nach wie vor aktuell ist. Sie enthält auch ein Glossar zu den wichtigsten Begriffen der Kinder und Jugendhilfe (S. 33 – 53): (https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/doc/A4_JHA-2015_web.pdf)

Der Paritätische Landesverband Berlin hat eine hierzu ergänzende Arbeitshilfe herausgegeben: „Der bezirkliche Jugendhilfeausschuss in der Praxis – von Fall zu Fall“ mit Fallbeispielen und Lösungen: www.paritaet-berlin.de/uploads/media/JHA_Praxis_final_150813_01.pdf

„Die durchaus humorvoll dargestellten Fälle werden kompetent mit Hilfe von Landesrecht entwirrt. Die bundesrechtlichen Bestimmungen geben dabei zwar – wichtige! – Rahmungen ab, aber eben auch nicht mehr. Es wird in dieser Arbeitshilfe aber auch deutlich, dass präzises Rechtswissen ein ganz wichtiges Instrument für die Arbeit im Jugendhilfeausschuss ist, aber eben auch kein hinreichendes, denn es bleiben immer noch viele Gestaltungsräume für die politische Kultur und den jugendpolitischen Pragmatismus offen, die engagiert und klug gefüllt werden müssen.“ – heißt es hierzu in der Einleitung.

 


Was ist und was macht ein Landesjugendamt?

„Die Aufgaben des Landesjugendamtes werden durch den Landesjugendhilfeausschuss und durch die Verwaltung des Landesjugendamtes im Rahmen der Satzung und der dem Landesjugendamt zur Verfügung gestellten Mittel wahrgenommen“ – heißt es in § 70 Abs. 3 SGB VIII.

Die Länder bestimmen, wer „Träger der öffentlichen Jugendhilfe“ ist (§ 69 Abs. 1 SGB VIII). Und der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist dann verpflichtet, ein Landesjugendamt zu errichten (§ 69 Abs. 3 SGB VIII). Dadurch kommt es, dass die Verwaltung des Landesjugendamtes in den Bundesländern sehr unterschiedlich zugeordnet ist. In einigen Bundesländern sind die Landesjugendämter bei höheren Kommunalbehörden angesiedelt (Baden-Württemberg, NRW), in manchen bei Landesoberbehörden (Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt) und in wiederum anderen sind sie Teil des zuständigen Ministeriums (Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen, Thüringen und in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg).[1]

Die Kernaufgaben der Landesjugendämter sind in § 85 Abs. 2 SGB VIII beschrieben:

„1. die Beratung der örtlichen Träger und die Entwicklung von Empfehlungen zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch,

2. die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den örtlichen Trägern und den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe, insbesondere bei der Planung und Sicherstellung eines bedarfsgerechten Angebots an Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und Hilfen für junge Volljährige,

3. die Anregung und Förderung von Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen sowie deren Schaffung und Betrieb, soweit sie den örtlichen Bedarf übersteigen; dazu gehören insbesondere Einrichtungen, die eine Schul- oder Berufsausbildung anbieten, sowie Jugendbildungsstätten,

4. die Planung, Anregung, Förderung und Durchführung von Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe,

5. die Beratung der örtlichen Träger bei der Gewährung von Hilfe nach den §§ 32 bis 35a, insbesondere bei der Auswahl einer Einrichtung oder der Vermittlung einer Pflegeperson in schwierigen Einzelfällen,

6. die Wahrnehmung der Aufgaben zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen (§§ 45 bis 48a),

7. die Beratung der Träger von Einrichtungen während der Planung und Betriebsführung,

8. die Fortbildung von Mitarbeitern in der Jugendhilfe,

9. die Gewährung von Leistungen an Deutsche im Ausland (§ 6 Absatz 3), soweit es sich nicht um die Fortsetzung einer bereits im Inland gewährten Leistung handelt,

10. die Erteilung der Erlaubnis zur Übernahme von Pflegschaften oder Vormundschaften durch einen rechtsfähigen Verein (§ 54).“

 


[1] Die Landesjugendämter haben sich in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAGLJÄ) zusammengeschlossen. Auf deren Homepage (www.bagljae.de) findet sich eine jeweils aktuelle Liste der Landesjugendämter.

 


Freie Kinder- und Jugendhilfe - Was ist ein „freier Träger“?

„Freie Jugendhilfe“ – darin drückt sich schon aus: Jede*r kann sich in der Kinder- und Jugendhilfe im Prinzip frei betätigen – man braucht keine Erlaubnis der öffentlichen Träger, um Angebote für Kinder und Jugendliche zu machen.

