Familien und Frauen
1. Sexuelle und reproduktive Rechte sind Menschenrechte
Der Paritätische setzt sich für soziale Gerechtigkeit ein. Dies wird verstanden als das Recht eines jeden Menschen auf gleiche Chancen zur Verwirklichung seines Lebens in Würde und die Entfaltung seiner Persönlichkeit – d.h. unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität, sozialer oder ethnischer Herkunft, Lebenssituation, Alter, Religion oder Weltanschauung, materieller Situation, Behinderung, Beeinträchtigung, Pflegebedürftigkeit oder Krankheit.
Sexuelle und reproduktive Gesundheit sind hierfür essenziell. Sie sind für den Paritätischen zentrale Menschenrechte, deren Durchsetzung ein entscheidender Gradmesser für eine demokratische, offene, vielfältige Gesellschaft ist, in der alle Menschen gleichberechtigt teilhaben und selbstbestimmt leben.
Sexualität spielt auch für Jugendliche eine wichtige Rolle. Aufklärung und Information sind für junge Menschen essenziell. Dies gilt ganz besonders auch in Corona-Zeiten, in denen die sexualpädagogischen Maßnahmen in der Schule oft entfallen und seriöse und pädagogisch aufbereitete Informationen im Internet für viele eine entscheidende Wissensquelle sind.
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2. Rechtliche Verortung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs
Der Paritätische spricht sich für eine rechtliche Verortung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs aus. Der selbstbestimmte Schwangerschaftsabbruch und alle damit in Zusammenhang stehenden Regelungen sollen grundsätzlich im dann umzubenennenden Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) oder in anderen Bundesgesetzen geregelt werden. Der Schwangerschaftsabbruch gegen den Willen der schwangeren Person muss jedoch weiterhin im StGB geregelt werden, da er das Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Person verletzt. Dessen Strafrahmen muss deshalb auch von einem Vergehen zu einem Verbrechen angehoben werden.
Ziel einer Regelung in diesem Sinne ist die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der schwangeren Person und der Schutz des ungeborenen Lebens. Grundlage hierfür muss sein, dass schwangere Personen, sofern von ihnen gewünscht, jederzeit die Hilfe bekommen, die sie benötigen. Der Paritätische fordert daher einen uneingeschränkten, barriere- und diskriminierungsfreien sowie wohnortnahen Zugang zu Informationen, Beratung und medizinischer Versorgung für schwangere Personen. Der Verband fordert außerdem die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen für alle selbstbestimmten Schwangerschaftsabbrüche.
Die Positionierung in voller Länge:
3. Abschaffung § 219 a StGB und Zugang zu Schwangerschaftsberatungsstellen
Der Paritätische sprach sich für eine Abschaffung des § 219 a StGB aus.
Darüber hinaus muss aus Sicht des Verbandes der Zugang zu Schwangerschaftsberatungsstellen für alle Menschen flächendeckend, wohnortnah und barrierefrei möglich sein. Es muss bundesgesetzlich sichergestellt werden, dass Schwangere ohne Belästigung, Störung und Beeinflussung die gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftskonfliktberatung aufsuchen können.
4. Kostenfreiheit von Verhütungsmitteln
Wie sicher darf es sein? Wenn Verhütung zur Frage des Geldbeutels wird - Paritätisches Fachgespräch 2019
Viele Menschen mit wenig Geld können sich die Verhütung ihrer Wahl nicht leisten. Der Paritätische fordert die Kostenfreiheit von Verhütungsmitteln für Menschen mit geringem Einkommen oder im Transferleistungsbezug, um eine selbstbestimmte Verhütung und Familienplanung zu ermöglichen. Kostenübernahme-Fonds von Kommunen sind zwar ein erster Schritt, doch sie erreichen nicht alle Menschen und wirken nicht bundesweit. Daher sollte die Kostenübernahme für alle Verhütungsmittel und -methoden zur Familienplanung und die hierfür ggf. notwendigen ärztlichen Leistungen für Menschen mit geringem Einkommen oder im Transferleistungsbezug über die Krankenkassen sichergestellt werden.
Studien zeigen, dass Menschen ihr Verhütungsverhalten ändern, wenn das Geld knapp ist. Bei der Entscheidung für eine Verhütungsmethode sollten jedoch für alle Menschen nicht allein die Kosten, sondern Verträglichkeit und Sicherheit die entscheidenden Kriterien bei der Auswahl sein. Unter dem Motto „Wie sicher darf es sein? Wenn Verhütung zur Frage des Geldbeutels wird“ hat der Paritätische Gesamtverband in Kooperation mit dem Bundesverband von pro familia am 11. September 2019 in Berlin ein politisches Fachgespräch durchgeführt.
Publikation: Verhütung ist Menschenrecht!
Status Quo und Handlungsempfehlungen auf dem Weg zur Kostenfreiheit von Verhütungsmitteln
Verhütung ist Menschenrecht! Dass Menschen in Deutschland, die sicher verhüten wollen, dies aus Kostengründen nicht tun können, ist ein unhaltbarer Zustand. Alle Menschen müssen sich ein sicheres und gesundheitsschonendes Verhütungsmittel ihrer Wahl leisten können. Niemandem darf der Zugang zu sicheren Verhütungsmitteln aus Kostengründen verwehrt bleiben, das ist unsere Forderung an die Politik!
