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Schwerpunkt

Kinder- und Jugendhilfe

Vier Jugendliche schauen über eine Stadt in Richtung Sonne
Devin Avery/Unsplash
Auf der Seite der Kinder- und Jugendhilfe erhalten Sie einen Überblick zu allen aktuellen und grundsätzlichen Themen im Rahmen des SGB VIII. Darüber hinaus erhalten Sie aktuelle Informationen zu den originären Themenfeldern der Kinder- und Jugendhilfe insbesondere den Hilfen zur Erziehung, der Kinder- und Jugendarbeit oder der Jugendsozialarbeit. Dies umfasst aktuelle politische Entwicklungen, Paritätische Veröffentlichungen, rechtliche Grundlagen, Bundesprogramme zum Thema und Arbeitshilfen/Praxishilfen für die Fachöffentlichkeit und Fachkräfte.

Haftung

Abgesehen davon, dass empfindliche Buß- und Zwangsgelder drohen, wenn es Einrichtungen z. B. verabsäumen, das Gesundheitsamt über nicht vorgelegte Impfnachweise zu benachrichtigen und/oder pflichtwidrig Personen tätig werden lässt, die sich hätten impfen lassen müssen, sind auch Konstellationen nicht ausgeschlossen, die sogar noch weitergehende haftungsrechtliche Folgen haben könnten.

Denkbar ist etwa der Fall, dass ein/e Mitarbeiter*in, der/die sich hätte impfen lassen müssen, dies aber nicht getan hat und gleichwohl weiterhin beschäftigt wird, ein (noch nicht impfpflichtiges) Kind in der Einrichtung ansteckt und dieses, aufgrund eines komplizierten Krankheitsverlaufs, Spätfolgen davonträgt oder sogar stirbt.

Das IfSG n. F. normiert für die betroffenen Personen eine Impfpflicht und legt den Leitungen der Einrichtungen entsprechende Prüf- und Benachrichtigungspflichten auf. Personen, die keinen ausreichenden Nachweis erbringen, dürfen wieder in den betroffenen Einrichtungen betreut, noch in diesen tätig werden. Insoweit handelt es sich nicht (nur) um allgemeine Verkehrssicherungspflichten, über deren Bestehen und Umfang gestritten werden könnte, sondern besteht nun eine gesetzlich klar geregelte Verpflichtung dazu.

Wird dagegen verstoßen, gelten die allgemeinen haftungsrechtlichen Bestimmungen, die insbesondere im Falle einer zurechenbaren und schuldhaften Körper- und Gesundheitsverletzung, die auch in einem Unterlassen bestehen kann, Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche vorsehen. Darüber hinaus kann sich, wer gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderen bezweckt, schadensersatzpflichtig machen.

Daher ist den Betroffenen und den Einrichtungen dringend zu empfehlen, die gesetzlichen Verpflichtungen einzuhalten, um nicht nur Buß- und Zwangsgelder, sondern auch alle weiteren, denkbaren haftungsrechtlichen Risiken auszuschließen.

Arbeitsrechtliche Empfehlungen für Einrichtungen

Vor der Einstellung von neuen Mitarbeiter*innen hat sich die Leitung der jeweiligen Einrichtung zukünftig einen ausreichenden Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern in der gebotenen Form nachweisen zu lassen. Dabei ist zu beachten, dass der Nachweis gemäß § 20 (9) S. 1 IfSG n. F. vor Beginn ihrer Tätigkeit vorgelegt werden muss. Das bedeutet, dass der Nachweis zwar nicht schon unbedingt bei Abschluss des Arbeitsvertrags, aber in jedem Fall vorliegen muss, wenn die Tätigkeit aufgenommen wird.

Um nicht in rechtliche Schwierigkeiten zu kommen, ist zu empfehlen, wenn der Nachweis bei Vertragsschluss nicht zweifelsfrei vorliegt, Arbeitsverträge nur unter der aufschiebenden Bedingung abzuschließen, dass der gesetzlich geforderte Nachweis eines ausreichenden Impfschutzes gegen Masern oder eine Immunität vorgelegt wird. Das bedeutet, dass der Arbeitsvertrag erst dann wirksam wird, wenn der Nachweis in der gebotenen Weise von dem/der Einzustellenden nachgereicht wird. Bis dahin darf selbstverständlich auch noch keine Beschäftigung in der Einrichtung erfolgen.

§ ... Aufschiebende Bedingung

Die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags hängt davon ab, dass der/die Arbeitnehmer*in bis zum vereinbarten Tätigkeitsbeginn dem/der Arbeitgeber*in nach den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes in der jeweils gültigen Fassung (IfSG)   

- eine Impfdokumentation oder ein ärztliches Zeugnis darüber vorlegt, dass bei ihm/ihr ein nach den Maßgaben des IfSG ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht, oder
- ein ärztliches Zeugnis darüber vorlegt, dass bei ihm/ihr eine Immunität gegen Masern vorliegt oder er/sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann, oder
- eine Bestätigung einer staatlichen Stelle oder der Leitung einer anderen Einrichtung, die dem IfSG unterliegt, darüber vorlegt, dass einer der vorstehenden Nachweise bereits vorgelegen hat.


Hinweis zur Verwendung der Klausel:

Zu empfehlen ist, dass neu einzustellende Mitarbeiter*innen schon im Vorfeld des Vertragsschlusses über die Anforderungen des Masernschutzgesetzes ausreichend informiert werden. Aus einer solchen, am besten schriftlichen Information sollten vor allem die Vorschriften hervorgehen, die regeln, wie der geforderte Nachweis gesetzeskonform zu erbringen ist. Hierzu hat z. B. das Bundesministerium für Gesundheit Merkblätter veröffentlicht (www.masernschutz.de). Auch auf  eine ggf. beabsichtigte Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung im Arbeitsvertrag sollte schon frühzeitig hingewiesen werden.

