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Schwerpunkt

Wohnen

Wohnhäuser von oben
Mika Baumeister/Unsplash
Wohnen ist ein existenzielles Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Doch in städtischen und ländlichen Regionen mangelt es zunehmend an bezahlbarem und vor allem würdigem Wohnraum. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Paritätische Gesamtverband für eine soziale Wohnungspolitik ein. Es ist die Aufgabe dieser Politik, allen Menschen einen ihren individuellen Bedürfnissen angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Paritätisches Positionspapier für eine soziale Wohnungspolitik

Wohnen gehört zu den existenziellen Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Jedoch hat sich die Situation auf dem deutschen Wohnungsmarkt in den letzten Jahren deutlich zugespitzt. Die Versorgung mit geeignetem Wohnraum stellt mittlerweile nicht nur für Menschen in besonderen Lebenslagen wie obdachlose Menschen, Geflüchtete, Menschen mit Behinderung, ältere Menschen oder Menschen aus einkommensschwachen Haushalten eine große Herausforderung dar, sondern bereits Haushalte mit mittleren Einkommen sind betroffen. Vor allem in Wachstumsregionen und ländlichen Regionen fehlt es an bezahlbarem und passendem Wohnraum. Dass diese prekäre Situation entstanden ist, liegt maßgeblich an den wohnungsbaupolitischen Fehlentscheidungen und Versäumnissen der vergangenen 25 Jahre: ein Rückgang öffentlich geförderter und gebundener Sozialwohnungen, der Verkauf kommunaler Wohnungsbestände, die Vergabe öffentlicher Liegenschaften, die sich an Höchstgeboten orientiert, Spekulationen mit Grundstücken sowie Mietpreiserhöhungen bei Neuvermietung und Modernisierung. Infolge dieses Mangels sind auch soziale Träger mit der Situation konfrontiert, Menschen mit Betreuungsbedarf abweisen zu müssen, da sie keine preisgünstige Wohnung für sie finden.

Nicht selten sind Menschen gezwungen, ihre gewohnten Nachbarschaften und Lebenswelten zu verlassen und weitere Wege sowie damit verbundene Mobilitätskosten in Kauf zu nehmen. Teilweise werden Menschen durch gesetzliche Vorgaben in ihrer freien Wohnortwahl eingeschränkt. Diese Form von Segregations- und Verdrängungsprozessen auf dem Wohnungsmarkt beeinträchtigt nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern schlägt sich auch in Lebenschancen nieder und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt. Wohnen bedeutet immer auch Begegnung und Zusammenleben, Selbstbestimmung und Teilhabe an der Gesellschaft. Damit beeinflusst Wohnungspolitik die Umsetzung der Ziele in der sozialen Arbeit entscheidend.

Demzufolge bringt sich der Paritätische stärker in wohnungspolitische Fragen ein. Dies bedeutet konkret, sich verstärkt an politischen Diskursen zur Bereitstellung, zum Zugang, zur Nutzung und Sicherung von Wohnraum zu beteiligen, auf die benachteiligte Situation von Menschen in besonderen Lebenslagen aufmerksam zu machen sowie inklusive Gemeinwesen mitzugestalten.
Um eine soziale und bedarfsgerechte Wohnungspolitik zu gestalten, die Menschen in besonderen Lebenslagen sowie sozialen Trägern und den Bewohner/-innen einen ihren individuellen Bedürfnissen entsprechenden Wohnraum zur Verfügung stellt, fokussiert das vorliegende Papier die Schaffung von bezahlbarem und sozial verträglichem Wohnraum als zentralen Ansatzpunkt. Weitere wohnungspolitische Ansätze zu einer sozial gerechten Wohnraumversorgung sind die Gewährleistung eines gleichberechtigten Marktzugangs für besondere Bedarfsgruppen, die Sicherung bestehenden Wohnraums sowie die Förderung eines inklusiven Gemeinwesens. Insgesamt ist für eine bedarfsgerechte Wohnungspolitik eine umfassende Objekt- wie auch Subjektförderung nötig.