Die Frage der Kostenfreiheit von Verhütungsmitteln ist nicht nur eine Frage der Verhinderung einer Schwangerschaft. Die Kostenfreiheit ist genauso eine Frage der Gesundheitsprävention und sexueller Selbstbestimmung, unabhängig von Geschlecht und geschlechtlicher Identität, Alter oder sexueller Orientierung.
Im Februar 2024 haben sich deshalb 36 Organisationen und Verbände zusammengeschlossen und an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags gewandt, um eine bundesgesetzliche Regelung zur Kostenübernahme für Menschen zu fordern, die sich Verhütungsmittel nicht leisten können.
Publikation herunterladenVerhütung ist Menschenrecht! Paritätische Fachtagung zur Kostenfreiheit von Verhütungsmitteln 2023
Im aktuellen Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, dass es Krankenkassen ermöglicht werden soll, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten. Insbesondere bei Geringverdiener*innen sollen die Kosten übernommen werden. Die Bundesregierung kündigte ebenfalls an, die Forschungsförderung für Verhütungsmittel für alle Geschlechter anzuheben.
Zur Halbzeit der Legislatur wurde bislang keines der genannten Vorhaben verwirklicht. Deshalb haben wir uns mit Forscher*innen, Expert*innen aus (Schwangerschafts-)Beratungsstellen und Fachverbänden am 01.12.2023 erneut darüber ausgetauscht, welche Forschungserkenntnisse und Praxiserfahrungen vorliegen. Zugleich haben wir mit politisch Verantwortlichen diskutiert, warum es so wichtig ist, die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages umzusetzen und wie dies noch in dieser Legislatur gelingen kann.
Die Veranstaltung wurde gefördert von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Die barrierefreie Veranstaltungsdokumentation steht auf dieser Seite zum Download zur Verfügung.
Fotos von der Veranstaltung (für größere Ansicht, Foto anklicken):
5. Sprachmittlung für geflüchtete Menschen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte: Praxisempfehlungen für Sprachmittler*innen
Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte beschreiben das Menschenrecht, frei und selbstbestimmt über den eigenen Körper, die Sexualität, Gesundheit und Reproduktion zu entscheiden. Insbesondere geflüchtete Frauen und queere Geflüchtete sind beim Zugang zu diesen Rechten jedoch häufig mit erheblichen Barrieren konfrontiert. Zum einen, weil es an einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung fehlt und bürokratische Hürden den Weg in das Gesundheitssystem zusätzlich erschweren. Zum anderen, weil es einen erheblichen Mangel an einer qualifizierten, flucht- und migrationssensiblen Sprachmittlung gibt.
Für viele Menschen sind die Themenbereiche der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte sensible Bereiche, häufig betreffen diese Themen belastende Situationen. Für Menschen, die auf eine Sprachmittlung angewiesen sind, ist eine sensibilisierte und qualifizierte Sprachmittlung umso wichtiger. Zu wissen, dass die eigenen Worte und die der beratenden Person akkurat übersetzt werden, dass das Gesagte im Raum bleibt und nicht den Weg in die eigene Community findet und dass sich die sprachmittelnde Person als aufrichtige Unterstützung der ratsuchende Klient*innen begreift, erhöht die Chance, dass sich Ratsuchende sicherer fühlen können und Beratungsangebote angenommen bzw. seltener abgebrochen werden. Für die Sprachmittlung ergeben sich daher besonders hohe Anforderungen.
Die vorliegende Arbeitshilfe setzt hier an. Sie gibt Handlungsempfehlungen für die Praxis der Sprachmittlung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte. Als Leitfaden richtet sie sich direkt an Sprachmittler*innen, die in diesem Themenbereich mit geflüchteten Menschen arbeiten (möchten). Sie dient aber auch als Orientierung für alle Interessierten in Beratungsstellen und einschlägigen Institutionen, die bereits Sprach- und Kulturmittler*innen einsetzen oder sie gerne in Zukunft einsetzen möchten.
Die Publikation ist im Rahmen des Paritätischen Projektes „Empowerment mit Sprach- und Kulturmittler*innen als Multiplikator*innen für die Vermittlung und Wahrnehmung von sexuellen und reproduktiven Rechten geflüchteter Menschen“ entstanden, welches seit 2022 durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus gefördert wird. Im Projekt werden bundesweit an 12 Standorten Paritätischer Mitgliedsorganisationen Sprach- und Kulturmittler*innen zu den Themen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte auf der Basis eines gemeinsamen Rahmenkonzeptes geschult und in anschließenden Praxiseinsätzen begleitet.
Die Broschüre kann hier heruntergeladen werden:
www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/sprachmittlung-fuer-gefluechtete-menschen-im-bereich-der-sexuellen-und-reproduktiven-gesundheit-und-rechte-praxisempfehlungen-fuer-sprachmittlerinnen/