Aber von dieser Regel gibt es wichtige Ausnahmen:

  • wenn man eine Einrichtung betreibt, dann muss man dafür eine Erlaubnis haben, bevor man mit der Arbeit beginnt – eine Betriebserlaubnis[1]. „Einrichtungen“ sind z.B. Kindertageseinrichtungen Krabbelstuben, Wohngruppen, Kinderheime und Ähnliches. Was eine Einrichtung genau ist, ist seit 2021 in § 45a SGB VIII definiert. Zuständig für die Erteilung einer Betriebserlaubnis sind in der Regel die Landesjugendämter.
  • Wenn man Kinder in Pflege nimmt, sei es in Kindertagespflege[2] oder als Pflegekinder[3] braucht man eine Erlaubnis vom örtlichen Jugendamt.

Der Grund für diese Ausnahmen ist, dass der Staat verpflichtet ist, Kinder vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen. Grundsätzlich sind die Eltern dafür zuständig, ihre Kinder vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen. Wenn die Eltern aber ganztägig oder für einen Teil des Tages gar nicht mit ihren Kindern zusammen sind und sie deshalb nicht selber schützen können, muss dieser Schutz anders gewährleistet werden. Dazu sind Betriebserlaubnisse und Pflegeerlaubnisse da.

Der Begriff „Träger der freien Jugendhilfe“ umfasst zunächst einmal sowohl gemeinnützige Organisationen wie auch privat-gewerbliche. In einigen Bestimmungen des SGB VIII sind allerdings nur die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe angesprochen – und die müssen gemeinnützig sein[4]. Die Gemeinnützigkeit der Träger ist auch im Hinblick auf die Förderung der freien Jugendhilfe wichtig[5].

 


[1] S. § 45 SGB VIII

[2] S. § 43 SGB VIII

[3] S. § 44 SGB VIII

[4] S. § 75 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII

[5] S. § 74 Abs. 1 Nr.3 SGB VIII


Wie bekommt man eine „Anerkennung“ als freier Träger?

Für freie Träger in der Kinder- und Jugendhilfe besteht die Möglichkeit einer spezifischen „Anerkennung als freier Träger der Kinder und Jugendhilfe“. Zuständig für die Anerkennung als freier Träger ist auf der örtlichen Ebene der Jugendhilfeausschuss (§ 71 SGB VIII).

Eine solche Anerkennung ermöglicht besondere Handlungsspielräume für die Träger. Die Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII gewährt Vorschlagsrechte für Jugendhilfe- und Landesjugendhilfeausschüsse (§ 71 Abs. 1 Nr. 2; Abs. 4 Satz 1 SGB VIII) sowie Rechte auf Beteiligung und Zusammenarbeit (z. B. §§ 4 Abs. 2, 76 Abs.1, 78, 80 Abs.3 SGB VIII). Eine auf Dauer angelegte Förderung setzt in der Regel eine Anerkennung voraus (§ 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Die Förderung eines Trägers ist allerdings nicht grundsätzlich an die Anerkennung gebunden. Auch Organisationen, die (bisher) noch keine Anerkennung haben, können sich also um eine Förderung bemühen.

§ 75 SGB VIII regelt die „Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe“ auf einer allgemeinen Ebene. Danach müssen fünf grundsätzliche Voraussetzungen erfüllt sein, um eine Chance zu haben, als freier Träger anerkannt zu werden:

  1. Es muss sich um eine „juristische Person“ oder eine „Personenvereinigung“ handeln,
  2. die „auf dem Gebiet der Jugendhilfe im Sinne des § 1 tätig“ ist und
  3. gemeinnützige Ziele verfolgt, sodann
  4. „aufgrund der fachlichen und personellen Voraussetzungen“ erwarten lässt, „einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe zu leisten imstande“ ist und schließlich
  5. Die Gewähr bietet, „eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit“ zu leisten.

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und die Organisation „mindestens drei Jahre“ in der Jugendhilfe tätig war, hat sie einen Rechtsanspruch auf die Anerkennung (§ 75 Abs. 2 SGB VIII)!

In den Bundesländern ist es unterschiedlich in den Landesausführungsgesetzen geregelt, ob Mitgliedsorganisationen von „Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege“[1] unmittelbar anerkannte Träger sind oder ob sie ein eigenes Anerkennungsverfahren durchlaufen müssen.