Zur Umsetzung einer sozialen Wohnungspolitik müssen Bund, Länder und Kommunen ihre jeweiligen Verantwortungen und Steuerungsmöglichkeiten in diesem Bereich stärker wahrnehmen. Insbesondere die Kommunen haben hier bei der Bodenpolitik und der öffentlichen Wohnungsbewirtschaftung erheblichen Einfluss. Für eine bessere Wohnraumversorgung für Menschen in besonderen Lebenslagen sollten die Akteure des Wohnungsmarktes und freie Träger ihre Kooperationen insgesamt verstärken.

Ein Instrument zur Schaffung von mehr Wohnraum für einkommensschwache Haushalte kann die Wiedereinführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit sein. Bis 1990 waren praktisch alle größeren Wohnungsunternehmen gemeinnützig. Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen bedeutete in erster Linie, dass die Unternehmen maximal 4 Prozent Rendite an ihre Gesellschafter auskehren bzw. -zahlen durften, weiteres erwirtschaftetes Geld in den Wohnungsbau reinvestieren mussten, auch in freifinanzierten Wohnungen nur die Kostenmiete verlangen durften, Verkaufsbeschränkungen unterlagen, dauerhaft belegungsgebunden waren und im Gegenzug steuerbefreit waren. Das führte in der Nachkriegszeit zu einem wahren Wohnungsbauboom, der besonders im mittleren und unteren Preissegment Wohnraum im großen Stil geschaffen hat. Das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz wurde im Jahr 1990 abgeschafft und Millionen bis dahin preisgebundene Wohnungen dem Marktgeschehen überlassen. Den Logiken des Kapitalmarktes ausgeliefert, wurde der Markt für sozial verträgliche Wohnungen immer enger, und das obwohl statistisch gesehen viel gebaut wurde; allerdings immer mehr im hochpreisigen Segment und immer weniger für einkommensschwache Haushalte. Heute fehlen diese preisgünstigen Wohnungen mehr denn je.

Der Paritätische erklärt die Wiedereinführung einer neuen gemeinnützigen Wohnungswirtschaft für notwendig, um die Steuerungsfähigkeit für den Wohnungsmarkt zu erhöhen.

Es besteht ein erheblicher Mangel an sozialem Wohnungsbau, um Haushalte niedrigen und mittleren Einkommens mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. 80.000 neue Sozialwohnungen werden jährlich benötigt, um die Nachfrage nach sozialem Wohnungsbau zu decken. Lediglich rund 25.000 Wohnungen wurden 2016 neu geschaffen. In den Jahren 2012 bis 2015 fielen 297.000 Wohnungen aus der Sozialbindung, während trotz zunehmender Nachfrage nur 156.000 gefördert wurden. Aufgrund der begrenzten Belegungsbindung sind die öffentlichen Investitionen zudem nicht nachhaltig. Wenn sich diese dramatische Entwicklung mit diesem rasanten Tempo fortsetzt, dann wird der Bestand an Sozialwohnungen die Marke von 1,3 Millionen bald unterschreiten. Um diese Situation zu verbessern, müssen Bund und Länder massiv in den sozialen Wohnungsbau investieren. Dringend notwendig sind der Neubau von Sozialmietwohnungen und der Ausbau der mittelbaren Belegungsbindungen. Die kürzlich beschlossene Aufstockung der Bundesmittel um 500 Millionen Euro ist jedenfalls längst nicht ausreichend.

Der Paritätische fordert daher zusätzliche öffentliche Investitionen, um den weiteren Schwund an Sozialmietwohnungen zu stoppen. Zur nachhaltigen Sicherung von Sozialwohnungen müssen die Belegungsbindungen dauerhaft bestehen und bereits ausgelaufene Bindungen zurückgekauft werden. Daneben müssen Bund und Länder eine eindeutige Zweckbindung dieser Finanzmittel für die soziale Wohnraumförderung vereinbaren. Für einen bedarfsdeckenden sozialen Wohnungsbau ist die dauerhafte Zuständigkeit des Bundes in gemeinsamer Verantwortung mit den Ländern sicherzustellen.

Die Vergabe öffentlicher Grundstücke von Bund, Ländern und Kommunen wird häufig genutzt, um die öffentlichen Kassen zu sanieren, indem Bauland zu Höchstpreisen veräußert wird. Sozialen Kriterien wie das Schaffen von Sozialwohnungen oder die Berücksichtigung von gemeinwohlorientierten Wohnprojekten kommt bei der Bodenvergabe eine geringere Relevanz zu, obwohl diese kostengünstigen Wohnraum schaffen könnten. Hoch verschuldete Kommunen unter Konsolidierungsauflagen werden sogar angewiesen, Flächen höchstbietend zu veräußern und können gegenüber den Bauträgern keinen Einfluss auf die inhaltliche Qualität des Konzeptes nehmen. Auch die gegenwärtigen Modalitäten des Verfahrens nach Konzeptvergabe, insbesondere die finanziellen Voraussetzungen zur Erstellung eines Konzeptes und die Bauvorplanungen, erschweren den kleinen Vereinen und Verbänden eine Beteiligung zusätzlich.
Ein Modell um Grundstücke für soziale Zwecke zu leistbaren Preisen zu erwerben, wird in Wien praktiziert. Dort erwirbt ein im Eigentum der Stadt befindlicher Wohnfonds Grundstücke, um sie an Bauträger für geförderte Wohnungsvorhaben zu veräußern.
Weiterhin ist die vermehrte Vergabe von Erbbaurechten ein Instrument, um den dynamisch steigenden Bodenpreisen entgegenzutreten. Erbbaurecht trennt das Eigentum am Grundstück von dem Eigentum am darauf befindlichen Gebäude. Bauträger müssen die Kosten für das Grundstück folglich nicht auf die Mietkosten umlegen, da sie an dem Erwerb dessen nicht beteiligt sind. Stattdessen wird ein Erbbauzins über die vereinbarte Laufzeit des Erbbaurechts entrichtet.
Spekulation mit Grundstücken und Wohnungen sind ein soziales Problem. Sie schlagen sich in den Bau- und Mietkosten nieder und verengen den Marktzugang einkommensschwacher Haushalte sowie deren freie Wahl des Wohnortes weiter. Alle Maßnahmen müssen darauf abzielen diese Spekulationen zu unterbinden bzw. einzudämmen, um gemeinwohlorientierte und soziale Aspekte in der Wohnraumpolitik wieder zur Geltung zu bringen.

Der Paritätische tritt dafür ein, die Voraussetzungen für bezahlbaren Boden und preiswertes Bauen zu schaffen, um Wohnen als soziales Gut zu stärken. Für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums muss die Vergabe öffentlicher Grundstücke des Bundes, der Länder und Kommunen zum Höchstpreis überwunden und die Vergabe nach sozialen Kriterien stärker berücksichtigt werden. Vorhandenes Bauland muss zügig bereitgestellt und Baugenehmigungsverfahren beschleunigt werden. Insbesondere die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) sollte die Veräußerung von Grundstücken unter Berücksichtigung gemeinwohlorientierter Ziele ausrichten und Grundstücke nicht weiter zum Höchstpreis sondern nach Konzeptqualität vergeben. Die im Rahmen der Verbilligungsrichtlinie bestehenden Möglichkeiten der BImA zur verbilligten Abgabe von Grundstücken zu sozialen Zwecken an die Kommunen sollte vom Bund auch in der Praxis vollumfänglich umgesetzt werden. Zudem sollten die Kommunen im Sinne gemeinwohlorientierter Ziele Boden stärker über Erbbaurechte vergeben.

Für Menschen mit geringem Einkommen, Menschen mit Behinderungen, straffällig gewordene Menschen, aber auch diejenigen, die als Migrant/-innen und Geflüchtete bezeichnet werden, stellt die Wohnungssuche eine große Herausforderung dar. Sie sind häufig Diskriminierungen bei der Bewerbung um eine Wohnung und nachbarschaftlichen Vorurteilen ausgesetzt. Dies wird besonders sichtbar bei den geforderten Nachweisen zur Bewerbung um Wohnraum und den langwierigen institutionellen Bearbeitungsprozessen.
Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sind "Benachteiligungen (...) wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen." (§ 1 AGG). Doch hinsichtlich des Wohnungsmarktes gibt es Ausnahmeregelungen; so ist eine unterschiedliche Behandlung zulässig "im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse" (§ 19 Abs. 3 AGG). Die Ausnahmeregelung soll nicht als allgemeine Rechtfertigung für Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt dienen. Deren missbräuchliche Umsetzung in der Praxis muss entgegnet werden. Vielmehr muss die Klausel als positive Maßnahme zugunsten der Herstellung von heterogenen Bewohnerstrukturen implementiert werden.

Der Paritätische fordert Schutz vor Diskriminierung und Benachteiligung. Vor allem die praktische Umsetzung der Bestimmungen für den Wohnungsmarkt des AGG muss sorgfältig geprüft werden. Diskriminierungsstrukturen müssen abgebaut und ein gleichberechtigter Zugang zu (bezahlbarem) Wohnraum für alle ermöglicht werden. Bestehenden Benachteiligungen muss durch den Abbau von Zugangsbarrieren bei der Wohnraumvergabe und Vorurteilen durch eine entsprechende Sensibilisierung in Behörden und bei Vermieter/-innen begegnet werden.

Barrierefreiheit ist eine Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Barrierefreiheit meint den Zustand, in dem bauliche und sonstige Anlagen ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Dies gilt insbesondere für die Bedürfnisse der Familien, der jungen und alten Menschen und für Menschen mit Behinderungen, sie alle brauchen barrierefreien bzw. -reduzierten Wohnraum ebenso wie ein barrierefrei gestaltetes Umfeld.

Die Barrierefreiheit muss im öffentlichen und privatwirtschaftlichen Bereich, insbesondere im Wohnbereich, sichergestellt werden. Insbesondere nicht nachgekommen wurde bisher jedoch der Forderung nach einer Verpflichtung von Barrierefreiheit im privatwirtschaftlichen Bereich nach einem gestuften Umsetzungskonzept, das dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung trägt.

Der Paritätische fordert umfassende Regelungen zur Herstellung von Barrierefreiheit im Bereich des Wohnens, die eine gesetzliche Verpflichtung, einschließlich einer verbindlichen Frist bzw. eines verbindlichen Stufenplans zur Umsetzung der Barrierefreiheit für den privatwirtschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Bereich beinhaltet. Insbesondere dort, wo öffentliche Förderungen bestehen, muss eine Auflage zur Schaffung von barrierefreiem Wohnraum bestehen.

Wohnungsnotfälle liegen dann vor, wenn Menschen aktuell von Wohnungslosigkeit betroffen sind, unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedroht sind oder in unzumutbaren Wohnverhältnissen leben. Der Erhalt von Wohnraum hat oberste Priorität. Die kommunalen Fachstellen für Wohnungsnotfälle unterstützen Klient/-innen durch Koordination der notwendigen Hilfen, Vermittlung in Wohnraum und individuelles Sozialmanagement. Prävention von Wohnungsnotfällen sowie die Wohnungsnotfallhilfe kann jedoch nur dann gut funktionieren, wenn es zur funktionsfähigen Kooperation der verantwortlichen Akteure wie z.B. der Wohnungslosenhilfe, Schuldnerberatung, Jobcenter u.a. kommt. Die Ziele gemeinsamer Kooperationsverbünde sind die Verhinderung von Wohnungsverlusten, die Verkürzung des Aufenthaltes in ordnungsrechtlicher Unterbringung durch Begleitung und Beratung sowie die Integration aller Wohnungsnotfallhaushalte. Insbesondere bei Jugendlichen unter 25 Jahren ist die Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Hilfesystemen unerlässlich, um Notsituationen entsprechend abfedern zu können und Jugendlichen die Unterstützung zu geben, die sie benötigen.

Der Paritätische fordert vom Bund ein Förderprogramm zur Einrichtung von kommunalen Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlusten unter Beteiligung freier Träger. Aus Sicht des Paritätischen ist es auch notwendig, verbindliche Kooperationen zwischen den unterschiedlichen Akteuren (Kommune, freien Trägern und Wohnungsunternehmen) zu fördern, um effektiver Wohnraumverlust zu vermeiden. Das Beratungsangebot sollte ausgebaut und die Prävention von Wohnungsverlust verstärkt werden. Um Wohnungsverlust zu vermeiden, sollten Räumungsklagen in einer Sammelstelle registriert und verhindert werden. Darüber hinaus spricht sich der Paritätische dafür aus, eine Mietschuldenübernahme im SGB II auch als Beihilfe zu ermöglichen.

Gemeinnützige Organisationen mieten in der Regel geeignete Wohnungen an, untervermieten sie an die jeweilige Klientel und stellen deren Betreuung selbst oder durch andere Organisationen sicher. Die Träger des betreuten Wohnens stehen vor dem Dilemma, dass soziales Wohnraummietrecht nur für natürliche Personen gilt, die mieten. Der soziale Träger als Wohnungsvermittler/-in für Personen, deren Chancen am Wohnungsmarkt geringer sind, fällt nicht darunter. Bei deren Mietverhältnis zum/zur Eigentümer/-in handelt es sich um eine Geschäftsmiete, in deren Rahmen Kündigungen und Mieterhöhungen leicht durchsetzbar sind. Demgegenüber genießen die Klient/-innen gegen den Träger den Schutz des Wohnraummietrechtes. Durch die Wohnraumverknappung und das flächendeckende Auftreten stark renditeorientierter Investoren verlieren vermehrt soziale Träger durch Kündigung, insbesondere in Ballungsräumen, ihren angemieteten Wohnraum.

Der Paritätische fordert für soziale Träger und damit auch für die von ihnen betreuten Menschen eine sichere Rechtsposition in Bezug auf die Wohnraumerhaltung zu schaffen. Sie stellt eine wichtige Voraussetzung zur Erfüllung der originären Aufgaben sozialer Träger dar. Dazu ist es notwendig, die sozialen Träger in den gesetzlichen Schutzbereich des Wohnraummietrechtes einzubeziehen.

Als sozialpolitisches Instrument der Wohnungspolitik soll das Wohngeld einkommensschwache Haushalte bei den Wohnkosten unterstützen, indem in Abhängigkeit von den Haushaltsmitgliedern, dem monatlichen Gesamteinkommen und der monatlichen (Bruttokalt-)Miete ein Mietzuschuss gewährt werden kann. Jedoch bildet das Wohngeld die soziale Realität nicht fortwährend ab: vor der Wohngeldreform zum 01.01.2016 (Gesetz zur Reform des Wohngeldrechts und zur Änderung des Wohnraumförderungsgesetzes, WoGRefG), wurde dies 2009 letztmalig an die Einkommens- und Mietenentwicklung angepasst. 2011 wurde zudem die vormals enthaltene Heizkostenkomponente ersatzlos herausgestrichen, wodurch die Entlastungswirkung des Wohngeldes für einkommensschwache Haushalte weiter sank. Zwar wurde bei der Wohngeldnovelle 2016 neben dem Anstieg der Kaltmieten auch die Entwicklung der warmen Nebenkosten (Heizung, Warmwasser) berücksichtigt, dies allerdings nur einmalig. Berechnungsgrundlage des Wohngeldes bleibt weiterhin die Bruttokaltmiete. Auch die Stromkosten werden bei der Berechnung des Wohngeldes nicht bemessen.

Der Paritätische fordert eine dynamische, jährliche Anpassung des Wohngeldes, um der Verdrängung einkommensschwacher Haushalte aus den Innenstädten entgegenzuwirken und ihren bestehenden Wohnraum zu sichern. Zu diesem Zweck ist eine fortlaufende Anpassung des Wohngeldes an die tatsächliche und aktuelle Wohnkosten- und Einkommensentwicklung sowie die Einführung einer Energiekostenkomponente dringend geboten.

Die Paragrafen 22 SGB II bzw. 35 SGB XII sehen die Übernahme der Kosten der Unterkunft (KdU) für Leistungsempfänger/-innen vor, soweit diese angemessen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes bestimmt sich die angemessene Höhe der KdU durch die für den/die Leistungsempfänger/-in angemessene Quadratmeterzahl und Mietpreis pro Quadratmeter. Die als angemessen eingestuften Bedarfe für die Unterkunft spiegeln die Entwicklung der Preise pro Quadratmeter auf dem Wohnungsmarkt jedoch nur bedingt wider. Insbesondere in Wachstumsregionen, die von erheblichen Mietpreissteigerungen, einer hohen Nachfrage und einem geringen Angebot an bezahlbaren Wohnraum geprägt sind, ist es schwierig eine den Angemessenheitsanforderungen entsprechende Wohnung zu finden. In der Folge müssen die Leistungsberechtigten ihren Wohnort in Gebiete mit preiswertem Wohnraum verlagern, in Wohngemeinschaften ziehen oder ihre Wohnfläche einschränken, um den Angemessenheitskriterien zu entsprechen. Insbesondere bei der Wohnfläche sollte eine Mindestgröße nicht unterschritten werden. Gleichfalls muss der Wohnraum den individuellen Bedarfen der Leistungsberechtigten entsprechen. Zudem führt der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit zu zahlreichen Streitigkeiten und Rechtsverfahren bei den Sozialverwaltungen und Sozialgerichten.

Der Paritätische tritt vor diesem Hintergrund für eine Anpassung der Kosten der Unterkunft an die realen Mietpreisentwicklungen auf dem Wohnungsmarkt ein. Zudem ist der Rechtsbegriff der Angemessenheit durch konkrete Angaben zu ersetzen. Dazu müssen Vorgaben für ein einheitliches und transparentes Verfahren zur Berechnung der Unterkunftskosten gelten. Dabei sollen sich die Angaben zur Größe und Ausstattung der Wohnung an den Förderrichtlinien für den sozialen Wohnungsbau orientieren.

Menschenwürdiges Wohnen ist nicht nur mit einem Dach über dem Kopf verbunden, sondern auch mit der Möglichkeit, sich in ausreichendem Maße mit Energie (Wärme und Strom) zu versorgen. Der Zugang zu Energie stellt ein grundlegendes Element der Daseinsfürsorge und gesellschaftlichen Teilhabe dar. In aller Regel müssen Menschen in einkommensschwachen Haushalten in Wohnungen leben, die modernen Energieeffizienzkriterien in keiner Weise entsprechen und in denen aufgrund schlechter Isolierung hohe Energiekosten anfallen. Ebenso werden einkommensschwache Haushalte durch das jetzige System der Finanzierung von energetischer Sanierung und Modernisierung dauerhaft benachteiligt oder müssen sogar ihre Wohnung aufgeben. So darf nach Abschluss einer Modernisierung der Vermieter/-innen die jährliche Miete dauerhaft um 11 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen. Unabhängig von den tatsächlich eingesparten Energiekosten durch die Sanierung. Insgesamt führen die Nebenkosten und energetischen Modernisierungen so zu einer finanziellen Überlastung und Verdrängung von Menschen einkommensschwacher Haushalte.

Der Paritätische fordert, dass die Vorteile von energetischen Modernisierungen den Mietern/-innen warmmietneutral zukommen und die Modernisierungsumlage dementsprechend angepasst wird. Maßstab für eine Kostenbeteiligung von Mieter/-innen an der Gebäudesanierung muss die tatsächliche Energieersparnis bei den Nebenkosten für sie sein. Mieter/-innen dürfen nicht in die Situation geraten, dass sie aufgrund zu stark gestiegener Mieten durch Sanierungsmaßnahmen übermäßig belastet werden bzw. sogar ihre Wohnung aufgeben müssen. Damit Empfänger/-innen von Grundsicherungsleistungen nicht durch energetische Gebäudesanierungen benachteiligt werden, müssen die in diesem Rahmen gestiegenen Kaltmieten vor dem Hintergrund angepasster Angemessenheitsgrenzen durch die Leistungsträger übernommen werden.

Geeigneten Wohnraum zu finden, führt über die Anmietung der Wohnung oder das Eigenheim hinaus. Vielmehr bedeutet es auch die Einbindung in Nachbarschaften und in Gemeinwesen. Gemeinwesen ist die lokale Keimzelle der Bürgergesellschaft - hier werden abstrakte Werte wie Inklusion, Teilhabe und soziale Gerechtigkeit mit Leben gefüllt oder auch Erfahrungen der Ausgrenzung und Diskriminierung gemacht. Umweltbedingungen wie Begegnungsräume, Verkehrsführung, Grünflächen und Luftqualität prägen die Lebensqualität. Im Sinne einer ganzheitlichen Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik gilt es, die positive Entwicklung von Stadtteilen (Nachbarschaften/Gemeinwesen) auch durch weitere soziale Maßnahmen, insbesondere Quartiers- und Gemeinwesenarbeit, zu stärken. Sie unterstützt Menschen darin, ihre Lebensbedingungen in ihrem Gemeinwesen mitzugestalten - im ländlichen wie im städtischen Raum. Gemeinwesen- und Quartiersarbeit schafft Orte und Möglichkeiten der Begegnung - in Stadtteilzentren, Bürgerhäusern, offenen Treffs. Sie baut Brücken zwischen Menschen und Institutionen. Sie unterstützt dabei, Nähe und Vertrauen in der Nachbarschaft herzustellen, ebenso wie Unzulänglichkeiten und Bedarfe zu thematisieren. Sie ermöglicht es "einen Unterschied machen zu können" und ist behilflich, Engagement für einander und die eigene Sache zu entwickeln. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung solidarischer, inklusiver Gemeinwesen.

Der Paritätische spricht sich, im Sinne einer sozialen Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik, für die Stärkung der Quartiers- und Gemeinwesenarbeit aus. Entsprechende Strukturen müssen finanziert werden. Anknüpfungspunkte bieten aktuell das Präventionsgesetz, das Pflegestärkungsgesetz III oder auch das PsychVVG, die darauf ausgerichtet sind die Lebenswelten der Menschen vor Ort zu stärken und deren Wohnumfeld nach ihren Bedarfen zu gestalten sowie Integrationsprozesse fortzuschreiben. Auch das Förderprogramm "Soziale Stadt" gibt hier wichtige Impulse, sollte im Sinne der ressortübergreifenden Strategie diese sozialen Maßnahmen zukünftig aber noch weiter stärken und absichern. Zum Gelingen vor Ort ist eine starke Beteiligung und Einbindung der freien Träger der Wohlfahrtspflege in die Planung und Umsetzung des Förderprogramms nötig. Inklusive, solidarische Gemeinwesen brauchen darüber hinaus aber auch bürgerfreundliche Verwaltungsstrukturen und Beteiligungsformen. Zu diesem Zweck sind integrierte, transparente und partizipative Planungsprozesse zu stärken, die eine zielgruppenorientierte Beteiligung zur Gestaltung des Gemeinwesens ermöglichen, wie bspw. durch die Institutionalisierung von Mieterbeiräten.

Die Verdrängung von einkommensschwachen Haushalten und anderen Haushalten in besonderen Lebenslagen aus den Ballungszentren der Städte hat den Bedarf nach Mobilität in den vergangenen Jahren zunehmend steigen lassen. Das gilt für die Suche nach einem Arbeitsplatz genauso wie für die gesundheitliche Versorgung, das Erreichen von Bildungseinrichtungen und die Gestaltung der Freizeit. Mobilität wurde so zu einem nicht unbedeutenden Faktor für die Möglichkeit gesellschaftlicher Partizipation. Klar ist, dass ein "Zu-Wenig" an Mobilität die Teilhabechancen in vielen Lebensbereichen erheblich beeinträchtigt.
Während innerstädtische Wohnbezirke meist gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sind und eine schnelle wie kostengünstige Mobilität sicherstellen, sind außerstädtische und vor allem ländliche Gebiete häufig verkehrstechnisch deutlicher schlechter angebunden. Verringerte Mobilität führt nicht zwangsläufig zu sozialer Ausgrenzung, aber in vielen Fällen müssen die Betroffenen Abstriche in ihrer täglichen Lebensweise sowie hinsichtlich ihrer Bildungschancen, medizinischen Versorgung, kulturellen Teilhabe, Ausstattung mit Gütern und Waren, aber auch für die Bildung und Pflege sozialer Netzwerke und ihrem gesellschaftlichem sowie politischem Engagement hinnehmen.

Der Paritätische setzt sich für eine verbilligte Nutzung oder gänzliche Kostenbefreiung des ÖPNV für einkommensschwache Haushalte (wie es in einigen wenigen Kommunen schon umgesetzt wird) und für einen Ausbau des ÖPNV in ländlichen Regionen ein, um die Mobilitätsmöglichkeiten zu fördern.