Bei der vorstehenden aufschiebenden Bedingung handelt es sich lediglich um einen Formulierungsvorschlag, der keine umfassende rechtliche Beratung im Einzelfall ersetzen kann und möglichweise anzupassen ist. Eine Gewähr für den rechtlichen Bestand der Klausel wird nicht übernommen.

Zu beachten ist weiterhin, dass diese Formulierung nicht (mehr) sinnvoll ist, wenn die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle bestimmen sollte, dass der Nachweis nicht der Leitung der jeweiligen Einrichtung, sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber zu erbringen ist. Auch die Behörde, die für die Erteilung der Erlaubnis nach § 43 Abs. 1 SGB XIII zuständig ist, kann bestimmen, dass vor dem Beginn der Tätigkeit im Rahmen der Kindertagespflege der Nachweis ihr gegenüber zu erbringen ist. Ob und ggf. wann solche behördlichen Bestimmungen getroffen werden, können wir derzeit nicht mit Bestimmtheit sagen.

Für den Fall, dass (Bestands-)Mitarbeiter*innen, trotz Aufforderung, ihrer Pflicht nicht nachkommen sollten, bis zum 31.07.2021 den entsprechenden Nachweis vorzulegen, ist angezeigt, sich im Rahmen von Personalgesprächen nach den Gründen zu erkundigen, Aufklärung zu betreiben und auf die drohenden Konsequenzen, bis hin zu einem behördlich verhängten Betretens- und Tätigkeitsverbot, hinzuweisen. Die Tatsache, dass, wann, in welcher Besetzung, mit welchem Inhalt und Ergebnis solche Gespräche stattgefunden haben, sollte die Leitung der Einrichtung dokumentieren.

Sollte all dies, im Extremfall, nicht fruchten, und das Gesundheitsamt einem/r Mitarbeiter*in tatsächlich untersagen, in der Einrichtung (weiterhin) tätig zu werden, richten sich die Folgen für das Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis nach den jeweiligen vertrags-, dienst- oder arbeitsrechtlichen Grundlagen. Eine Schutzimpfung gegen Masern in den genannten Einrichtungen ist gesetzlich vorgesehen und bildet den Rahmen für die möglichen individuellen Konsequenzen.

Die Folge eines solchen Tätigkeitsverbot ist, dass der/die Mitarbeiter*in an der Erbringung seiner/ihrer Arbeitsleistung fortan gehindert ist. Das bedeutet nicht, dass damit auch schon der Arbeitsvertrag automatisch hinfällig und beendet ist. Wenn der/die Mitarbeiter*in aber dauerhaft daran gehindert bleiben sollte, seine/ihre Tätigkeit fortzusetzen, etwa weil das behördliche Verbot zeitlich unbefristet verhängt wurde, kommt eine ordentliche Kündigung des Arbeitsvertrags in Betracht.

Vor Ausspruch einer Kündigung ist zwar stets zu prüfen, ob nicht die Möglichkeit besteht, den/die zu Kündigende(n) auf einem anderen, freien Arbeitsplatz zu beschäftigen. Da die Impfpflicht jedoch für alle in den betroffenen Einrichtungen tätigen Personen gilt, nicht nur für diejenigen, die mit den Betreuten direkten Kontakt haben, dürfte dies in der Regel aber zu keinem anderen Ergebnis führen. 

Für die Dauer des Tätigkeitsverbots besteht, auch wenn das Arbeitsverhältnis fortdauert, kein Anspruch auf eine Vergütung. Unabhängig davon, ob es sich um ein gesetzliches oder behördliches Verbot handelt, führt dies zum Unvermögen, die Arbeitsleistung weiterhin zu erbringen. Wenn die Einrichtung den/die Mitarbeiter*in deshalb nicht mehr beschäftigt, gerät sie nicht in Annahmeverzug und schuldet daher insoweit keine Vergütung.  

Anders als z. B. bei der Kontrolle, ob Mitarbeiter*innen über eine gültige Fahrerlaubnis verfügen, oder bei der Vorlage eines (erweiterten) Führungszeugnisses, dessen Inhalt sich nachträglich ändern und die Einrichtungen in Beweisnöte bringen könnte, ist der Impfschutz (nur) einmal nachzuweisen. Dessen weiteres Fortbestehen steht danach nicht mehr in Frage.

Daher reicht es aus, wenn sich die Leitung der Einrichtung die Dokumentation vorlegen lässt und einen internen Vermerk anfertigt, dass der Nachweis in der gesetzlich gebotenen Form erbracht worden ist, d. h. wann, von wem und in welcher Form. Die Anwendung des „4-Augen-Prinzips“ könnte als eine zusätzliche Absicherung dienen.  

In jedem Fall sind die damit betrauten (Personal-)Mitarbeiter auf Verschwiegenheit zu verpflichten, zumal Gesundheitsdaten besonderen sensible Daten sind, deren Verarbeitung datenschutzrechtlich nur unter strengen Voraussetzungen zulässig ist.

Rechtsprechung

BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2020 - 1 BvR 469/20

Verwaltungsgericht Chemnitz: Anonymisierte Fassung des noch nicht rechtskräftigen Beschlusses vom 29.05.2020 unter dem Aktenzeichen 6 L 268/20 des Verwaltungsgerichts Chemnitz