Das ist alles recht abstrakt und wird in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich konkretisiert. Exemplarisch für das Bundesland Berlin zitieren wir hier die „Voraussetzungen für die Anerkennung nach § 75 Abs.1 SGB VIII“:

„2.1. Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe (§ 75 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII)

2.1.1. Der anzuerkennende Träger muss selbst auf dem Gebiet der Jugendhilfe tätig sein, d. h. selbst Leistungen erbringen, die unmittelbar oder mittelbar zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe beitragen. Nicht ausreichend wäre es, wenn ein Träger sich nur darauf beschränken würde, bestimmte kinder- und jugendpolitische Forderungen gegenüber Politik und Öffentlichkeit oder gegenüber der Praxis der Jugendhilfe zu vertreten. Als Leistungen, die mittelbar der Jugendhilfe dienen, kommen nur solche in Betracht, die speziell auf die pädagogischen Ziele des SGB VIII ausgerichtet sind, nicht etwa nur auf die Schaffung äußerer Rahmenbedingungen (z. B. Bereitstellung von Räumen) sowie auf die Vermittlung fachspezifischer Kenntnisse oder auf eine reine Leistungsförderung.

2.1.2. Als Träger der freien Jugendhilfe können nur solche Träger anerkannt werden, die sich nicht auf die Vermittlung einzelner Kenntnisse und Fähigkeiten beschränken, sondern die Entwicklung junger Menschen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zum Ziel haben (vgl. § 1 Abs. 1 SGB VIII).

2.1.3. Durch den Verweis auf § 1 SGB VIII wird deutlich, dass das gesamte Ziel-, Adressaten- und Aufgabenspektrum des SGB VIII als mögliche Betätigungsform in Frage kommt. Daher ist eine Anerkennung auch dann zulässig, wenn sich die Tätigkeit des freien Trägers nur auf einen bestimmten Teilbereich der Jugendhilfe erstreckt.

2.1.4. Außerdem müssen Träger der freien Jugendhilfe nicht ausschließlich oder überwiegend Aufgaben der Jugendhilfe erfüllen. Die Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe muss aber sowohl nach der Satzung bzw. nach dem Gesellschaftsvertrag als auch in der praktischen Arbeit als ein genügend gewichtiger, von anderen Aufgaben abgegrenzter Schwerpunkt erscheinen. Im Anerkennungsbescheid sollte in diesen Fällen zum Ausdruck kommen, auf welche vom Träger wahrgenommenen Aufgaben der Jugendhilfe sich die Anerkennung bezieht.

2.1.5. Nicht anerkannt werden können Träger, die außerhalb der Jugendhilfe liegende Ziele verfolgen, selbst wenn sie mit ihren Angeboten zum Teil auch junge Menschen ansprechen. Deshalb sind z. B. nicht als Träger der freien Jugendhilfe anzusehen: Vereinigungen, die ihre Angebote ohne jugendspezifische Zielsetzung sowohl an Erwachsene wie an Jugendliche richten oder kommerzielle Zwecke verfolgen, Träger der Erwachsenenbildung, sofern sie nicht auch Aufgaben der Jugendhilfe (z. B. Familienbildung) wahrnehmen, Vereinigungen, die außerhalb der Aufgaben der Jugendhilfe liegende allgemeine Aufklärung und Information anbieten, Träger deren Tätigkeit sich auf eine unterrichtsunterstützende sozialpädagogische Förderung oder auf außerhalb der Jugendhilfe liegende Ziele im Bildungsraum der Schule und Hochschule konzentriert (z.B. Schülergruppen und Schülerverbände sowie Studentenvereinigungen), Jugendpresseverbände, soweit sie überwiegend auf die Schule ausgerichtet sind, Jugendorganisationen politischer Parteien sowie Jugendorganisationen , die mit politischen Parteien verbunden sind, Vereinigungen, die überwiegend der Lehre und Verbreitung einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft dienen.“

Ein Träger, der diese Voraussetzungen erfüllt, sollte sich zunächst an das Jugendamt wenden und sein Anliegen vortragen. Wenn dort signalisiert wird, dass keine Bedenken gegen eine Anerkennung bestehen, kann man das Jugendamt bitten, den Antrag auf Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe dem Jugendhilfeausschuss zur Beschlussfassung vorzulegen.

Wenn vom Jugendamt Bedenken signalisiert werden, kommt es darauf an, welcher Art diese Bedenken sind. Entweder kann man sie selbst aus dem Weg räumen oder aber, wenn es um grundsätzlichere Fragen geht, sollte man Verbündete im politischen Raum, bei den anderen Trägern und bei den Mitgliedern im Jugendhilfeausschuss suchen.

 


[1] Die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege sind: die Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Deutsche Caritasverband (DCV), das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Diakonie Deutschland (DW), der Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWSt)