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Arbeitshilfe

Eine Kita erfolgreich gründen – eine Arbeitshilfe für Migrant*innenorganisationen

Einführung

Darum geht es in diesem Kapitel

Seit dem 1. August 2013 hat jedes Kind nach Vollendung des ersten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung. Dieser Rechtsanspruch ist in § 24 Abs. 2 SGB VIII verankert und kann in einer Kita oder den Besuch in der Kindertagespflege erfüllt werden.

Ende 2021 wurden 3,8 Mio. Kinder bundesweit in 58.500 Kindertageseinrichtungen betreut[1]. Weitere knapp 158.000 Kinder besuchten öffentlich geförderte Kindertagespflegestellen.

Bundesweit besucht heute gut ein Drittel aller unter Dreijährigen und fast 92% der Drei- bis Sechsjährigen eine Kita – insbesondere bei den unter Dreijährigen ist die Inanspruchnahme weiter steigend.

Rund zwei Drittel dieser Einrichtungen befinden sich in der Trägerschaft sogenannter freier Träger, insbesondere organisiert im Bereich der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege wie Caritas, Diakonie, AWO, DRK oder dem PARITÄTISCHEN. Ein Drittel liegt in Öffentlicher Trägerschaft.

Neben den kommunalen Trägern in Kommunen und Gemeinden, den in Wohlfahrtsverbänden organisierten freigemeinnützigen Trägern und den traditionellen konfessionellen Trägern (Diakonie und Caritas) befindet sich ein geringer aber wachsender Anteil der Kitas in privatgewerblicher Trägerschaft.

Neben den institutionellen Kindertageseinrichtungen hat sich die Kindertagespflege als familiennahe und flexible Säule der frühkindlichen Bildung etabliert. Insbesondere in Flächenbundesländern ist sie eine verbreitete Form, den Rechtsanspruch zu erfüllen.

Damit hat die Kindertagesbetreuung in den vergangenen zwanzig Jahren eine rasante quantitative Entwicklung genommen. Insbesondere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die daraus resultierenden gesetzlichen Rechtsansprüche haben den Ausbau der Angebote stark beschleunigt.

Parallel zu diesem Ausbau ist auch der Anteil an Kindern mit einem Migrationshintergrund im Alter bis zu sechs Jahren stark angewachsen - auf bundesweit rd. 40%. In Metropolregionen wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt gilt dies inzwischen sogar für mehr als jedes zweite Kind.[2]

Diese Entwicklung bildet sich in der deutschen Kinderbetreuungslandschaft nur sehr bedingt ab!

Das renommierte Deutsche Jugendinstitut beschreibt dies ebenso pointiert wie treffend: Kinder mit Migrationshintergrund sind „in der Kindertagesbetreuung unterrepräsentiert und benachteiligt“.[3] Dabei gilt für den deutschen Spracherwerb und späteren Bildungserfolg bzw. der Abbau von Benachteiligungen ein möglichst früher Besuch einer Kindertageseinrichtung oder der Kindertagespflege als besonders vielversprechend. Dabei könnten Einrichtungen in migrantischer Trägerschaft an dieser wichtigen Schnittstelle eine wirkungsvolle Brücken- und Transferfunktion übernehmen.

Doch ein Blick in die bundesrepublikanische Trägerlandschaft macht deutlich, dass es genau hieran mangelt.

Diese Arbeitshilfe möchte deshalb Folgendes erreichen:

  • Migrant*innenorganisationen die Grundvoraussetzungen zur Gründung, dem Aufbau und Betrieb einer Kita vermitteln,
  • den zuständigen Jugend- und Fachämtern Mut machen, Migrant*innenorganisationen bei Kita-Gründungen im Rahmen einer offensiven Unterstützungsstruktur zu begleiten,
  • die formalen Unterschiede zwischen Kita und Kindertagespflege deutlich machen,
  • sowie potenziell interessierten Migrant*innenorganisationen kompetente Ansprechpartner*innen in den PARITÄTISCHEN Landesverbänden zu benennen.

 


[1] Lt. Detatis, Statistisches Bundesamt, Abfrage am 12.07.2022

[2] Lt. Bundeszentrale für politische Aufklärung, „Soziale Situation in Deutschland“, Abfrage am 12.07.2022

[3] DJI-Kinder- und Jugendmigrationsreport 2020, Zentrale Ergebnisse, Abfrage am 12.07.2022


Arten institutioneller Kindertagesbetreuung

Lt. §22 Abs. 2 SGB VIII ist es die Aufgabe von Kindertageseinrichtungen (kurz „Kitas“ genannt) und Kindertagespflege,

  1. die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern,
  2. die Erziehung und Bildung in der Familie zu unterstützen und zu ergänzen sowie
  3. den Eltern zu helfen, Erwerbstätigkeit, Kindererziehung und familiäre Pflege gut miteinander vereinbaren zu können.

Auch wenn Kita und Kindertagespflege dabei  den Rechtsanspruch gem. § 24 SGB VIII erfüllen, unterscheiden sie sich beide  deutlich in der Art ihrer Angebotsform(en), des Fachkräftegebots und der räumlich-organisatorischen Ausgestaltung und in der Finanzierung.


Kindertagespflege

Die Kindertagespflege ist nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz seit 2004 neben der Kita eine gleichwertige und anerkannte Form der Kindertagesbetreuung. Rechtsgrundlage ist der § 23 SGB VIII.

Kindertagespflege zeichnet sich durch ihre familienähnlichen Betreuungssettings, die individuelle Förderung und eine hohe zeitliche Flexibilität aus.

Eine Tagespflegeperson betreut zeitgleich bis zu fünf Kinder - entweder in ihren eigenen Räumlichkeiten oder, wie in Großstädten geläufig, in einem Zusammenschluss als Großtagespflegestelle. Sie benötigt dazu eine sog. Pflegeerlaubnis in der die fachliche, persönliche und gesundheitliche Eignung sowie die Geeignetheit der Räume festgestellt wurden. Dazu treffen einige Landesgesetze oder -verordnungen nähere Festlegungen, bzw. haben die finanzierenden Jugendämter eigene Anforderungsmaßstäbe entwickelt. Sie oder ein von ihnen beauftragter Fachdienst (je nach Kommune bzw. Bundesland ist das unterschiedlich) vermitteln die Kindertagespflegeplätze.

Neben der Vermittlung des Kindes an eine geeignete Tagespflegeperson, deren fachliche Beratung, Begleitung und Qualifizierung/Fortbildung wird hier auch die Gewährung der laufenden Geldleistungen und die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge organisiert. Diese umfassen:

  1. die Erstattung angemessener Kosten, die der Tagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen,
  2. einen Beitrag zur Anerkennung ihrer Förderungsleistung,
  3. die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zur Unfallversicherung sowie der hälftigen Kostenbeiträge zur Alterssicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung

Für weitere Informationen siehe die Broschüre „Was bleibt hier“

Die Festlegung dieser Sätze ist bundesweit stark uneinheitlich und offensichtlich abhängig von Faktoren wie Stellenwert im kommunalen Betreuungssystem und den Haushaltslagen.

Eltern werden regelhaft über einen Eltern-Eigenanteil an den Kosten beteiligt.

Im Gegensatz zu der im Kitabereich geforderten mehrjährigen Ausbildung zum/zur staatlich anerkannten Erzieher/in etabliert sich in der Kindertagespflege seit 2015 eine 300 Stunden umfassende Qualifizierung nach dem Qualifizierungshandbuch (QHB 300). Diese wird durch Praktika und Lernergebnisfeststellungen ergänzt.

Kindertagespflege ist alternativ auch in einer Großtagespflegestelle möglich.

Dazu arbeiten mehrere Kindertagespflegepersonen in gemeinsamen Räumen zusammen und betreuen bis zu fünf Tagespflege-Kinder. Dazu werden geeignete Räumlichkeiten angemietet (z.B. eine Wohnung). Die Vorteile sind die besseren Vertretungsmöglichkeiten bei Krankheit und Urlaub sowie eine Verteilung der Kosten auf mehrere Schultern.

Kindertagespflege richtet sich insbesondere an die Altersgruppe der unter Dreijährigen. Die veränderten normativen Anforderungen und erkennbare Professionalisierung verändert diese Angebotsform zunehmend zum eigenständigen Berufsbild.

Dazu gehört auch, dass Kindertagespflegepersonen seit 2021 einen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung gem. § 8a SGB VIII haben.

Einen guten Überblick über Angebotsformen, rechtliche Fragestellungen, Qualifizierung, Fachberatung und Qualitätssicherung bietet auch der Bundesverband für Kindertagespflege


Kindertageseinrichtung / Kita

Das Gros der Kindertagesbetreuung findet in einer der bundesweit rd. 58.500 Kindertagesstätten (Kurzform: Kita) statt. Unterschieden wird altersentsprechend in manchen Ländern zwischen:

  • Kinderkrippen (bis zu drei Jahre)
  • Kita/Kindergarten (zweieinhalb/drei bis sechs Jahre)
  • Hort oder Schulhort (längstens bis 14 Jahre)

Kinder mit und ohne Behinderung sollen grundsätzlich gemeinsam gefördert werden (§ 22a Abs. 4 SGB VIII). Die Finanzierung und Beantragung von Mitteln zur Frühförderung oder Eingliederungshilfe kann sehr komplex sein. Träger von Kindertageseinrichtungen haben einen Anspruch auf Beratung gegenüber dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe.

Neben den kommunalen Trägern in Kommunen und Gemeinden, den in Wohlfahrtsverbänden organisierten frei-gemeinnützigen Trägern und den traditionellen konfessionellen Trägern (Diakonie und Caritas) gibt es zunehmend auch privat-gewerbliche Anbieter von Kindertagesbetreuung.

Die Kindertageseinrichtungen sind in Deutschland Teil der Kinder- und Jugendhilfe und finden ihre rechtliche Grundlage in den §§ 22 bis 26 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz).

Die konkrete Ausgestaltung erfolgt dann für jedes Bundesland auf landesrechtlicher Ebene in Form von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen. Beispiele für Gesetze sind für NRW das Kinderbildungsgesetz – KiBiz, für Berlin das Kindertagesförderungsgesetz - KitaFöG oder für Bayern das Bayrischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz – BayKiBiG. Die konkrete Umsetzung erfolgt durch den öffentlichen Träger der Jugendhilfe, also auf kommunaler Ebene.

Regelhaft umfasst das Angebot in einer Kita eine werktägliche Öffnung von mind. vier i.d.R. fünf Stunden täglich, inkl. eines Mittagessens.

Es gilt das sog. Fachkräftegebot, d.h. in Kitas arbeiten ausschließlich pädagogische Fachkräfte wie staatl. anerkannte Erzieher*innen, Kindheitspädagog*innen, Heilpädagog*innen oder Sozialpädagog*innen. Ergänzt werden diese durch Kinderpfleger*innen, Sozialassistent*innen, Bundesfreiwillige, FSJler, Praktikant*innen, Auszubildende sowie fachfremde Hilfskräfte.

Der bundesweite Männeranteil ist in den Kitas in den letzten Jahren erheblich gestiegen und hat sich seit 2009 mehr als verdreifacht[1]. Trotzdem liegt die bundesweite Quote bei deutlich unter 10%, einzig in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg werden signifikant höhere Quoten erreicht, hier sind in mehr als jeder zweiten Kita männliche Pädagogen angestellt[2].

Die Kostenbeteiligung der Eltern hängt wesentlich vom Wohnort/Bundesland, dem Alter des Kindes, dem Betreuungsangebot (Krippe, Elementar, Hort) sowie weiteren Sozialstaffelungen ab.

Rheinland-Pfalz war 2010 das erste Bundesland, das die Kindertagesbetreuung ab dem 2. Lebensjahr kostenfrei stellte, in Hamburg sind ab 2014 die ersten fünf Betreuungsstunden grundsätzlich beitragsfrei, in Berlin ist die Betreuung bis zum 6. Lebensjahr grundsätzlich kostenlos, hier wird lediglich ein monatlicher Essensbeitrag erhoben.

Die in diesem Kapitel skizzierten bundesrechtlichen Vorgaben werden durch entsprechende Gesetze, Verordnungen und Vorschriften auf Länderebene ausgestaltet. Hier gibt es von Bundesland zu Bundesland allerdings so große Unterschiede, dass an dieser Stelle kein belastbarer Überblick erfolgen kann.

Insbesondere werden im Landesrecht geregelt:

  • Aufgaben und Ziele der Kindertagesbetreuung
  • Grundsätze der Erziehungs- und Bildungsarbeit
  • Bedarfsplanung und Öffnungszeiten
  • Gruppengröße
  • Bau- und Raumausstattung
  • Betriebs-/Pflegeerlaubnis
  • Aufgaben der Träger
  • Elternrechte
  • Personalqualifikation und Qualitätssicherung
  • Finanzielle Förderung

Auf der Ebene der Städte, Gemeinden und Landkreise werden diese Vorgaben des Bundes und der Länder in eigenen Richtlinien und gesetzlichen Regelungen weiter konkretisiert und ergänzt.

Wir empfehlen Ihnen daher die Kontaktaufnahme mit kompetenten Ansprechpartner*innen in Ihrem PARITÄTISCHEN Landesverband vor Ort. Die dortigen Kolleg*innen verfügen über eine große Expertise und stehen Ihnen gerne für Ihre Fragestellungen zur Verfügung. Auch Nicht-Mitgliedsorganisationen stehen die Ansprechpartner*innen der Landesverbände für Erstgespräche zum Thema Gründungsberatung zur Verfügung.

 


[1] Lt. de.statista.com, Abfrage com 13.07.2022

[2] Lt. Koordinationsstelle „Männer in Kitas“ Stand: 31.12.2019, Abruf vom 13.07.2022